Seit genau zwei Jahren gibt es in Sachsen-Anhalt eine Initiative, deren Urheber sich die musikalische Bildung in all ihren Facetten auf die Fahne geschrieben haben. Mit der Gründung des Musikalischen Kompetenzzentrums Sachsen-Anhalt (MKM) im September 2005 verpflichteten sich das Kultusministerium und die Landeshauptstadt Magdeburg, die Entwicklung landesweit wirksamer musikalischer Bildungsangebote zu unterstützen.
Das MKM ist am Magdeburger Konservatorium Georg Phillip Telemann angesiedelt und stützt sich auf fünf Säulen: auf Fort- und Weiterbildung, auf Hochbegabtenförderung, auf Qualitätssicherung in der Breitenmusik, auf Projekte der Zeitgenössischen Musik sowie auf das musikalische Erbe. Welche Erfolge können die Mitarbeiter des MKM bisher verbuchen?
Das Hauptaugenmerk der Veranstaltungen im Zeitraum der Profilierung liegt deutlich auf der Neuen Musik. Stand im Mozartjahr 2006 noch das Großprojekt der Neuerarbeitung und Aufführung sämtlicher 32 Sonaten und Werke für Violine und Klavier des Meisters im Mittelpunkt, ist die Tendenz zur Vermittlung Neuer Musik im Jahr 2007 nicht zu übersehen. Besonders das Engagement für junge Komponisten aus den Kompositionsklassen Halle und Magdeburg ist hier hervorzuheben. So konnte Wolfgang Rihm gemeinsam mit dem Minguet Quartett zu drei Gesprächskonzerten und einem Kompositions- und Kammermusikworkshop eingeladen werden. Dreißig junge Kompositions- sowie Instrumentalschüler der verschiedensten Musikschulen Sachsen-Anhalts konnten so das Entstehen und Einstudieren neuer Musik auf professionellste Weise erfahren. Kompositionsskizzen wurden unmittelbar zum Klingen gebracht, die Schüler bekamen Hilfestellungen zur Notation und die Erarbeitung Neuer Musik wurde den jungen Musikern lebendig erläutert. Musikschüler, die sich für eine Profi-Laufbahn entscheiden, werden im MKM optimal auf ein Studium vorbereitet. Im Rahmen der Hochbegabtenförderung werden regelmäßig namhafte Musiker und Pädagogen engagiert. Meisterkurse wurden bisher bestritten vom New Yorker Violinisten Lewis Kaplan (Juilliard School), vom Gitarristen und gefragten Hochschullehrer Frank Bungarten, vom georgischen Pianisten Revaz Tavadze und der Klarinettistin Sabine Meyer.
Auf die instrumentalpädagogische Fortbildungssituation der Musiklehrer in Sachsen-Anhalt hat sich das MKM besonders eingestellt. Mehr und mehr trifft auch für dieses Bundesland die Situation zu, dass die Quote von fest angestellten Musiklehrern im Lande sinkt. Fort- und Weiterbildung wird oft nicht im notwendigen Maße wahrgenommen, da es für feste und freie Instrumental- und Vokalpädagogen keine Verpflichtung zur Weiterbildung gibt. Hier will das MKM ansetzen und mit besonders namhaften Dozenten, ebenso wie bei der Hochbegabtenförderung, die Weiterbildung der Pädagogen gewährleisten. So war der Kurs zur musikalischen Früherziehung für Instrumentallehrer und Kindergärtnerinnen mit Dorothee Kreusch-Jakob dreifach überbucht und musste wiederholt werden. Die dritte Veranstaltung wurde unverständlicher Weise nicht mehr vom Landesverwaltungsamt finanziert, sie wurde kurzerhand als reine Konservatoriumsveranstaltung organisiert.
Des Weiteren bot das Kompetenzzentrum einen Grundlagen- und einen Aufbaukurs für Dirigenten und Ensembleleiter an jeweils fünf aufeinander folgenden Wochenenden an. Der österreichische Dirigent und 1. Kapellmeister der Oper Magdeburg, Alexander Steinitz, konnte als Dozent gewonnen werden und die praktische Umsetzung der „trockenen Theorie“ gewährleisteten die Schönebecker Kammerphilharmonie sowie das Orchester der Magdeburger Musikfreunde.
Als zentrale Aufgabe sieht das MKM die Neue Musik. Eine besondere Rolle spielt hier das im Aufbau befindliche Musikinformationszentrum für Zeitgenössische Musik unter der Koordination der Musikwissenschaftlerin Kerstin Hansen. Hier soll eine Anlaufstelle für alle geschaffen werden, die sich mit zeitgenössischer Musik beschäftigen, sie ausüben, sie schaffen, sie lehren oder sich einfach dafür interessieren. Spezielle Hilfestellungen für Lehrer und Studenten werden künftig bereitgestellt, die Vermittlung von Noten sowie Kontakte zu Komponisten aus Sachsen-Anhalt sollen organisiert werden. Realisiert wurde bereits die Produktion einer CD mit Kompositionen der drei Komponisten Stojan Stojan-tschew, Klaus-Dieter Kopf und Dieter Nathow. Nicht nur dem Defizit an Einspielungen wird damit entgegnet, die Produktion soll auch der Vermittlung Neuer Musik an allgemein bildenden Schulen dienen. Speziell für Schüler wurde eine zweite Variante der CD mit 60 Tracks produziert, die die Musik der drei Komponisten bis ins kleinste Detail seziert. Einzelne Instrumentenparts werden solistisch herausgearbeitet, sodass die Schüler an den Aufbau des Gesamtwerkes Schritt für Schritt herangeführt werden. Derzeit wird ein Begleitheft für Lehrer erarbeitet. Es soll didaktische Hinweise geben, einzelne Hörbeispiele in Noten darstellen und ausführliche Analysen liefern. Ein Workshop, an dem die Komponisten, der Dirigent und ein Fachberater teilnehmen, wird im Oktober interessierten Musiklehrern den Umgang mit der CD erläutern.
In Zusammenarbeit mit Studenten der Sektion Informatik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ist ein weiteres Groß-Projekt des MKM geplant: eine Datenbank, die alle Komponisten der Gegenwart und Vergangenheit Sachsen-Anhalts umfangreich erfassen soll. Und perspektivisch gesehen wollen die Informatik-Studenten gemeinsam mit dem Musikinformationszentrum ein Notationsprogramm speziell für zeitgenössische Musik entwickeln.
Sachsen-Anhalts Kultusministerium fördert die umfangreiche Arbeit des MKM und des Informationszentrums für Zeitgenössische Musik mit etwa 250.000 Euro im aktuellen Haushaltsjahr. Nach dem Prinzip der Fehlbedarfsfinanzierung müssen jedoch entstandene Einnahmen aus Veranstaltungen zurückerstattet werden. Helmut Keller, Leiter des Konservatoriums und des MKM, fordert deshalb für die Folgejahre Planungssicherheit und zumindest die Beibehaltung der bisherigen Fördermittel.
Eine weitere Forderung ist allerdings eminenter: alle Aktivitäten im MKM wurden bisher nebenamtlich, in der Freizeit und mit geringen Teilzeit-Deputanten bewältigt. Deshalb sollte nicht nur der unangemessen hohe Bürokratieaufwand im jährlichen Projektgenehmigungsverfahren deutlich reduziert werden, sondern vor allem die Personalsituation positiv verändert werden. Gerade im Hinblick auf die Schließung des Instituts für Musik an der Universität Magdeburg im Jahr 2005 ist die Forderung Helmut Kellers nach Kontinuität im noch jungen Musikalischen Kompetenzzentrum Sachsen-Anhalt nachvollziehbar und verständlich.