Vom 9. bis 10. Oktober 2017 fand an der Universität Regensburg das interdisziplinäre Symposium „Die Zukunft des Kulturbetriebs in der digitalisierten Gesellschaft“ statt, als Kooperation der Lehrstühle für Vergleichende Kulturwissenschaft und Medieninformatik. Holger Kurtz nahm teil und berichtet für die neue musikzeitung.
Bereits die Anfahrt zur Universität Regensburg ließ ein Thema anklingen, das in den kommenden Vorträgen ausgearbeitet werden würde: Der Taxifahrer prahlte stolz von seiner Ortskenntnis aller 1.400 Straßen in Regensburg, wurde dann jedoch immer stiller, je klarer die Vorteile eines Navigationssystems wurden. Denn obwohl digitale Technik dem menschlichen Hirn in vielen Punkten keine Konkurrenz darstellt, so kann sie doch selten befahrene Orte finden. Auch der Grund für diese „sehr seltsame Zieladresse“, wie der Fahrer sie rechtfertigend nannte, ergab sich aus der digitalen Transformation. Über die Plattform „Airbnb“ können Privatpersonen ihre Wohnung untervermieten. Diese Möglichkeit führt zu Taxifahrten, die nicht an öffentlich bekannten Hotels enden, sondern an ganz privaten Regensburger Vorgärten.
Mehr Teilhabe, mehr Macher
Die „Dilettantisierung“ einer einst von Profis eingenommenen Branche sei auch, und das ohne das „Geschmäckle“ des Wortes, eine der Folgen der digitalisierten Kulturszene. So referierten Barbara Zoé Kiolbassa und Sabine Faller vom Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe (ZKM) über die Museumslandschaft der Zukunft, anhand des partizipativen Praxisbeispieles „BÄM“.
Hinter dieser knalligen Abkürzung verbirgt sich der Mitmach-Aufruf: „Be A Maker“. Die beiden Referentinnen verstehen die Digitalisierung vor allem als soziokulturelles und technisches Phänomen und damit als Chance für mehr Teilhabe: Statt einen Synthesizer zu hören, wird selbst einer gebaut.
Nicht mit Lötkolben und Schaltkreisen, dafür aber mit Codes und Konzepten haben Verbundpartner, darunter die Universität Regensburg, das „eKulturportal“ gegründet. Dieses aus dem Förderschwerpunkt Mittelstand Digital der Initiative eStandards des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie geförderte Projekt will eine digitale Komplettlösung für die Gastspielbranche anbieten. Es richtet sich an: Produzenten/Agenturen, Veranstalter, Bühnenbetreiber, Künstler, Verlage und Künstleragenturen. Ist aber auch konzeptionell offen für verwandte Branchen. Im Vortrag wurde die Entstehung und die Methode vorgestellt, die dabei zur Verwendung kam. Die Betonung dabei lag auf bewährter Software statt halbfertigem State of the Art und einem sogenannten „User centered Design“, bei dem die Bedürfnisse und Rückmeldungen der Nutzer gleich von Beginn an in die Gestaltung aufgenommen werden.
Zweiter Anker des eKulturportals ist die KnowledgeBase, ein Fachforum, welches zur Wissenskollaboration anregen soll. Dass allein das Bereitstellen der Plattform dafür nicht genügt, sondern Anreize geschaffen werden müssen, damit diese auch genutzt wird, ist dem Projektverantwortlichen, Helmut Groschwitz (Vergleichende Kulturwissenschaften), durchaus bewusst. Wenn die Umsetzung erfolgt, bietet dies große Chancen für kleine Unternehmen der Kulturbranche, die, aufgrund begrenzter Personal- und Kapitalressourcen, den Aufwand der Digitalisierung sonst nicht stemmen könnten.
Vom Nutzen der Nische
Kleineren Kulturbetrieben bleiben, laut dem Vortrag von Hannes Tronsberg (actori GmbH), zwei Möglichkeiten: Sie spezialisieren sich auf ein Nischenangebot und nutzen die weltweite Distributionsmöglichkeit des Internets, oder sie werden zu „Regional-Helden“ und konzentrieren sich auf die lokale Zielgruppe, die sie dafür sehr gut kennen müssen. Auch der Unternehmensberater stimmt in die These des ZKM ein, dass partizipative Kulturformate eine wichtige Rolle spielen werden. Außerdem werden Veranstaltungsformen häufiger, die eine Flexibilität zulassen, um damit an mehreren Orten in einer Stadt auftreten zu können. Als Beispiel für ein Theater, das diesen Trend bereits umsetzt, wurde der TheaterContainer des Theaters Bonn genannt. Bei diesem findet die Inszenierung in einem Container statt, der Platz für etwa eine Schulklasse bietet. Damit wird auch das dritte Gebiet genannt, welches die Regionalhelden auszeichnet: eine Betonung der Education-Angebote. Christian Holst gab dabei zu bedenken, dass dieses Angebot häufig zusätzlich von Kulturbetrieben angeboten wird – die Personalanzahl in den Betrieben jedoch nicht erhöht wurde, sondern eher zurückging. Dadurch ergibt sich die politische Forderung, dass die Förderung dieser Angebote nicht zu Lasten der Mitarbeiter gehen darf.
Christian Holst (Zürcher Hochschule der Künste) hielt auch den letzten Vortrag des Symposiums, bei dem er eine schweizer Fallstudie darstellte. Dabei ging er der Frage nach, wie Kulturbetriebe in Zürich Bewegtbild nutzen und ob sie dabei einem Konzept folgen. Erstes Ergebnis der Studie: Videos benutzen fast alle; ein expliziertes (schriftliches) Konzept haben die wenigsten. Die Untersuchung ließ folgende Hypothesen zu: Viele Betriebe nutzen Videos, um Multiplikatoren anzusprechen oder allgemein für die Bewerbung von bereits bestehendem Content.
Beispielsweise kurze Trailer zu einer Inszenierung. Wenige haben ein ausgearbeitetes Konzept und nutzen die Kunst als Content, um beispielsweise einen Livestream anzubieten, der weltweit ein Publikum erreichen kann und somit die lokale Begrenzung einer Veranstaltung aushebelt. Dass offline und „Face-to-Face“ dennoch nicht zu ersetzen sind, resümierte Groschwitz am Ende des Symposiums und hob damit den Wert der zwischenmenschlichen Erfahrung hervor, den die Digitalisierung nicht ersetzen kann – aber erweitern.