Essen - Zwei Jahre nach dem europäischen Kulturhauptstadtjahr im Ruhrgebiet ist in Essen über die daraus resultierenden Zukunftsperspektiven diskutiert worden. Mehr als 450 Teilnehmer kamen am Samstag zur ersten Kulturkonferenz Ruhr auf der Zeche Zollverein zusammen. "Wir müssen selbstbewusst an die Internationale Bauausstellung Emscherpark und an das Kulturhauptstadtjahr anknüpfen", forderte Kulturministerin Ute Schäfer (SPD).
Dabei gelte es, auch künftig an der "Nachhaltigkeits-Architektur" zu arbeiten - auch wenn das in Anbetracht der kommunalen Finanzlage keine einfache Aufgabe sei. Das Projekt "Metropole Ruhr 2020" mit der Perspektive einer "Klima-Expo" soll genau dazu dienen. Erstmals stellte der Regionalverbund Ruhr (RVR) das Konzept öffentlich vor. "Wir brauchen in der nächsten Dekade kein Großevent", betonte Thomas Westphal, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH. Vielmehr solle die kulturelle, soziale, ökonomische und vor allem ökologische Entwicklung der Region zusammen betrachtet werden.
Mit Blick auf die gestiegenen Besucherzahlen der vergangenen Zeit forderte der Geschäftsführer der Ruhr Tourismus GmbH, Axel Biermann, diesen Trend fortzusetzen. "Die Industriekultur ist dabei unser Alleinstellungsmerkmal, das heißt, auch sie muss im nächsten Dekadenprojekt eine wichtige Rolle spielen", sagte er. Ansonsten wären die Anstrengungen rund um die "Ruhr 2010" umsonst gewesen.
Auch kritische Töne unter den Beiträgen
Den Auftakt der Konferenz bildete ein Vortrag des Autors und Direktors der Kulturstiftung "Pro Helvetia", Pius Knüsel. Dabei vertrat der Schweizer die These, dass die Hälfte der Theater und Museen schließen könne. Begründung: Wenn die Nachfrage nicht steige, sei das Angebot zu reduzieren. "Wozu auch diese gigantische Erinnerungskultur", sprach Knüsel die Industriedenkmäler im Ruhrgebiet an. Er plädiere dafür, einige Stätten aufzugeben, um mit den frei werdenden Mitteln private Kulturinitiativen zu fördern.
Mit seinen Ausführungen stieß Knüsel bei den anderen Teilnehmern nicht nur auf Zustimmung. So forderte er mehr Partizipation der Bürger und stellte langfristige Auswirkungen des Kulturhauptstadtjahres infrage. "Was hier als Nachhaltigkeits-Architektur bezeichnet wird, beschränkt sich ganz offensichtlich nur auf die bessere Zusammenarbeit der Kommunen", sagte er. 2010 habe "eigentlich wenig zurückgelassen", und das Kulturhauptstadtjahr sei lediglich eine große Party gewesen. "Glauben Sie wirklich, das Ruhrgebiet sei durch das Kulturhauptstadtjahr kulturell bedeutend geworden?", sagte Knüsel.
Diskussion um Kultureinrichtungen
Der Intendant der Ruhrtriennale, Heiner Goebbels, erklärte die Kultureinrichtungen des Ruhrgebietes für nicht unantastbar. "Man könnte Theater schließen, um so Raum für künstlerische Innovation zu schaffen und sie zu fördern", sagte Goebbels. Darauf entgegnete die Direktorin der Ludwig-Galerie in Oberhausen, Christine Vogt: "Das Ruhrgebiet ist eine große Region mit vielen Menschen - da sind 20 Ruhr-Kunstmuseen eigentlich viel zu wenig." Jede Einrichtung habe ihre Berechtigung.
An der ersten Kulturkonferenz, zu der das nordrhein-westfälische Kulturministerium und der Regionalverband Ruhr (RVR) eingeladen hatten, nahmen Vertreter der klassischen Kultur, der freien Kulturszene und der Kreativwirtschaft teil. Auch Stadtplaner, Touristiker und Kulturpolitiker beteiligten sich an den Runden. Künftig soll das Treffen jährlich stattfinden. Vom Land NRW und dem RVR werden jährlich 4,8 Millionen Euro bereitgestellt, um die im Kulturhauptstadtjahr entwickelten Kooperationen zu fördern.