Berlin - Kultursponsoring ist für viele Veranstalter eine wichtige finanzielle Säule. Nun fürchten manche, dass sich Sponsoren zunehmend zurückziehen. Der Grund: komplizierte Anti-Korruptionsregeln bei den Unternehmen. Doch wie berechtigt ist die Sorge?
Die Berlinale, das Heavy-Metall-Festival Wacken Open Air in Schleswig-Holstein, das Rheingau Musik Festival zwischen Wiesbaden und Lorch - drei Riesen-Events, die drei Dinge verbindet: Es gibt sie schon sehr lange. Sie locken jedes Jahr Zehntausende Besucher an. Und: Sie hätten ohne Sponsorengelder aus der freien Wirtschaft wohl erhebliche Schwierigkeiten zu bestehen.
Das sogenannte Kultursponsoring ist bei größeren Firmen gängige Praxis. Es gibt ihnen die Möglichkeit, sich gesellschaftlich einzubringen - und dabei ihre Geschäftspartner auf den Veranstaltungen zu treffen. Doch die sagen den Sponsoren immer häufiger ab: Um sich nicht dem Vorwurf der Korruption auszusetzen, geben sich die Unternehmen strenge Regeln, sogenannte Compliance-Vorgaben. Zu strenge, sagen manche.
Immer mehr Firmen zögen sich aus dem Sponsoring-Bereich deshalb zurück, sagt Michael Herrmann, Intendant und Geschäftsführer des Rheingau Musik Festivals. «Das hören wir immer wieder. Wir brauchen aber das Geld, denn von der öffentlichen Hand bekommen wir kaum etwas.» Etwas mehr als die Hälfte des 8,2 Millionen Euro teuren Festivals würde durch Sponsorengelder von Unternehmen finanziert. Die Eintrittskarten decken die andere Hälfte.
Das Kultursponsoring beruht auf dem Prinzip Leistung-Gegenleistung. Die Unternehmen geben Geld und bekommen dafür offiziell etwas zurück. Zum einen prangen Name und Firmenlogo an prominenter Stelle auf Eintrittskarten, Plakaten und Bühnen. In der Regel erhalten sie zudem ein Ticket-Kontingent für die jeweilige Veranstaltung. Diese geben die Sponsoren dann an die eigenen Firmenkunden und Geschäftspartner weiter. So können sie vor Ort Kontakte pflegen und neue knüpfen.
Genau an dieser Stelle hakt es. «Viele Geschäftspartner schlagen die Einladungen aufgrund ihrer internen Compliance-Vorgaben aus», sagt Fach-Rechtsanwalt Tobias Teicke. Unter anderem wegen der unsicheren Rechtslage wüssten viele Firmen nicht, ob und bis zu welcher Preisklasse sie die Tickets überhaupt annehmen dürften. «Da ist es dann aus Sicht mancher Unternehmen der einfachste Weg zu sagen, wir lassen es ganz bleiben, um überhaupt kein Risiko einzugehen.»
Die Unternehmen hätten mit eigenen Compliance-Abteilungen stark aufgerüstet und seien bei dem Thema sehr sensibel geworden, sagt Teicke. «Im Sinne der Antikorruption ist das natürlich auch sehr gut.» Doch viele Unternehmen schössen über das Ziel inzwischen hinaus. «Sie entwerfen Richtlinien, die die Abläufe erheblich verkomplizieren.» Wenn die Geschäftspartner dann absagen, falle für die Sponsoren ein wichtiger Grund für ihr Engagement weg, sagen Beteiligte wie Rheingau-Festival-Chef Michael Herrmann.
Herrmann hat deshalb ein Modell entwickelt, das Unternehmen, denen von Sponsoren Tickets angeboten werden, als Orientierung dienen soll. Darin stehen unter anderem Schwellenwerte, bis zu denen die Geschäftspartner Tickets annehmen könnten. «Das Berliner Compliance Modell hat die Kriterien vereinfacht und transparent gemacht», sagt Rechtsanwalt Teicke. «Es bietet aber lediglich Orientierungswerte. Es bleiben Restrisiken.»
Umstritten ist, wie berechtigt die Sorge der Kulturveranstalter ist. «Diese generalisierende Klage, dass die Notwendigkeit zur Einhaltung von Compliance-Regeln zu weniger Sponsoring führt, ist nicht so eindeutig zu belegen», sagt Franziska Nentwig, Geschäftsführerin des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie. Viele Unternehmen hätten längst rechtskonforme Regelwerke erarbeitet und verfolgten ihre eigene Methodik bei diesem Thema. Konkrete Zahlen, die belegen würden, dass das Kultursponsoring rückläufig ist, gibt es nicht.
Kulturförderung ist in Deutschland hauptsächlich die Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. Zusammen gaben sie laut den aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamts im Jahr 2013 rund zehn Milliarden Euro dafür aus. «Das sind geschätzt etwa 90 Prozent aller für Kultur in Deutschland eingesetzten Mittel», sagt Nentwig. Die übrigen zehn Prozent stammen demnach unter anderem aus der Wirtschaft - in Form von Kultursponsoring, aber auch über Spenden und von Mäzenen, die für ihr Engagement keine Gegenleistung erwarten.
Vor allem große Veranstalter bleiben auf Sponsoren angewiesen. Das gilt auch für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Doch die Erfahrung, dass Sponsoren aufgrund der Compliance-Problematik absagen, habe die Stiftung - zumindest bislang - noch nicht gemacht.