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«Goodbye, UK» - Was die Kulturszene zum Brexit sagt. Foto: Lieberwirth
«Goodbye, UK» - Was die Kulturszene zum Brexit sagt. Foto: Lieberwirth
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«Goodbye, UK» - Was die Kulturszene zum Brexit sagt

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Berlin/London - Der Brexit ist das große Thema, nicht nur für Politik und Wirtschaft. Die «Harry Potter»-Autorin klingt entgeistert. Und ein deutscher Comedian malt sich schon aus, wie es wäre, wenn Boris Johnson und Donald Trump Regierungschefs würden.

Großbritannien hat sich für den Austritt aus der EU entschieden, Premierminister David Cameron wird zurücktreten. Der Brexit ist das große Thema am Freitag - auch für Prominente aus der Kultur, Musik und Comedy.

«Goodbye, UK», schrieb die britische Bestsellerautorin Joanne K. Rowling (50, «Harry Potter») auf Twitter. «Schottland wird jetzt die Unabhängigkeit anstreben. Camerons Vermächtnis wird sein, zwei Staatenbündnisse zerbrochen zu haben. Beides hätte nicht sein müssen.»

Der Chefdirigent der Hamburger Symphoniker, Jeffrey Tate (73), sagte: «Heute ist ein schwarzer Tag für Europa und vor allem für England.» Der Brexit gefährde das vereinte Europa und den Frieden seit 1945. «Ich weiß nicht, wie David Cameron ruhig in seinem Bett liegen und schlafen kann.»

Die Journalistin Carolin Emcke (48), die am Freitag den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zugesprochen bekam, erklärte, wie wichtig der Einsatz für Europa nun sei. «Mein ganzes Leben lang war ich dankbar dafür, dass ich Europäerin sein darf», sagte Emcke der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Und ich fürchte, vielleicht haben wir das auch ein bisschen zu selbstverständlich genommen.» Es sei an der Zeit, Europa auch zu verteidigen gegen diejenigen, die es mit ihrem Nationalismus und ihren Ressentiments unterwandern.

Der schottische Autor Martin Walker (59, «Bruno»-Romane) sieht die Wurzeln des Votums in der Rezession, die 2008 begonnen habe, und in der sprunghaft gestiegenen Zuwanderung, der «Great Migration». «Die Brexit-Entscheidung war ein Sieg der Vergangenheit über die Zukunft, von den Alten über die Jungen, von den weniger Ausgebildeten über die Uni-Absolventen (...)», zitierte der Diogenes Verlag den Schriftsteller. Die Folgen würden düster, so Walker. Das gelte sicher für Großbritannien, wahrscheinlich für Europa und sehr wahrscheinlich auch für den ganzen Westen.

Der Ex-Oasis-Sänger Liam Gallagher (43) war entsetzt: «Haltet die Welt an, ich steige aus», twitterte der britische Musiker. Der Kommentar des TV-Satirikers Jan Böhmermann (35) klang ironisch: «Zum Glück ist es die Spezialität der Bundesregierung, Menschen zu inspirieren und Leidenschaft für gemeinsame Werte und Ideale zu wecken.»

«Überrascht und enttäuscht» zeigte sich der britische Musiker Andrew Manze. «Der Brexit ist eine Erklärung der Ablehnung von politisch-historischen Freunden und Nachbarn», sagte der Chefdirigent der NDR Radiophilharmonie in Hannover der dpa. Das Vereinigte Königreich werde unter der selbst zugefügten Wunde leiden. «Meine größere Sorge aber ist die Zukunft einer zerbrochenen EU.»

Der in England lebende deutsche Comedian Christian Schulte-Loh (37) zeigte sich am Freitag im dpa-Interview «echt überrascht». Alle Leute, mit denen er gesprochen habe, hätten gesagt, der Ausstieg werde wohl nicht kommen. Was das Ganze für ihn bedeute, wisse er noch nicht, sagte Schulte-Loh, der gerade zu einem Gastauftritt im Quatsch Comedy Club in Berlin ist.

Auf Deutschland schauten die Briten mit Respekt und Anerkennung: «Man hätte, glaube ich, selber gerne so jemanden wie Angela Merkel», so der Nordrhein-Westfale, der im Londoner Viertel Lambeth wohnt.

Als Comedian wird der Brexit für ihn sicher ein Thema auf der Bühne. Natürlich vergehe im persönlich etwas der Spaß, weil er die Entscheidung schade und falsch finde. Aber: «Comedy entsteht ja immer aus Leiden und aus Tragödie.» So malt sich Schulte-Loh schon aus, wie es würde, falls Boris Johnson Premierminister würde und auf einen US-Präsidenten namens Donald Trump träfe - «das sieht dann wirklich aus wie zwei Bond-Bösewichte».

David Camerons Rücktrittsrede in Auszügen

London (dpa) - Der britische Premierminister David Cameron, der für einen Verbleib seines Landes in der EU geworben hatte, will bis spätestens Oktober zurücktreten. Der konservative Politiker versicherte zudem, dass Regierung und Parlament den Volkswillen respektieren und mit der EU den Austritt aushandeln werden. Seine Rücktrittsrede in Auszügen:

«Das Land hat gerade an einer gigantischen demokratischen Übung teilgenommen, vielleicht der größten unserer Geschichte. Mehr als 33 Millionen Menschen aus England, Schottland, Wales, Nordirland und Gibraltar haben ihre Meinung gesagt. Wir sollten stolz darauf sein, dass wir auf diesen Inseln den Menschen trauen, solche großen Entscheidungen zu treffen. (...)

Das britische Volk hat dafür gestimmt, die Europäische Union zu verlassen, und wir müssen seinen Wunsch respektieren. (...) Der Wille des britischen Volkes ist ein Befehl, der ausgeführt werden muss. Es war keine leichtfertige Entscheidung, nicht zuletzt deshalb, weil so viele verschiedene Organisationen so viele Dinge über die Bedeutung dieser Entscheidung gesagt haben. (...)

Ich möchte den Märkten und Investoren versichern, dass die britische Wirtschaft grundsätzlich stark ist. Und ich möchte auch den Briten, die in kontinentaleuropäischen Ländern leben, sowie europäischen Bürgern, die hier leben, versichern, dass sich ihre Situation nicht sofort ändern wird. Die Art und Weise, wie unser Volk reisen kann, wie unsere Güter bewegt oder wie unsere Dienstleistungen verkauft werden können, wird sich zunächst nicht ändern.

Wir müssen uns jetzt auf eine Verhandlung mit der Europäischen Union vorbereiten. Dazu brauchen wir den vollen Einsatz der Regierungen von Schottland, Wales und Nordirland, um sicherzustellen, dass die Interessen aller Teile des Vereinigten Königreiches geschützt und gefördert werden.

Dafür ist vor allem eine starke, entschiedene und engagierte Führung nötig. Ich bin sehr stolz und sehr geehrt, sechs Jahre lang der Premierminister dieses Landes gewesen zu sein. Ich glaube, wir haben große Schritte getan. Mehr Menschen denn je in unserer Geschichte haben Arbeit. Wir haben den Wohlfahrtsstaat und das Bildungswesen reformiert. Wir haben den Menschen mehr Möglichkeiten für ihr Leben gegeben und eine größere und stärkere Gesellschaft geschaffen. Wir haben unsere Versprechen an die ärmsten Menschen der Welt gehalten und denen, die sich lieben, unabhängig von ihrer sexuellen Identität ermöglicht zu heiraten. Vor allem haben wir aber die wirtschaftliche Stärke Großbritanniens wiederhergestellt. Ich bin all denen dankbar, die dazu beigetragen haben.

Ich war auch immer der Meinung, dass wir uns großen Entscheidungen stellen müssen, statt ihnen auszuweichen. (...) Deshalb haben wir ein faires, rechtmäßiges und entscheidendes Referendum in Schottland durchgeführt. Und aus diesem Grund habe ich auch versprochen, die Rolle Großbritanniens in der Europäischen Union neu zu verhandeln sowie das Referendum über unsere Mitgliedschaft abzuhalten, und diese Dinge auch ausgeführt.

Ich habe diese Kampagne auf die einzige Art und Weise geführt, die ich kenne: direkt und leidenschaftlich für das, was ich denke und fühle - mit Kopf, Herz und Seele. Ich habe mich nicht zurückgehalten. Ich habe meine Überzeugung, dass Großbritannien innerhalb der Europäischen Union stärker, sicherer und besser dran ist, absolut klargemacht. Und ich habe klargestellt, dass es in dem Referendum nur allein darum ging, und nicht um die Zukunft eines einzelnen Politikers, auch nicht meine eigene.

Aber das britische Volk hat eine sehr klare Entscheidung getroffen, einen anderen Weg zu gehen. Und deshalb glaube ich, dass das Land eine neue Führung braucht, um diese Richtung zu verfolgen. Als Premierminister werde ich alles mir Mögliche dafür tun, das Schiff in den kommenden Wochen und Monaten auf stabilem Kurs zu halten. Aber ich glaube nicht, dass es richtig wäre, der Kapitän sein zu wollen, der unserer Land auf sein nächstes Ziel zusteuert.

Es ist keine Entscheidung, die ich leichtfertig getroffen habe. Aber ich glaube, es ist im Interesse der Nation, eine stabile Phase zu haben, und danach die nötige neue Führung.

Wir müssen heute keinen konkreten Zeitplan festlegen, aber meiner Ansicht nach sollten wir darauf hinarbeiten, zum Beginn des Parteitags der Konservativen im Oktober einen neuen Premierminister im Amt zu haben. Es wird wichtig sein, Stabilität zu garantieren, und ich werde als Premierminister mit meinem Kabinett für die nächsten drei Monate im Amt bleiben. (...)

Die Verhandlung mit der Europäischen Union muss unter einem neuen Premierminister beginnen, und ich halte es für richtig, dass dieser neue Premierminister die Entscheidung trifft, wann er auf Artikel 50 zugreifen möchte, um den offiziellen rechtlichen Austrittsprozess aus der EU in Gang zu setzten. Ich werde in der nächsten Woche im Europäischen Rat sein, um sowohl die Entscheidung des britischen Volkes als auch meine eigene zu erklären.

Das britische Volk hat eine Entscheidung getroffen, die wir nicht nur respektieren müssen. Diejenigen auf der Verliererseite - einschließlich mir selbst - sollten zur ihrer Umsetzung beitragen. (...) Auch wenn ein Austritt aus Europa nicht der Weg war, den ich empfohlen habe, bin ich der erste, der unsere unglaublichen Stärken lobt.

Ich habe schon zuvor gesagt, dass Großbritannien außerhalb der Europäischen Union überleben kann, und dass wir tatsächlich einen Weg finden könnten. Jetzt, da die Entscheidung für einen Austritt gefallen ist, müssen wir den besten Weg finden, und ich werde alles mir Mögliche tun, zu helfen.»