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Kultur in vielen Ländern Kombi-Ressort

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Berlin - Berlin bekommt erstmals seit zehn Jahren wieder ein eigenständiges Kulturressort. Bisher lag die Verantwortung beim Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD). Nach dem neuen rot-rot-grünen Koalitionsvertrag soll Linken-Landeschef Klaus Lederer (42) das Ressort übernehmen, zusammen mit der Verantwortung für die Europapolitik. Wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab, führen viele Länder die Kultur als Kombi-Ressort. Besonders häufig ist die Verbindung mit Wissenschaft. Ein Überblick:

SCHLESWIG-HOLSTEIN: Im Norden ist die Kultur im Ressortzuschnitt immer mal wieder auf Wanderschaft. Derzeit verantwortet Anke Spoorendonk vom dänisch orientierten SSW (Südschleswigscher Wählerverband) den Bereich. Sie ist Ministerin für Justiz, Kultur und Europa. Zuvor gehörte die Kultur zum Bildungsministerium. 2005 bis 2009 war sie der Staatskanzlei zugeordnet. Sie sollte dort unter dem damaligen Regierungschef Peter Harry Carstensen (CDU) Chefsache sein, aber das funktionierte nicht recht. Die seit 2012 amtierende Spoorendonk, sie ist auch Vize-Ministerpräsidentin, hat den jahrelang brach liegenden Dialog mit den Kulturvertretern wieder in Gang gebracht; die Stimmung in der Szene hat sich so spürbar verbessert. Der Kulturetat des Landes wuchs seit 2013 um 20 Prozent. Ob der Zuschnitt nach der Wahl im Mai 2017 so bleibt, ist offen.

In MECKLENBURG-VORPOMMERN gibt es ein Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, das seit wenigen Wochen von der früheren Sozialministerin Birgit Hesse (SPD) geleitet wird. Nach der Landtagswahl vom September bekam das Ministerium auch noch das große Thema Sport. Dafür wurde die Zuständigkeit für drei landeseigene Museen und für die Staatliche Kunstsammlung Schwerin an das Finanzministerium abgegeben. Das wird in den Museen kritisch gesehen. Die Kulturförderung ist ein wichtiges Politikfeld im Land, über das leidenschaftlich gestritten wird und das unter Spardiktat steht. Prominentes Beispiel ist die Theaterreform, an der die Bühnen seit Jahren mit dem Ziel künftiger Kostenersparnis leiden.

Die HAMBURGER Kulturbehörde stand seit 1945 mehrfach auf der Kippe, aber auf einen Senator wurde in der Hansestadt letztlich nie verzichtet. Zu den profilierten Kulturpolitikern zählten Helga Schuchardt, Ingo von Münch (FDP) und Christina Weiss (parteilos). Unter Bürgermeister Ole von Beust (CDU) blieb das Kulturressort zunächst unbesetzt, bis die Kolumnistin der «Bild»-Zeitung, Dana Horáková, das Amt übernahm. Auf Karin von Welck (parteilos) folgte kurzfristig Reinhard Stuth, bevor die anerkannte Kulturpolitikerin Barbara Kisseler (parteilos) 2011 das Amt übernahm. Obwohl die Kulturbehörde über keinen großen Etat verfügt (258 Mio. Euro), kann sie trotzdem wichtige kulturpolitische Zeichen setzen - nicht zuletzt den Bau der Elbphilharmonie. Seit dem Tod von Barbara Kisseler am 7. Oktober 2016 ist das Amt der Kultursenatorin vakant.

In NIEDERSACHSEN gibt es ein Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Ministerin ist seit 2013 die Grünen-Politikerin Gabriele Heinen-Kljajic, die eher unauffällig agiert. Im Koalitionsvertrag der rot-grünen Landesregierung kommt Kultur nur auf 1,5 von 90 Seiten vor. Die Ministerin konzentriert sich vor allem auf Wissenschaftsthemen, im Kulturbereich liegen ihr die Soziokultur und kulturelle Teilhabe am Herzen.

In BREMEN hat Regierungschef Carsten Sieling (SPD) zugleich das Amt des Kultursenators. Die Arbeit wird in der Hauptsache von der Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz geleistet, die das Amt seit 2007 inne hat und sich in der Bremer Kulturszene bestens auskennt. Auch Sielings Vorgänger als Präsident des Senats, Jens Böhrnsen (SPD), war zugleich Kultursenator. Zuletzt war in Bremen die Grüne Helga Trüpel von 1991 bis 1995 reine Kultursenatorin. In Zeiten der großen Koalition an der Weser von 1995 bis 2007 unter Regierungschef Henning Scherf (SPD) gehörte das Kulturressort mal zu Inneres, mal zu Wirtschaft, mal zu Bildung.

In BRANDENBURG gibt es ein eigenes Ressort für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Ministerin ist Martina Münch (SPD). Ihre Vorgängerin Sabine Kunst (SPD) ist mittlerweile Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität. Münch war zuvor Bildungsministerin. Damals gab es Unzufriedenheit mit ihrer Arbeit (Fehlstunden, zu wenige Lehrer, Proteste). Bei der Kabinettsbildung nach der Landtagswahl 2014 wurde sie nicht berücksichtigt. Erst mit dem Wechsel von Kunst nach Berlin und der erforderlichen Neubesetzung bekam sie eine zweite Chance.

In SACHSEN verantwortet das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst die Kulturpolitik. Ministerin Eva-Maria Stange (SPD), die früher auch viele Jahre die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft auf Bundesebene führte, wird parteiübergreifend für ihre sachliche Art geschätzt. Auch von den Hochschulrektoren und den Direktoren der Kultureinrichtung bekommt fast nur Gutes über die Ministerin zu hören. Den beiden Bereichen ihres Ressorts widmet sie sich im gleichen Umfang, heimliche Steckenpferde pflegt sie nicht. Im Doppelhaushalt für die beiden kommenden Jahre steigen die sächsischen Kulturausgaben von derzeit 200,7 Millionen Euro auf 213,3 Millionen (2017) und 216,1 Millionen Euro (2018). Der Freistaat selbst stellt sich immer wieder als Land der Kultur dar und versucht auch damit, dass durch Pegida und Ausländerhetze angekratzte Image aufzupolieren.

In SACHSEN-ANHALT ist die Zuständigkeit für die Kulturpolitik nach der Landtagswahl im März in die Staatskanzlei und das dort neu gebildete Ministerium für Kultur gewechselt. Der Chef der Staatskanzlei, Rainer Robra, wurde damit zusätzlich Kulturminister. An seiner Seite gibt es einen neuen Staatssekretär. Bis zur Landtagswahl war die Kulturpolitik im Kultusministerium angesiedelt, es wurde zum Bildungsministerium. Der neue Kulturminister Robra ist mit kulturpolitischen Initiativen bislang kaum in Erscheinung getreten.

THÜRINGENS Kulturministerium hat mit der Wahl der rot-rot-grünen Landesregierung seine Eigenständigkeit verloren und ist in die Staatskanzlei gewandert. Staatskanzleiminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) ist auch Kulturminister und hat demzufolge Einfluss im Kabinett. Allerdings musste er bei den Verhandlungen mit den Trägern über die künftige Förderung der Theater und Orchester auch seine Grenzen erfahren. Sie wollten mehrheitlich am Status quo festhalten. Das Ziel eine Angleichung aller Häuser an die Tarife wurde nicht erreicht.

In NORDRHEIN-WESTFALEN trauern manche Kulturschaffende den Zeiten nach, als unter der CDU-geführten Landesregierung mehrere Jahre ein Kulturstaatssekretär direkt in der Staatskanzlei angesiedelt war - Kultur war damit Chefsache. Seit Rot-Grün in NRW wieder am Ruder ist, ist die Kultur nur noch Anhängsel im «Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport». Die seit Oktober 2015 amtierende Ministerin Christina Kampmann (SPD) ist bisher selten zu vernehmen gewesen. Im jüngsten Streit um die Zukunft des Düsseldorfer Schauspielhauses - immerhin das einzige vom Land mitfinanzierte Theater in NRW - bezog lediglich ihr Staatssekretär Bernd Neuendorf öffentlich Position. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) indes lobt Kampmann. Erst am Mittwoch betonte Kraft vor Journalisten, ihre Ministerin habe sich in der Kulturpolitik einen Namen gemacht.

In HESSEN liegt die Zuständigkeit für die Kultur beim Ministerium für Wissenschaft und Kunst, das 1984 erstmals mit dieser Ressortzuständigkeit gebildet worden war. Minister Boris Rhein (CDU) ist seit 2014 im Amt, zuvor war er Innenminister. Derzeit regiert ein Bündnis aus CDU und Grünen in Hessen.

In RHEINLAND-PFALZ ist ein Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur zuständig. Dass die Kultur dabei ganz hinten steht, ist nach Ansicht eines Sprechers eher der einfacheren Aussprache geschuldet als der Bedeutung. Der seit Mai amtierende Minister Konrad Wolf (SPD) war zuvor Präsident der Hochschule Kaiserslautern. Seine Herzensthemen sind deswegen Innovation und der Führungskräftenachwuchs an den Hochschulen, er will aber auch besonderes Gewicht auf die Kulturförderung legen.

Im SAARLAND war das Kulturministerium schon Sprungbrett für höhere Aufgaben. Denn zwischen 2007 und 2009 war die heutige Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) als Ministerin für Bildung, Familie, Frauen und Kultur verantwortlich. Seit 2012 ist Ulrich Commerçon (SPD) in einer großen Koalition Minister für die damals zusammengelegten Ressorts Bildung und Kultur.

In BAYERN seit 2013 ist Ludwig Spaenle (CSU, promovierter Historiker) bayerischer Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst. Unter ihm wurden die beiden Ministerien (Bildung/Kultus sowie Wissenschaft/Kunst) zusammengelegt. In der Legislaturperiode davor waren die Ministerien noch getrennt mit Spaenle als Kultus- und Wolfgang Heubisch (FDP) als Wissenschafts- und Kunstminister. Spaenle gilt innerhalb des Kabinetts als ein starker Minister, was allerdings eher an seiner Präsenz als Bildungs- und Kultusminister liegt.

In BADEN-WÜRTTEMBERG gibt es kein eigenständiges Ressort für die Kultur. Die Ministerin Theresia Bauer (Grüne) kümmert sich darum, wie auch um die Themen Wissenschaft und Forschung. Ihr zur Seite steht Staatssekretärin Petra Olschowski speziell für die Kunst, die zwar Kabinettsrang hat, dort aber ohne Stimmrecht ist. Beim Wechsel von Grün-Rot zu Grün-Schwarz in diesem Jahr ist an diesem Zuschnitt nichts geändert worden. Olschowski ist - im Gegensatz zu ihrem Vorgänger, einem Landtagsabgeordneten der Grünen - parteilos und als ehemalige Leiterin der staatlichen Kunstakademie in Stuttgart eine parteiübergreifend angesehene Expertin aus dem Kunstbetrieb.

Im BUND sind die Aufgabenbereiche Kultur und Medien bei Staatsministerin Monika Grütters (CDU) gebündelt. Wegen der Kulturhoheit der Länder darf sie allerdings nicht in deren Aufgaben «hineinregieren». Sie ist dafür zuständig, auf Bundesebene die rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Kunst und Kultur zu verbessern. Primär sind die Länder für die Kulturförderung verantwortlich, außerdem haben die Kommunen ein Selbstverwaltungsrecht. Diese Aufteilung zeigt sich auch in Zahlen: Schätzungen zufolge trägt der Bund höchstens 20 Prozent der Kulturausgaben deutschlandweit, Länder und Kommunen jeweils etwa 40 Prozent.

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