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Die Projektleiterin der Bayerischen Landeskoordinierungsstelle Musik, Birgit Huber, führte durch das Programm der Tagung. Foto: Louisa Knobloch, MZ
Die Projektleiterin der Bayerischen Landeskoordinierungsstelle Musik, Birgit Huber, führte durch das Programm der Tagung. Foto: Louisa Knobloch, MZ
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„Kooperation auf Augenhöhe“

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Fortbildungstag „Musik im Ganztag“ an der Universität Regensburg und der Clermont-Ferrand-Mittelschule
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Rund 100 Lehrerinnen und Lehrer aus ganz Bayern und bunt gemischt aus allen Schularten nahmen am Fortbildungstag „Musik im Ganztag“ in Regensburg teil. Bei der zweigeteilten Tagung verschufen sich zunächst die Schülerinnen und Schüler der Klasse 8b der Clermont-Ferrand-Mittelschule deutlich Gehör. Der Auftritt der Percussiongruppe der gebundenen Ganztagsschule mit dem Schwerpunkt Musik leitete mit dumpfen Bass-Rhythmen die im Vielberth-Gebäude der Universität Regensburg stattfindende Tagung ein. Das Nachmittagsprogramm fand im Rahmen von unterschiedlichen Workshops an der Mittelschule selbst statt, während dort der normale schulische Ganztagsbetrieb weiterlief, um den Teilnehmer/-innen ein erfolgreiches Praxisbeispiel zu bieten.

Probleme im Ganztagsunterricht aufzuzeigen und gemeinsam Möglichkeiten und Wege der Problemlösung zu finden waren die Grundgedanken der Tagung. Laut Birgit Huber, Leiterin der Bayerischen Landeskoordinierungsstelle Musik (BLKM), solle jedes Kind die Möglichkeit haben zu musizieren. Dass dies in der Realität des Ganztags noch nicht überall der Fall ist, soll nicht paralysieren, sondern dazu ermutigen gemeinsam Lösungswege zu finden. Deshalb bot die Tagung an vielen Stellen die Möglichkeit zur offenen Kommunikation der einzelnen Teilnehmer/-innen untereinander, um voneinander zu lernen und sich auszutauschen.

Ganztag in Bayern

So waren auch Institutionen und Organisationen vertreten, die in einem kleinen Messegeschehen Kooperationsmöglichkeiten anboten und Ideenreichtum bewiesen: der Bayerische Tonkünstlerverband, der Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen, das Projekt klasse.im.puls, das fächerübergreifende Denkmalprojekt „Der Stein beginnt zu reden“ des Kaiser-Heinrich-Gymnasiums Bamberg, die Landesarbeitsgemeinschaften Musik und die Stiftung Musik für Schüler.

Eine Erhebung des Ministeriums zu Musikangeboten im Ganztag im Schuljahr 2014/15 zeigte, dass viele Schulen schon eine große Vielfalt an Angeboten und Musikprojekten haben, andere jedoch gar nicht. Dieses steile Gefälle in der Entwicklung liegt vor allem an den unterschiedlichen Mitteln zur Finanzierung, etwa durch Sponsoren, die den Schulen unterschiedlich stark zur Verfügung stehen. Der Rektor der Clermont-Ferrand-Mittelschule, Manfred Lehner, stellte nachmittags die Montag-AG’s seiner Schule vor. Die Schülerinnen und Schüler können dort aus einem umfangreichen Angebot von Schulband über HipHop-Tanz bis hin zu Radio und Film AG’s auswählen, die sie dann zwei Stunden lang am Montagnachmittag besuchen, darüber hinaus wird noch kostenloser Instrumentalunterricht für Gitarre, E-Gitarre, Klavier und Schlagzeug angeboten. Den Tagungsteilnehmern war die Möglichkeit gegeben in die unterschiedlichen AG’s hineinzuschnuppern, um einen eigenen Eindruck der Vorgänge zu bekommen. Dieses vorzeigbare Angebot lässt sich natürlich nicht auf Anhieb in jeder Schule verwirklichen. Manfred Lehner bot den Teilnehmer/-innen im Anschluss an, im persönlichen Gespräch weitere Tipps zur Finanzierung zugeschnitten auf die jeweiligen Schularten mit ihren unterschiedlichen Problemen zu geben.

Eine funktionierende Praxis kennenzulernen soll für die Teilnehmer/-innen der Tagung Ansporn und Impuls sein die Defizite, die in ihren Schulen eventuell noch vorherrschen, zu erkennnen, um dann die Ideen, die sich im Gespräch oder im Workshop entwickelt haben, weiter zu verfolgen.

Prof. Dr. Lehmann-Wermser, Direktor am Zentrum für Lehrerbildung an der Universität Bremen, plädierte für das Engagement jedes Einzelnen, um den Ganztag als Möglichkeit „zur Verbesserung der kulturellen Bildung“ wahrzunehmen. Für Kinder und Jugendliche heißt kulturelle Bildung oft aber nicht nur Hochkultur, das dürfe niemand vergessen und die Hinwendung zu den Kindern und Jugendlichen solle beim Ganztag an erster Stelle stehen. Am wichtigsten für ein gelungenes Ganztagsprogramm sei eine „Kooperation auf Augenhöhe“ von Lehrkräften mit den Kooperationspartnern, das betonten sowohl Birgit Huber als auch Lehmann-Wermser. Ohne eine ausreichende und regelmäßige Informationsübergabe von organisatorischen Banalitäten genauso wie über pädagogische Probleme die Schülerinnen und Schüler betreffend, sei der Ganztagsalltag nicht zu bewältigen und die Leidtragenden wären in dem Fall die Kinder und Jugendlichen.

Musik im Ganztag kann viele Gesichter haben. Jede Schulform, ob mit geschlossenem oder offenem System, hat ganz eigene, unterschiedliche Probleme, die sich nicht mit einem Rezept lösen lassen, das betonte auch Ministerialrat Michael Weidenhiller. Deshalb ist es nur gut, dass es diese Fülle an unterschiedlichen Modellen gibt, Musik im Ganztag unterzubringen. Viele Wege stehen offen und es erfordert das Einlassen der Schulen auf eventuelle Experimente. Jede Schule muss vieles durchprobieren, um zu erfahren, was funktioniert und was nicht, das ist der ernüchternde, aber doch einleuchtende Tenor der Tagung.

Bestandsaufnahme

Bayern liegt mit der Durchführung des Ganztagsschulsystems im Vergleich mit den anderen Bundesländern immer noch im Mittelfeld. Während der Anteil der Ganztagsschulen im Schuljahr 2011/12 im Saarland und in Sachsen über 90 Prozent, in Berlin über 85 Prozent und in Thüringen bei über 75 Prozent liegt, sind es in Bayern laut der Erhebung der Bertelsmann Stiftung nur 46,1 Prozent. Viele Schulen stehen noch ganz am Anfang mit dem Aufbau ihres Ganztagsprogramms. Deshalb ist eine Tagung wie diese, bei der Schulleiter, die schon länger Erfahrung mit Ganztagsunterricht haben und so den weniger Erfahrenen mit Rat und Information zur Verfügung stehen, ein guter Anfang, damit die gleichen Fehler nicht wiederholt werden und „jedes Kind seine Heimat in der Musik finden kann“, wie Birgit Huber es ausdrückte. Die Tagung bot eine Bestandsaufnahme der Ganztagssituation in Deutschland, insbesondere in Bayern. Für die teilnehmenden Lehrkräfte stellte sie im besten Fall einen Impuls dar, couragiert neue Wege zu gehen und für einen gelungenen Ganztag zu kämpfen.

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