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Martin Bayerstorfer
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„Ich habe Netzwerke zu schätzen gelernt“

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Das nmz-Gespräch mit dem neuen Präsidenten des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen, Martin Bayerstorfer
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Martin Bayerstorfer wurde im Oktober 2010 zum Präsidenten des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen e.V. (VBSM) gewählt. In ihm trifft man einen Gesprächspartner, der in der bayerischen Landespolitik ebenso zu Hause ist wie in der Region, in der er seit vielen Jahren mit seiner Familie lebt und arbeitet. Der gelernte Landwirt hat eine überraschende politische Karriere vorzuweisen und tritt den Beweis an, dass Visionen zur musikalischen Bildung in jedem engagierten Kopf entstehen können. Susanne Fließ sprach mit dem neuen Präsidenten.

neue musikzeitung: Herr Bayerstorfer, Ihr erstes politisches Amt haben Sie ja sehr jung angetreten…

Bayerstorfer: In der Tat bin ich schon mit 23 Jahren in die Kommunalpolitik eingestiegen und wurde erster Bürgermeister meiner Heimatgemeinde Hohenpolding. Sicherlich hat dabei der Beliebtheits- und Bekanntheitsgrad meines Großvaters eine nicht unerhebliche Rolle gespielt, nach dem Motto „Wenn der Großvater so lange Bürgermeister war, dann hat vielleicht auch der Enkel das Zeug dazu.“ Für mich war die Wahl trotzdem überraschend, ich gehörte zuvor noch nicht einmal dem Gemeinderat an, weil ich bei der vorigen Wahl erst 17 Jahre alt war. Das neue Amt war allerdings ein rechter Spagat, denn zu der Zeit war ich in der Höheren Landbauschule in Rottal-Münster.

Ich war also unter der Woche Bürgermeister und hatte mit dem Schulleiter die Abmachung getroffen, auch außerhalb der Schulzeit den Stoff nachholen zu können, nur von den Prüfungen konnte er mir keine ersparen. Meine Mitschüler haben für mich mitgeschrieben und überließen mir ihre Aufzeichnungen fürs Wochenende.

Da habe ich dann in Rottal-Münster die Aufgaben für die Schule nachgeholt, und wenn am Montag die Mitschüler in die Schule zurück kamen, habe ich den umgekehrten Weg nach Hohenpolding eingeschlagen, um dort wieder die Amtsgeschäfte als Bürgermeister aufzunehmen.

nmz: Das klingt energieaufwändig, aber auch sehr entschlossen.

Bayerstorfer: Die Bilder, die ich mir als Kind von den Aufgaben meines Großvaters machte, haben meinen Berufsweg sehr geprägt. Er war bis 1972 Bürgermeister und Gemeindesekretär, und seine Kanzlei befand sich bei uns im Wohnhaus. Als besondere Belohnung erlaubte mir Großmutter hin und wieder, den Großvater in der Kanzlei zu besuchen.

nmz: Dort haben Sie auch erlebt, wie Entscheidungen gefällt werden?

Bayerstorfer: Allerdings, und diese Entscheidungen hatten eine unmittelbare Auswirkung: Da kamen die Bürgerinnen und Bürger des Ortes mit einem Anliegen, das sie meinem Großvater vortrugen, und der schuf soweit möglich Abhilfe, gab einen Rat oder füllte ein Rentenformular aus, und der Fall war erledigt. Diese Unmittelbarkeit fehlte mir in meiner Zeit im Bayerischen Landtag mitunter schon, ich war ja zweieinhalb Jahre Abgeordneter. Damals habe ich allerdings Netzwerke zu schätzen gelernt: Mit Bundesministerin Ilse Aigner und mit Markus Söder bin ich bis heute freundschaftlich verbunden, und der gute Kontakt zu ihnen und zu vielen anderen verkürzt die Entscheidungswege auch ein wenig.

nmz: Trotzdem haben Sie sich zunächst für den Beruf des Landwirts entschieden.

Bayerstorfer: Ich habe den Beruf des Landwirts von Grund auf gelernt und wollte eigentlich auch noch ein Studium draufsetzen. Als dann aber eine Entscheidung zu einer betrieblichen Erweiterung unseres Hofes anstand, musste ich relativ schnell in die Praxis einsteigen, und für ein Studium blieb keine Zeit mehr. Den Hof, ein reiner Ackerbaubetrieb, bewirtschafte ich gemeinsam mit den Eltern bis heute. Die Zeit, die ich auf dem Hof verbringe, ist jedoch sehr knapp bemessen, weil mir das Amt des Landrates und meine weiteren politischen Ämter nur wenig Freiraum lassen. Ich bin CSU-Kreisvorsitzender, einer der Stellvertreter des CSU-Bezirksverbands Oberbayern und seit 2002 Landrat von Erding. Da die Politik mich zutiefst interessiert, ist der Beruf des Landwirtes zwangsläufig in den Hintergrund gerückt.

nmz: In der Funktion als Landrat bekleideten Sie das Amt des Vorsitzenden der Kreismusikschule Erding. War das die erste Berührung mit Musik in einer offiziellen Funktion?

Bayerstorfer: Ja, obwohl mir das Thema Musik und Musikausbildung schon in meiner Zeit als Bürgermeister der Gemeinde Hohenpolding am Herzen lag. Ich hielt es für wichtig, dass die Kreismusikschule auch musikalische Früherziehung anbietet und die Eltern keine weiten Wege für die Ausbildung ihrer Kinder auf sich nehmen mussten.

nmz: Haben Sie selbst als Kind und Jugendlicher Unterricht an einer Musikschule erhalten?

Bayerstorfer: Leider nicht, und das tut mir heute sehr leid. Ich habe immer die Mitschüler bewundert, die ein Instrument spielen konnten, aber den letzten Schritt hin zum Unterricht habe ich dann nicht getan. Meine Eltern spielten kein Instrument, insofern spürte ich selbst keinen rechten Impuls dazu. Erst als mein jüngster Bruder zum leidenschaftlichen Hobby-Musiker wurde und in die Musikschule ging, ist auch in mir der Wunsch erwacht. Ich habe gesehen, mit wie viel Spaß er gemeinsam mit anderen musizierte, und mir damals fest vorgenommen, dass ich meinen Kindern ermöglichen werde, ein Instrument zu erlernen. Zwei meiner drei Kinder spielen heute tatsächlich ein Instrument, der dritte ist noch zu klein, ahmt aber seine Geschwister schon nach. Meine Tochter hat zunächst Flöte gelernt und vor drei Jahren mit Saxophon begonnen. Mein Sohn spielt Tenorhorn. Die Kinder erhalten Musikunterricht in der Kreismusikschule Erding und singen auch in einem Kinderchor. Ich stelle übrigens auch fest, wie viel Verbindung untereinander die Musik stiftet. Meine Frau hat über die Musik der Kinder selbst auch wieder zum Singen gefunden und ist heute Mitglied in einem Kirchenchor.

nmz: Als Politiker sahen Sie sicherlich nicht nur freudig lächelnd dem Treiben Ihrer Kinder zu, irgendwann haben Sie vermutlich begonnen, Ideen für die Musikschule zu entwickeln.

Bayerstorfer: Meine inhaltliche Mitwirkung in der und für die Kreismusikschule Erding hat damit begonnen, dass ich bei Gesprächen in der Vorstandschaft und mit dem Musikschuldirektor Reinhard Loechle verschiedene Themen besprechen durfte. Wir erkannten schnell, dass viele Probleme nicht nur die Musikschule Erding betreffen, sondern bayernweit alle Musikschulen. Ein mit allen abgestimmter Plan musste also geschmiedet werden, und dazu bedurfte es der Hilfe des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen. Der Verband war mir bereits positiv aufgefallen, weil ich den damaligen Präsidenten und Landrat von Passau, Hanns Dorfner, menschlich und fachlich sehr schätzte. Er, der inzwischen zum Ehrenpräsidenten des VBSM ernannt worden ist, war für mich sinnbildlich der Vorkämpfer für die Anliegen der Musikschulen.

nmz: Als Präsident aller Musikschulen in Bayern haben Sie es nicht nur mit der vergleichsweise positiven Situation der Musikschulen in Oberbayern zu tun, in manchen Regionen Bayerns ist eine flächendeckende Versorgung mit Musikunterricht nicht gewährleistet ist. Welche Situation finden Sie vor?

Bayerstorfer: Für mich ist ein Satz Hanns Dorfners wegweisend für meine Arbeit geworden. Er forderte „Jedem Kind in Bayern seine Musikschule“, einen Unterrichtsort also, der erreichbar sein muss und dazu mit dem altersgerechten Angebot ausgestattet, damit Musikunterricht Spaß macht und dauerhaft besucht wird. Ich möchte daran weiter arbeiten, habe dazu in der Vorstandschaft, der erweiterten Vorstandschaft, den Beisitzern eine Top-Mannschaft, die alle mit Energie und Sachkompetenz daran mitwirken. Dazu habe ich bereits erste Kontakte in verschiedene Regionen Bayerns geknüpft, einen Brief an alle Landräte in Bayern geschrieben und sie eingeladen, gemeinsam mit mir Regionen zu besuchen, wo Musikschulen bereits erfolgreich diesen Weg beschreiten.

nmz: Wie ist die Reaktion auf diesen Brief?

Bayerstorfer: Nahezu von jedem Landrats-Kollegen habe ich eine Rückmeldung bekommen, allerdings sind die meisten der Meinung, dass die Idee zwar gut sei, aber aufgrund der finanziellen Situation derzeit nicht zu realisieren. Ich gehe aber noch weiter, indem ich auf dem Standpunkt stehe, dass Musikschulen auch einen Bildungsauftrag haben. Das habe ich auch Ministerpräsident Horst Seehofer gegenüber deutlich gemacht, mit dem ich mich Anfang des Jahres getroffen habe. Denn die Musikschulen sind zwar im Wissenschaftsministerium angesiedelt, haben aber beispielsweise bei der musikalischen Früherziehung und dem Thema Kinderbetreuung Berührungspunkte mit dem Sozialministerium. Was ihren Bildungsauftrag betrifft, berühren sie wiederum Themen des Kultusministeriums. Das macht die Sache nicht einfacher, umso mehr, als das Finanzministerium ja auch noch ein Wörtchen mitzureden hat. Die Tätigkeit unseres Verbandes umfasst also drei bis vier Ministerien, so dass auf höchster Ebene Werbung dafür nötig ist, das Thema in allen Ministerien immer wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

Der Ministerpräsident zeigte sich dem Thema gegenüber sehr aufgeschlossen und das Gespräch mit ihm war dahingehend erfolgreich, als es die ursprünglich vorgesehenen Kürzungen im Musikschuletat in Bayern nun nicht gibt; wir sind auf dem Niveau des Vorjahres geblieben.

nmz: Nun trifft Ihr Wunsch mit dem Bildungsauftrag den allgemein bildenden Schulen gleichgestellt zu werden unter anderem auf die Schwierigkeit, dass man Kinder nicht zum Musikschulbesuch verpflichten kann?

Bayerstorfer: Das ist richtig, der Besuch einer Musikschule ist freiwillig und man muss dafür zahlen, deshalb sind wir momentan dabei, zusammen mit Gemeinden, Kirchen, Stiftungen und Kindergärten ein Programm aufzulegen, das die Teilhabe sozial Schwächerer am Musikschulunterricht sichert. Denn ich bleibe dabei, dass man schon bei den Kleinsten anfangen muss, musikalische Erfahrungen zu vermitteln, weil solche Erfahrungen wesentlich für ihre Persönlichkeitsentwicklung sind.

nmz: Welches Anliegen würden Sie sofort umsetzen wollen?

Bayerstorfer: An jedem Kindergarten und jeder Schule sollte ein Musikschulangebot vorhanden sein, damit es flächendeckend in Bayern ein Angebot für jedes Kind gibt. Für diese Vision werde ich mich politisch auf allen Ebenen einsetzen. Ich werde insistieren, die Finanzierung dafür hinzubekommen und auch die finanzielle Unterstützung der Musikschulen auf die im Musikschulplan als langfristiges Ziel festgeschriebenen 25 Prozent zu erhöhen, denn im Moment sind wir bei 11 Prozent. Dafür werbe ich. Auf das Argument „das können wir uns nicht leisten“ antworte ich dann „Bitte nicht vergessen, dass der Ministerpräsident seine Regierungserklärung mit ‚Familie, Bildung, Innovation‘ überschrieben hat, und Musikschulen stehen ganz klar für Bildung.“  ¢

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