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IIm Zweifel für den Urheber

Untertitel
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern vom 22. Mai 2000
Publikationsdatum
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Am 22. Mai 2000 haben fünf auf dem Gebiet des Urheberrechts ausgewiesene Rechtswissenschaftler der Bundesministerin der Justiz, Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, den Entwurf eines Urhebervertragsgesetzes übergeben, den sie auf Anregung der Ministerin erarbeitet haben. Der Entwurf – als Unterstützung dringend notwendiger Gesetzesvorhaben auf dem Gebiet des Urheberrechts gedacht – stellt einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zu angemessenen Vertragsbedingungen im Bereich der Kulturwirtschaft dar. (...)

I. Ausgangspunkte Am 22. Mai 2000 haben fünf auf dem Gebiet des Urheberrechts ausgewiesene Rechtswissenschaftler der Bundesministerin der Justiz, Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, den Entwurf eines Urhebervertragsgesetzes übergeben, den sie auf Anregung der Ministerin erarbeitet haben. Der Entwurf – als Unterstützung dringend notwendiger Gesetzesvorhaben auf dem Gebiet des Urheberrechts gedacht – stellt einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zu angemessenen Vertragsbedingungen im Bereich der Kulturwirtschaft dar. (...) Der Entwurf nimmt als Ausgangspunkt seiner Vorschläge zum einen den verfassungsmäßig durch die Eigentumsgarantie des Artikel 14 des Grundgesetzes verbürgten und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs in ständiger Rechtsprechung bekräftigen Grundsatz, dass dem Urheber tunlichst für jede Nutzung seines Werkes eine Vergütung gebührt, selbst wenn diese keinen Ertrag abwirft. Zum anderen macht er sich die vom Bundesverfassungsgericht formulierte Aufgabe des Zivilrechts zur Richtschnur, für einen Ausgleich gestörter Vertragsparität zu sorgen.

In Wissenschaft, Rechtsprechung und Praxis wird nicht ernsthaft in Frage gestellt, dass Urheber und Interpreten aufgrund vielfältiger Abhängigkeiten künstlerischen Schaffens gegenüber den Verwertern ihrer Werke und Interpretationen, die häufig als mächtige Verlage, Filmproduzenten oder Rundfunkanstalten auf dem Kulturmarkt agieren, als die strukturell schwächeren Vertragsparteien erscheinen. Bei der Vermarktung ihrer Produkte sind sie deshalb meist darauf angewiesen, für sie nachteilige Vertragsbedingungen zu akzeptieren, die ihnen keinen angemessenen Anteil an den aus der Vermarktung ihres Werkes oder ihrer Leistung gezogenen wirtschaftlichen Früchten sichern.

Der nun vorgelegte Gesetzentwurf geht davon aus, dass die Vertragsverhältnisse dort mehr oder weniger im Lot sind, wo Urheber und Verwerter sich auf Tarifverträge verständigt haben. Das ist etwa bei Teilen der Sendeunternehmen, Zeitungs- und Zeitschriftenverlage und Filmproduzenten der Fall, wo bereits seit geraumer Zeit als fest angestellte und freie Mitarbeiter beschäftigte Urheber und Künstler unter den Schutz von Tarifverträgen fallen. Problematisch stellen sich die Verhältnisse dagegen weithin bei freischaffenden Kreativen dar. Soweit sie nicht, wie im Bereich der Tonträgerindustrie und Teilen des Buchverlags, angemessene Stückzahllizenzen erhalten, sind sie häufig unangemessenen Vertragsbedingungen unterworfen, wie sie einem nicht selten etwa bei Übersetzern, Kameraleuten, Szenenbildnern und anderen begegnen.

II. Der Inhalt des Entwurfs

Da sich nach ganz überwiegender Meinung in Politik, Praxis und Wissenschaft die gebotene Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Urheber und ausübenden Künstler nicht allein durch weitere zwingende Vorschriften des allgemeinen Urhebervertragsrechts erreichen lässt, bedarf es der Normierung zusätzlicher Mindeststandards der besonderen Vertragsverhältnisse (Sende-, Verlags-, Verfilmungsvertrag und andere). Gleichwohl verzichtet der Entwurf zunächst darauf, mit gesetzlichen Vorschriften in die besonderen Vertragsverhältnisse lenkend einzugreifen.

Vielmehr verfolgt er – unter Berücksichtigung der Ergebnisse der am 29.2.2000 vom Bundesministerium der Justiz veranstalteten Anhörung der am Urhebervertragsrecht interessierten Kreise – die Strategie, mit minimalem gesetzgeberischem Einsatz zwei grundlegende Normen miteinander zu kombinieren, die in ihrer Verbindung ein Höchstmaß an ausgleichender Wirkung und Handlungsfreiheit der Urheber- wie der Verwerterseite gewährleisten sollen. Die eine ist § 32 (neu), der ausnahmslos und umfassend in allen Verwertungsbereichen dem Grundsatz der angemessenen Vergütung der Urheber und ausübenden Künstler zur Geltung verhilft, die andere § 36 (neu), der nach Vorstellung des Entwurfs die Chance eröffnet, durch Gesamtverträge über Mindestkonditionen in allen besonderen Vertragsverhältnissen (Rundfunk, Fernsehen, Film, Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftenverlag, Fotografie, Design et cetera) auch solchen Kreativen ausgewogene Vertragsbedingungen zu sichern, die nach geltendem Recht wegen fehlender Arbeitnehmereigenschaft oder Arbeitnehmerähnlichkeit nicht in den Genuss tarifvertraglicher Regelungen kommen. § 36 (neu) liegt die Erwartung zugrunde, dass es zukünftig auch dort den Vertragspartnern über ihre Verbände gelingen wird, ausgewogene Vertragsmodelle zu entwickeln, die für ihre Mitglieder bindende Wirkung entfalten und durch Flexibilität, große Sachnähe und hohe Akzeptanz unter den Betroffenen gesetzlichen Regelungen überlegen sind. Erst wenn dieses Modell scheitert, sollten weitergehende Regelungen erwogen werden.

1. Neuregelung des allgemeinen Urhebervertragsrechts

Der Anspruch auf angemessene Vergütung nach § 32 in seiner vorgeschlagenen Fassung ist dogmatisch als gesetzlicher Vergütungsanspruch ausgestaltet, der aufgrund der Werknutzung zur Entstehung gelangt, unabhängig neben den vertraglichen Vergütungsansprüchen besteht und sich der Höhe nach um den Teil verringert, der nach der vertraglichen Vereinbarung bezahlt wird. Der Intention der Vorschrift entsprechend, dem Urheber auch tatsächlich die ihm gebührende angemessene Vergütung zukommen zu lassen, soll er unverzichtbar und im voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abtretbar sein. Was als angemessen zu gelten hat, hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalls ab, wie im einzelnen in den Erläuterungen der Vorschrift dargelegt ist.

Ebenso wie der gesetzliche Anspruch auf angemessene Vergütung bei vertraglichen Nutzungsrechtseinräumungen sollen durch § 29 Abs. 3 (neu) zukünftig generell Vergütungsansprüche für gesetzlich erlaubnisfrei zulässige Nutzungen unverzichtbar und im voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abtretbar sein, um von vornherein auszuschließen, dass sich der Urheber dieser ihm vom Gesetzgeber zugedachten Vergütungen, die kein Werknutzer zur Werkverwertung benötigt, infolge seiner vertraglichen Schwäche begibt.

Ferner übernimmt der Entwurf den wiederholt geäußerten Vorschlag, dem Urheber mit der gesetzlichen Beendigung des Nutzungsvertrages nach 30 Jahren eine zweite Chance der Auswertung seines Werkes zu dann möglicherweise günstigeren Konditionen zu eröffnen.

Die vorgeschlagene Neufassung der Vorschrift über Urheber in Arbeits- und Dienstverhältnissen dient verschiedenen Klarstellungen und der vollständigen Integration des Arbeitnehmerurheberrechts in die Systematik des Urheberrechtsgesetzes. Die §§ 88 bis 93 (neu) beabsichtigen eine Stärkung der Rechtsstellung der Kreativen im Film- und damit im überwiegenden Teil des Multimediabereichs. Vorgesehen ist ferner – einem Bedürfnis der Praxis und der Rechtssicherheit entsprechend – in abschließender Regelung die gesetzliche Festlegung der Rechtsgeschäfte über Urheberpersönlichkeitsrechte (§ 39 neu). Bei Gesamtveräußerungen von Unternehmen soll die Rechtsposition des Urhebers gestärkt werden, indem ihm in Fällen der Unzumutbarkeit der Rechtsausübung durch den Erwerber ein Rückrufsrecht zustehen soll (§ 34 Abs. 3 bis 5 neu). Im übrigen sieht der Entwurf verschiedene Regelungen vor, die dort, wo das geltende Recht Zweifel an der Tragweite und der urheberschützenden Funktion der Norm hat aufkommen lassen, Klarstellungen vornehmen (§§ 31, 33, 35 neu).

2. Kollektives Urhebervertragsrecht zur Sicherung von Mindestbedingungen

§ 36 (neu) betritt als zweite zentrale Regel des Entwurfs juristisches Neuland. Als eine neuartige Vorschrift des kollektiven Urhebervertragsrechts verbindet er Elemente des Tarifvertrags, des zwingenden individuellen Urhebervertragsrechts, des Gesamtvertrages nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes und der Schlichtung nach diesem Gesetz miteinander, um ausgewogenen Vertragsbedingungen auch dort Geltung zu verschaffen, wo Urheber und Künstler bisher aufgrund ihrer geringen Verhandlungsmacht und auf sich gestellt keine befriedigenden Konditionen vereinbaren konnten. Gesamtverträge im Sinne dieser Vorschrift können Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen in Form kollektiv ausgehandelter allgemeiner Geschäftsbedingungen oder verbindlich ausgehandelte Normverträge sein. All diesen Vertragstypen soll zukünftig die bindende Festlegung von urheberrechtlichen Mindestvergütungen und sonstigen Mindestbedingungen gemeinsam sein. Insofern überwindet § 36 (neu) als spezielle Vorschrift gegenüber dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen die kartellrechtlichen Hürden, die nach geltendem Recht gegen Vereinbarungen über Mindestvergütungen zugunsten freischaffender Urheber bestehen. Dabei stellt sich diese Vorschrift für die Werkverwerter als der wirtschaftlich regelmäßig überlegenen Vertragspartei nicht lediglich als Belastung dar. Vielmehr bietet er für Verwerter in weiten Bereichen des Urhebervertragsrechts die Chance, in Gesamtverträgen nach dieser Regel scharf an den beiderseitigen Interessen und Bedürfnissen orientierte Vereinbarungen zu treffen, die im Massengeschäft etwa der Rundfunkanstalten und Zeitungsverleger die vorteilhafte Verwaltungskosten sparende Deckungsgleichkeit der Einzelvereinbarungen herstellen und wegen ihrer weitgehenden Akzeptanz ein hohes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden gewährleisten.

Für die Seite der Kreativen eröffnet der Abschluss von Gesamtverträgen über Mindestbedingungen erstmals die Möglichkeit, nahezu alle Urheber einer Sparte – das heißt auch die freischaffenden Urheber und ausübenden Künstler – in den Genuss dieser Kollektivverträge kommen zu lassen, und so einen weitgehenden Interessenausgleich zwischen Kreativen und Verwertern herbeizuführen. Lediglich diejenigen Urheber und ausübenden Künstler, die nicht organisiert sind, werden gezwungen sein, einzeln den Weg zu den ordentlichen Gerichten zu gehen. (...)

Quelle: http://www.bmj.bund.de/misc/2000/m_35u_20.htm

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