Bayreuth - Ein Ort der Heldenverehrung? Eine Wagner-Puppenstube? Mitnichten. Das erweiterte Richard-Wagner-Museum in Bayreuth schafft den Spagat - und ist Erinnerungsort an einen ebenso großen wie umstrittenen Komponisten, aber auch Raum für kritische Auseinandersetzung.
Nanu? Die große Eröffnung des erweiterten und sanierten Richard-Wagner-Museums in Bayreuth am Sonntag naht - und dann sind einige Möbel und Gemälde im Haus Wahnfried noch immer abgedeckt? Was unfertig aussieht, ist Programm und eine bewusste Entscheidung. Denn das einstige Wohnhaus des Komponisten und Festspielgründers Richard Wagner (1813-1883) ist zwar weiterhin das Herzstück des Museums - soll aber bitteschön kein «historisches Disneyland» sein, wie es Museumsdirektor Sven Friedrich formuliert.
«Wir wollen nicht so tun, als habe es Zeitläufe nicht gegeben.» Also ist Wahnfried keine rekonstruierte Puppenstube, in der man sich Richard Wagner nebst Frau Cosima und den Kindern besonders nahe fühlen soll. Denn das historische Haus Wahnfried gibt es eigentlich nicht mehr. Eine Bombe hat es 1945 in den letzten Kriegstagen zum großen Teil zerstört.
«Wir wollten den Wunsch nach der Erfahrung der Lebenswelt Wagners verbinden mit dem Auftrag historischer Redlichkeit», sagt Friedrich. Deshalb sind nur originale Möbel und Gemälde unverhüllt zu sehen, ansonsten mit Hussen überdeckte Imitate. Die Raumschalen im Erdgeschoss aber sind anhand historischer Fotoaufnahmen rekonstruiert worden. Damit schaffe man eine «Anmutung, aber keine Illusion der Lebenswelt Wagners», betont Friedrich.
Es ist ja sowieso nicht einfach, diesem ebenso bedeutenden wie umstrittenen Komponisten gerecht zu werden. Klar war den Verantwortlichen in Bayreuth: Wird das Museum saniert und erweitert, muss die Ideologiegeschichte ihren Platz haben - also die völkischen Ideen, die in Bayreuth gedeihen konnten, die engen Verbindungen der Familie Wagner zu den Nationalsozialisten. Das Siegfried-Wagner-Haus nebenan soll nun all das museal aufbereiten. Es diente den Wagners im 20. Jahrhundert als Gästehaus - auch Hitler nächtigte hier. Bis zu ihrem Tod 1980 lebte in dem Haus Winifred, Wagners Schwiegertochter, die bis zuletzt eine glühende Hitler-Bewunderin blieb.
Dieses Wissen löst eine gewisse Beklemmung aus, wenn man die Räume betritt, die mit ihrer hölzernen Wandvertäfelung sowieso keinen großen Charme versprühen. Exponate gibt es hier nicht, stattdessen Monitore, die Filmausschnitte zu dem heiklen Thema bieten. Zudem erläutert eine Stimme aus dem Off die dunklen Kapitel der Vergangenheit.
Das ist ein ungewöhnlicher Ansatz - könnte aber funktionieren, wenn sich die Besucher darauf einlassen. Mit 50 000 rechnet die Stadt Bayreuth künftig pro Jahr, Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe spricht von internationaler Strahlkraft, die das Museum nun entfalten soll. 20 Millionen Euro kosteten Sanierung und Erweiterung des Museums, Stadt, Bund und Land hatten sich daran beteiligt. Viel Geld floss in reine Baumaßnahmen, so ist Wahnfried nun klimatisiert und barrierefrei zugänglich. Es gibt moderne Depots und eine gästefreundliche Infrastruktur mit Schließfächern, Toiletten, einem Kinosaal und einem Café in einem Neubau.
Dieses Gebäude ist bewusst schlicht gehalten - ja regelrecht nüchtern. Glasfronten geben den Blick frei auf den Wahnfried-Garten und auf das 1874 fertiggestellte Haus. «Wir wollten kein Statement zu Wagner abgeben, eine Kommentierung muss nicht von der Architektur kommen», sagt der Berliner Architekt Volker Staab. Wer sich im Neubau befinde, sei so etwas wie Zaungast in Wahnfried.
Im Inneren des neuen Gebäudes geht es um die Festspiele: Kostüme der verschiedenen Intendanzen und Epochen sind zu sehen, dazu Bühnenbild-Modelle. Alles sehr schnörkellos. Welch ein Kontrast zu Wagners Pathos-geladener Musik.