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Jahrestagung des Bühnenvereins: Welterbe-Status für Theater [update, 26.5.]

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Kiel - Der Deutsche Bühnenverein will die durch Sparmaßnahmen gefährdete deutsche Theaterlandschaft von der Unesco als Weltkulturerbe einstufen lassen. Einem entsprechenden Vorschlag gab die Vollversammlung des Bühnenvereins am Sonnabend grünes Licht.

 

[update, 26.5.]

Die Initiative habe eine breite Mehrheit bei der Jahrestagung in Kiel gefunden, teilte Bühnenvereinspräsident Klaus Zehelein am Samstag zum Abschluss des zweitägigen Treffens mit.  Jetzt sei das Präsidium des Bühnenvereins ermächtigt, die Initiative förmlich zu beschließen. Notwendig sind zwei unabhängige Expertisen. Dann soll über das Land Nordrhein-Westfalen – der Bühnenverein hat seinen Sitz in Köln -  der Antrag zunächst in die nationale Unesco-Kommission eingereicht werden. Bis zum 30. November sei in diesem Jahr dafür Zeit.

Zehelein betonte, mit dem Welterbe-Status solle nicht ein konkreter Bestandsschutz für einzelne Theater erreicht werden. Vielmehr gehe es darum, die in der Welt einzigartige deutsche Theaterlandschaft in ihrer Vielfalt - der öffentlichen und der privaten Theater einschließlich der freien Gruppen - zu erhalten. Ihm gehe es darum, zunächst einmal die sich seit etwa 15 Jahren zunehmend verschlechternde Situation der Theater und Orchester zu fokussieren - auch wenn dadurch noch kein Cent mehr Geld fließe.

In der in Kiel verabschiedeten Resolution «Arbeitsbedingungen für darstellende Künstler verbessern» beschreibt der Bühnenverein die negative Entwicklung. Durch Sparmaßnahmen sind seit den 1990er Jahren über 6000 feste Stellen weggefallen, von 45 000 sind 39 000 noch geblieben. Die Zahl kurzfristiger Verträge habe sich in den vergangenen 20 Jahren von 8000 auf über 22 000 fast verdreifacht. Zahlreiche darstellende Künstler erhielten nur die tarifliche Mindestgage von 1600 Euro brutto. Das gelte oft auch für Regieassistenten, Theaterpädagogen und oder Dramaturgen. Die Rationalisierungseffekte betrügen 350 Millionen Euro im Jahr – vor allem zu Lasten der Mitarbeiter.

Besonders angespannt sei die Situation in vielen Privattheatern und der freien Szene. «Hier waren die öffentlichen Zuschüsse schon immer eher gering, wurden aber teilweise in den letzten Jahren noch weiter reduziert».

Der Bühnenverein fordert in der Resolution eine Finanzausstattung der Theater, die es ihnen erlaubt, ihren Künstlern angemessene Arbeitsbedingungen und eine ausreichende Bezahlung anzubieten. Weitere Kürzungen der öffentlichen Zuschüsse für die Theater dürfe es nicht geben. Die durch mangelnde öffentliche Zuschüsse herbeigeführte Verdrängung von Künstlern in unzureichende Beschäftigungsverhältnisse müsse beendet werden. Und es sollten gesetzliche Regelungen her, die auch bei kurzzeitiger Beschäftigung Künstlern eine ausreichende Arbeitslosenversicherung sicherstellen.

Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) meinte, der angestrebte Weltkulturerbe-Status wäre kaum mehr als «musikalische Sonntagsmusik». Die Zukunft der Theater würde eher gesichert, wenn sie ihre soziale und gesellschaftliche Bedeutung deutlich machten, sagte Kisseler bei einer Podiumsdiskussion zum Abschluss der Jahrestagung. Die Diskussion stand unter dem Thema «Theater zwischen kulturellem Anspruch und praktischer Sozialarbeit».

Eine Zukunftsperspektive mit wachsender Bedeutung sehen viele Theater in Sozialarbeit. Schulen und Sozialeinrichtungen können als Sozialisationsinstanzen ihre Aufgabe nicht mehr schaffen. Simon Rattle hat mit den Berliner Philharmonikern schon 2003 gezeigt, wie erfolgreich Kulturarbeit mit Jugendlichen sein kann – die preisgekrönte Doku «Rhythm Is It!» zeugt davon.

Das Bundeswissenschaftsministerium hat das auf fünf Jahre angelegte Programm «Kultur macht stark» gestartet - Volumen insgesamt 230 Millionen Euro für Kulturprojekte mit Jugendlichen. Der Bühnenverein findet dies eigentlich sehr gut. Was aber Zehelein und andere ärgert: Mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann oder Kultur- und Schulpolitikern wurde gar nicht darüber gesprochen.

Die Zusammenarbeit mit der Schulbürokratie ist, wenn man Zehelein oder der früheren Berliner Kultursenatorin Adrienne Goehler zuhört, aus Sicht der Theater inakzeptabel. Unter dem Label Ganztagsschule werde vormittags Unterricht und nachmittags Betreuung der Kinder verstanden. «Ein bisschen malen, tanzen oder spielen mit den Kindern für 13,50 die Stunde wie in Baden-Württemberg - das wollen wir für die Künstler nicht», sagte Zehelein.

«Theater ist praktische Sozialarbeit», löste der Intendant der Berliner Festspiele, Thomas Oberender das vermeintliche Spannungsverhältnis auf. Er meinte damit, dass Theater zur Identitätsfindung und Selbstvergewisserung beitragen. Ob die institutionellen Formen der Theater Zukunft haben, scheint ungewiss. Oberender verwies darauf, dass viele Theater heute öffentliche Mittel nur noch für die Deckung der Betriebskosten erhalten, aber für inhaltliche Projektarbeit stets Drittmittel einwerben müssen.
 

 

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