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Hamburg: Stadt soll Kostenanstieg bei Elbphilharmonie bewusst riskiert haben [update, 1.6.]

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Hamburg - Die Zeugin Anette Kettner hat im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Elbphilharmonie der stadteigenen Realisierungsgesellschaft, vorgeworfen, die Kostenexplosion beim Bau des Hamburger Konzerthauses bewusst riskiert zu haben. "Ich fand, dass der Nachtrag viel zu schnell unterschrieben wurde und nicht ausreichend geprüft wurde", sagte die frühere Projektleiterin der stadteigenen Realisierungsgesellschaft (ReGe) bei ihrer Vernehmung am Mittwochabend im Hamburger Rathaus.

Der sogenannte Nachtrag 4 sollte vor allem Mehrkostenforderungen des Baukonsortiums aus Hochtief und Commerz Real AG gegenüber der Stadt regeln. Kettner sagte, die ReGe habe ihre Aufgabe, das Projekt zu steuern, wegen Personalmangels nur begrenzt wahrgenommen. Der Ausschuss soll Kostenexplosion und Verzögerungen beim Bau der Elbphilharmonie aufklären.

Kettner war als Projektleiterin bei der ReGe tätig, als über den Nachtrag 4 verhandelt wurde. Die Zeugin betonte jedoch, von der Geschäftsleitung der ReGe nicht mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattet worden zu sein. "Die eigentliche Projektleitung war die Geschäftsführung - die hat die Entscheidungen gefällt", sagte sie.

Mit dem Vertragsabschluss im November 2008 habe die ReGe die Warnung der Architekten missachtet, die angemahnt hatten, damit zu warten, bis alle Planungsunterlagen vorlägen und das Bausoll abschließend definiert sei. Auch Jochen Margedant, Jurist der Kulturbehörde, habe die ReGe vergeblich gewarnt, sagte die Zeugin.

ReGe hat laut früherer Projektleiterin nur begrenzt gesteuert

Ob die Akten zu den Nachtragsverhandlungen manipuliert worden sind, könne sie nicht beurteilen, sagte Kettner. Der Arbeitsstab des Untersuchungsausschusses hatte herausgefunden, dass die Akten, die den Anspruch der Bauunternehmen auf Nachzahlungen belegen sollen, möglicherweise nachträglich ergänzt wurden - nachdem das Parlament Einsicht verlangt hatte.

Da sie mit der Prüfung der Mehrkostenforderungen nicht beauftragt gewesen sei, könne sie nicht sagen, ob die Akten nur kopiert und gesammelt oder auch ergänzt worden seien, sagte die frühere Projektleiterin. "Die Strategie der ReGe war ursprünglich, die Änderungsmeldungen wie ein Verkehrspolizist weiter zu reichen an den Generalplaner", sagte sie. Später sei der ReGe-Mitarbeiter Stefan Kaden mit der Kostenkontrolle beauftragt worden. Ihren Steuerungsauftrag habe die ReGe nur begrenzt wahrgenommen.

Die Gesellschaft habe zudem vom Baubeginn an bis zum Abschluss des Nachtrags 4 nicht genug Personal gehabt, um das Projekt als Bauherr zu steuern. Entsprechende Hinweise habe die Geschäftsleitung jedoch nicht beachtet. "Alle im Projektteam Elbphilharmonie hatten ein Arbeitspensum, das sie nicht bewältigen konnten", sagte sie - ausgenommen die Geschäftsführung. Der damalige Projektkoordinator Hartmut Wegener habe "Mut zur Lücke" propagiert. Seine mangelnde Kooperation habe sie dazu veranlasst, als Projektleiterin auch dann nicht einzugreifen, wenn sie den Entscheidungen Wegeners misstraut habe.

Die Elbphilharmonie ist seit Jahren Streitobjekt zwischen Stadt und Baukonsortium. Anfangs war für die Stadt ein Kostenanteil von 77 Millionen Euro veranschlagt worden. Mittlerweile ist die Belastung für den Steuerzahler auf 323,5 Millionen Euro gestiegen. Nach jüngsten Angaben von Hochtief kann das Konzerthaus nicht vor November 2014 übergeben werden.

 

update (1.6.)

dapd - Beim Bau der prestigeträchtigen Elbphilharmonie stehen die Stadt Hamburg und der Essener Konzern Hochtief vor einer Einigung. So will Hochtief nach siebenmonatigem Baustopp die Arbeiten am Dach des Konzerthauses in der HafenCity wieder aufnehmen. "Wir hoffen, dass unsere konstruktive Lösung beim Saaldach ein positives Klima für eine Einigung bei anderen Themen schafft", sagte Rainer Eichholz, Vorstandsvorsitzender von Hochtief Solutions, am Donnerstag. Die Hansestadt hatte dem Unternehmen wegen der Sicherheit des Dachs ein Ultimatum gestellt, das am Donnerstag ablief.

Die Elbphilharmonie ist seit Jahren Streitobjekt zwischen der Stadt Hamburg und Hochtief. Ursprünglich war für die Stadt ein Kostenanteil von 77 Millionen Euro veranschlagt worden. Auch der Eröffnungstermin wurde seit der Grundsteinlegung im April 2007 stets verschoben. Mittlerweile ist die Belastung für den Steuerzahler auf 323,5 Millionen Euro gestiegen. Aktueller Übergabetermin ist laut Hochtief nicht vor November 2014.

Die Elbphilharmonie Bau KG nimmt für die Stadt die Bauherrenfunktion bei dem Prestigeprojekt wahr. Als Vertragspartner fungiert die Adamanta KG - ein Konsortium aus Hochtief und der Commerz Real AG. Der jahrelange Streit um das Prestigeprojekt hat zudem zu einem juristischen Kräftemessen zwischen der Stadt und Hochtief geführt. Vor dem Landgericht der Hansestadt ging es sowohl um eine Schadenersatz-Klage als auch um das Abwenden der Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 40 Millionen Euro.

Hochtief bereitet Absenkung des Saaldaches vor
Der Baukonzern bereitet nun eigenen Angaben zufolge die Baustelle auf eine Absenkung des Saaldaches vor und entspricht damit dem Wunsch der Stadt. Dazu sollen in Kürze spezielle Pressen an sieben Stellen installiert werden. Bei der eigentlichen Absenkung wird die Konstruktion zunächst angehoben, um sieben Unterfütterungen zu entfernen. Danach werden die Pressen abgelassen, bis die Auflager frei sind. Die Last verteilt sich dann auf die verbliebenen 14 Auflager. Planmäßig soll anschließend weiter Gewicht aufgebracht werden, das sich dann auf alle 21 Auflager verteilt. Die Stadt verweigert bei der Frage der Sicherheit der Dachkonstruktion die Kooperation mit Hochtief, wie der Baukonzern weiter mitteilte.

Unabhängig davon wollen die Stadt und der Konzern den Bau der Elbphilharmonie neu ordnen. Die Gespräche liefen auf Hochtouren, hieß es weiter. Das gemeinsame Ziel bestehe darin, die Zusammenarbeit nachhaltig zu verbessern und Schnittstellen zu finden, "die eine sichere, kostengünstige und qualitativ hochwertige Realisierung ermöglichen", sagte ein Sprecher von Hochtief. "Hochtief leistet einen Beitrag, um die Blockadesituation aufzulösen. Wir brauchen eine umfassende Neuordnung des Projekts, sonst scheitern wir immer wieder an Einzelthemen", sagte Eichholz. Die Hamburger Kulturbehörde hatte ebenfalls eine Stellungnahme für Donnerstag angekündigt.

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