Im Mai hat die Europäische Kommission eine „Mitteilung über eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung“ veröffentlicht. Die Mitteilung wendet sich an das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen mit der Bitte um Stellungnahme. Schon im Vorfeld der Mitteilung wurde auf die wichtige Rolle der Zivilgesellschaft hingewiesen – der Europäische Musikrat beteiligte sich am Konsultationsverfahren und bezieht Stellung zu der veröffentlichten Mitteilung: Im Titel vermeidet die Mitteilung den Begriff der Kulturpolitik, doch genau das ist ihr zentrales Thema: Wie kann und soll eine europäische Kulturpolitik aussehen?
Mit den Verträgen von Amsterdam wurde in Artikel 151 Kultur als Tätigkeitsfeld der Europäischen Union festgelegt: „Die Gemeinschaft trägt bei ihrer Tätigkeit (…) den kulturellen Aspekten Rechnung, insbesondere zur Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen.“
Mittlerweile hat die EU-Kommission ein eigenes Kulturförderprogramm und in Kommissionspräsident Barroso einen Fürsprecher für Kunst und Kultur. Die Mitteilung der Kommission über eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung ist daher die folgerichtige Weiterführung der Auseinandersetzung mit Kultur und deren Bedeutung für den europäischen Integrationsprozess.
Auch wenn die Mitteilung in einigen Punkten vage bleibt – zum Beispiel bei der weiteren Finanzierung der EU-Kulturprogramme, deren Ausstattung sehr unzureichend ist – begrüßt der Europäische Musikrat die Initiative der Kommission, um so Kultur im Sinne eines „culture mainstreamings“ stärker in den politischen Prozess der EU einzubinden.
Die drei Zielbereiche, die eine europäische Kulturagenda enthalten soll, sind die Förderung der kulturellen Vielfalt und des interkulturellen Dialogs, die Förderung der Kultur als Katalysator für Kreativität im Rahmen der Strategie von Lissabon für Wachstum und Beschäftigung und die Förderung der Kultur als wesentlicher Bestandteil der internationalen Beziehungen der Union. Der Kultur wird also ein hoher Stellenwert im gesamten politischen Geschehen innerhalb und außerhalb der EU eingeräumt; künftige EU-Maßnahmen sollen sich, unter voller Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips, an diesen Zielen ausrichten. Die Antwort allerdings, wie diese Maßnahmen finanziert und gestaltet werden sollen, bleibt die Mitteilung schuldig.
Neue Partnerschaften
Besonders begrüßenswert ist, dass neue Partnerschaften und neue Kommunikationsformen angestrebt werden. Zu den Partnern, den so genannten „Stakeholdern“, gehören die EU-Kommission, die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament und die Zivilgesellschaft. Im Mittelpunkt dieser neuen Partnerschaften steht der Ausbau des Dialogs mit dem Kultursektor. Als Form der Kommunikation strebt die Kommission die „offene Koordinierungsmethode“ an, die eine gemeinsame Richtung vorgibt und sich für solche Bereiche eignet, in denen die Zuständigkeiten vor allem auf der Ebene der Mitgliedstaaten verbleiben.
Die Mitteilung bezieht sich ausdrücklich auf das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, das im März 2007 in Kraft getreten ist. Die EU hat zum ersten Mal in ihrer Geschichte als eigenständige Partei diese Konvention unterzeichnet und sich damit verpflichtet, die Inhalte der Konvention in konkrete Handlungen umzusetzen. Die Zielbereiche der europäischen Kulturagenda, wie zum Beispiel die Förderung der kulturellen Vielfalt und des kulturellen Dialogs, stehen dabei in Einklang mit der UNESCO-Konvention. Dazu gehört auch die Unterstützung kultureller Aktivitäten in AKP-Ländern (Afrika, Karibik, Pazifik), die die Einrichtung eines EU-AKP-Kulturfonds vorsieht. Allerdings zeigt die Mitteilung klar die Ambivalenz der EU auf: einerseits wird von dem erfolgreichen sozialen und kulturellen Projekt Europa gesprochen, das eine „sanfte Macht“ sei, die sich für Menschenwürde, Solidarität, Toleranz, Meinungsfreiheit, Respekt der Vielfalt und Dialog zwischen den Kulturen einsetze. Andererseits heißt es im Zweck der Mitteilung, dass die Kultur unverzichtbar sei, damit die EU ihre strategischen Ziele Wohlstand, Solidarität und Sicherheit erreichen und gleichzeitig ihre Präsenz auf der internationalen Bühne ausbauen könne. Bei einer Instrumentalisierung von Kultur sollte jedoch nie vergessen werden, dass Kultur einen Wert an sich bildet und keinem Legitimationszwang unterliegen sollte. Auch ob Staaten, denen der Zutritt zum EU-Markt aufgrund von Handelsbeschränkungen verwehrt ist, die EU als „sanfte Macht“ wahrnehmen bleibt fraglich.
Keine Sonntagsreden
Dennoch zeigen gerade diese Widersprüche, wie wichtig eine europäische Kulturagenda im Sinne eines „culture mainstreamings“ ist: Kultur sollte nicht immer nur die „weiße Weste“ der EU sein, die sich nach Außen gegenüber Drittländern als das gute Gewissen präsentiert. Vielmehr sollte Kultur in allen Politikbereichen der EU berücksichtigt werden, um dem Ideal einer „sanften Macht“ wirklich gerecht zu werden. Es bleibt zu hoffen, dass die europäische Kulturagenda in konkrete Handlungen umgesetzt wird – so entgeht sie auch der Gefahr einer bloßen Sonntagsrede.
emc-imc.org sowie
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