Andreas Mölich-Zebhauser (62), Intendant des Festspielhauses Baden-Baden, hält politische Vorwürfe gegen russische Künstler für «moralische Scheindebatten». «Ich warne davor, Künstler für politische Diskussionen als Stellvertreter zu missbrauchen», sagte er im Interview der Deutschen Presse-Agentur anlässlich des Gastspiels des St. Petersburger Mariinski-Balletts im größten deutschen Opernhaus. Von diesem Sonntag an bis zum 27. Dezember ist die Compagnie mit zeitgenössischem Tanz sowie Klassikern wie «Schwanensee», «Nussknacker» und «Raymonda» zu Gast. Mit dabei ist auch das Mariinski-Orchester.
Interview: Susanne Kupke, dpa
Frage: Findet das Ballettprogramm trotz Russland-Sanktionen wie gewohnt im Festspielhaus statt?
Antwort: Ich sehe keine Unterschiede zu den 15 vorangegangenen Jahren. Und das ist auch gut so. Wir sollten Kunst und Politik nicht vermischen. Kunst ist und bleibt völkerverbindend - nicht trennend.
Frage: Kommen so viele russische Künstler wie sonst?
Antwort: Es sind noch ein paar mehr. Da wir erstmals «Raymonda» zeigen - natürlich mit Live-Orchester und großem Bühnenbild - ist der Aufwand 2014 besonders hoch. Fast 100 Tänzerinnen und Tänzer, 70 Musiker und etwa 50 Helfer hinter der Bühne.
Frage: Haben Stars wegen der Krise abgesagt?
Antwort: Nein, niemand. Mir ist das auch ganz wichtig, dass wir in Gesprächen bleiben und dass wir uns weiter in die Augen sehen.
Frage: Wurden den Künstlern bei der Ausreise aus Russland oder Einreise nach Deutschland Steine in den Weg gelegt?
Antwort: Nein. Ausreise und Zoll liefen ganz normal, alle Trucks mit den Bühnenbildern sind pünktlich bei uns eingetroffen. Aber natürlich stöhnt der eine oder andere Gast über den Rubel-Kurs.
Frage: Was für Auswirkungen hat die Ukraine-Krise generell auf das Festspielhaus?
Antwort: Bislang hat die Krise keine Auswirkungen. Der Anteil russischer Gäste am Gesamtpublikum war trotz anderslautender Vorurteile gegenüber Baden-Baden bei uns im Festspielhaus nie sehr hoch. Daher spüren wir auch keine Auswirkungen auf den Ticket-Verkauf. Im Gegenteil: In diesem Jahr ist das Mariinski-Ballett in Baden-Baden so gut verkauft wie selten. Also leidet auch nicht das Interesse beim deutschen Publikum.
Frage: Der St. Petersburger Stardirigent Waleri Gergijew ist wegen seiner Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin und diskriminierenden Äußerungen gegenüber Homosexuellen heftig umstritten - ist er in Baden-Baden noch willkommen?
Antwort: Er ist weiterhin herzlich willkommen und ich freue mich auf die Sommerfestspiele mit ihm. Ich beteilige mich nicht an moralischen Scheindebatten. Außerdem warne ich davor, Künstler für politische Diskussionen als Stellvertreter zu missbrauchen. Möchten wir denn, dass unsere Künstler im Ausland politische Pressekonferenzen geben? Hier würde ich einmal darüber nachdenken, wer in welcher Rolle spielt, bevor Urteile über Menschen aus der Hüfte geschossen werden.
ZUR PERSON: Andreas Mölich-Zebhauser steht seit 16 Jahren an der Spitze des größten deutschen Opernhauses. Das privat betriebene Haus stand kurz nach der Eröffnung 1998 vor dem Aus. Erst unter seiner Regie kam die 2500-Plätze-Einrichtung in ruhiges Fahrwasser. Mölich-Zebhauser wurde am 30. Juni 1952 in Hamburg geboren. Er studierte Deutsch und Geschichte, außerdem BWL, Jura, Musik- und Kunstwissenschaft. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.