Hannover - Wenige Wochen vor der Bundestagswahl haben Studenten der Uni Hildesheim Wahlprogramme auf ihre kulturpolitischen Inhalte untersucht. Seminarleiter Wolfgang Schneider findet die Wahlversprechen der Parteien zu schwammig. «Wir haben viel zu viele schöne Worte für die schönen Künste, aber viel zu wenig ernsthafte politische Anstrengungen, um die Kulturlandschaft Deutschlands auch zukünftig zu sichern», sagte der Professor für Kulturpolitik im Gespräch mit dpa.
Frage: Sie haben die kulturpolitischen Aussagen der größeren Parteien unter die Lupe genommen. Wie wichtig ist die Kultur im Wahlkampf?
Antwort: Es gab noch nie so viele Texte zur Kultur in den Wahlprogrammen der Parteien. Wahlkampf heißt nicht nur Plakatieren und mit Werbespots und Veranstaltungen präsent zu sein, sondern auch, dass die Wahlkämpfer ganz oft mit Kunst und Kultur auftreten – eine Musikbegleitung bei der SPD, eine Kochshow bei der CDU, Kulturfrühstücke der FDP, Diskussionsforen in Kunsträumen der Linken. Das ist ein ganz bunter Strauß praktischer Kultur im Wahlkampf.
Frage: Also spielt Kultur eine Rolle im Wahlkampf, aber nicht im Inhalt?
Antwort: Ja. Die Kultur ist instrumentalisiertes Begleitprogramm. In Wahlkampfreden kommt sie selten vor. In allen untersuchten Programmen ist die kulturelle Bildung ein Schwerpunkt geworden, aber meist nur wenig ausdifferenziert. Die CDU setzt auf Filmförderung, die SPD betont die Teilhabe an Kunst. Die FDP will eine umstrittene Reform der Künstlersozialkasse. Die Grünen setzen auf Reformen gegen prekäre Arbeitsverhältnisse der Künstler. Alle untersuchten Parteien außer der CDU können sich auf ein Kulturministerium im Bund verständigen.
Frage: Deutschland hat doch mit Bernd Neumann (CDU) bereits einen Kulturstaatsminister im Kanzleramt. Wieso ein eigenes Ministerium?
Antwort: Um die Kultur nicht den verschiedenen Ministerien in einer Beliebigkeit zu überlassen. Ein kooperativer Kulturföderalismus bedarf einer bedeutenden politischen Kraft, die auf Augenhöhe mit den anderen Fachressorts arbeitet. Man kann sich ja vorstellen, dass Kultur und Wissenschaft, oder Kultur und Bildung zusammengehen.
Frage: Sind Sie zufrieden mit den Wahlversprechen der Parteien?
Antwort: Nein. Wir haben viel zu viele schöne Worte für die schönen Künste, aber viel zu wenig ernsthafte politische Anstrengungen, um die Kulturlandschaft Deutschlands auch zukünftig zu sichern. Wir wissen, dass die kulturelle Bildung endlich in das Schulcurriculum gehört. Es wäre auch wichtig gewesen, den Kulturauftrag der Kommunen zu stärken, indem man die Kommunen stärkt.
Frage: Aber lohnt sich der Bereich Kulturpolitik im Wahlkampf überhaupt für die Parteien?
Antwort: Warum man eine Partei wählt, ist ein Mix aus verschiedenen Elementen. Aber es sind viele Hunderttausende Kulturschaffende in Deutschland aktiv, und es gibt viele Hunderttausende, die an Kultur interessiert sind und Kulturarbeit machen. Auch das sind Wähler.
Nico Pointner