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Lothar R. Behounek. Foto: privat
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Musikakademien als Bildungsnetzwerke

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Das nmz-Gespräch mit dem Vorsitzenden des Arbeitskreises der Musikbildungsstätten, Lothar R. Behounek
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Oft thronen sie hoch über Städten und Dörfern – Schlösser, Burgen oder Klöster sind ihre bevorzugten Immobilien: Die Landes- und Bundesmusikakademien sind ein etablierter Teil des bundesdeutschen Musiklebens. Man könnte sich also in der Komfortzone zwischen Hotelbetrieb und Fortbildungsstätte einrichten. Da überraschte jüngst eine Pressemitteilung, die der „Arbeitskreis der Musikbildungsstätten“ gemeinsam mit dem Deutschen Musikrat publiziert hatte. Es werden darin nämlich nicht mehr musikalische Töne angeschlagen, sondern handfeste politische Signale ausgesendet. Lothar R. Behounek ist Vorsitzender des Arbeitskreises und möchte nichts weniger als das selbstgenügsame Profil seines Verbandes verändern. Mit ihm sprach Susanne Fließ.

neue musikzeitung: Herr Behounek, wieso braucht eigentlich jedes Bundesland eine eigene Musikakademie?

Lothar R. Behounek: 25 Bundes- und Landesakademien gibt es in Deutschland und die Gründung ist politisch motiviert, nicht zuletzt durch die Landesmusikräte. Die nämlich sind daran interessiert, ihren Mitgliedsverbänden einen Ort für Proben und Fortbildungen anzubieten. Musikakademien haben zwischen Musikschulen und Musikhochschulen und anderen Musikausbildungsstätten eine ganz bestimmte Aufgabe: Sie können Synergieeffekte nutzen, etwa, wenn es kurze Wege zur Geschäftsstelle des Landesmusikrates gibt, wie das bei der Musikakademie Hessen der Fall ist. In Hessen ist es uns auch gelungen, die Landesgeschäftsstelle des Bundesverbandes mittelständischer Wirtschaft in der Akademie zu platzieren. Denn Kultur und Wirtschaft bedingen sich, sie brauchen einander regelrecht.

Die zuvor oftmals leer stehenden und vom Verfall bedrohten Schlösser und Burgen sind übrigens ideale Herbergen für Musikakademien. So lässt es sich konzentriert und fokussiert arbeiten.

nmz: Welchen gesellschaftlichen Auftrag hat eine Musikakademie?

Behounek: Ausgehend, beispielsweise vom Impuls des Landesmusikrates, der die musikalische Bildung im Land voranbringen und Bildungsmaßnahmen zur Förderung der Kultur anbieten will, haben Akademien nicht nur Profi-Musiker im Blick, sondern auch die Laienverbände aller kreativen Bereiche. Die Bundesakademien haben daneben einen bundesweiten kultur- und bildungspolitischen Auftrag zur Förderung der Weiterentwicklung der Kulturellen Bildung in der Gesellschaft. Keine andere Institution kann hier breiter und gleichzeitig so qualifiziert Kulturelle Bildung  abdecken, die als  grundlegender Teil der allgemeinen Bildung gesehen wird. Akademien sind dezidiert als Orte der Begegnung, des Lernens und der Kontemplation ausgelegt. Das weiß inzwischen auch die Wirtschaft zu schätzen. Denn dort wächst das Interesse an der ganzheitlichen Ausbildung von qualifiziertem Nachwuchs. Gut ausgebildete junge Leute müssen Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit oder den Umgang mit Frustration beherrschen. Sie lassen sich in der Auseinandersetzung mit dem Medium Musik gut einüben. Entsprechend wächst auch dort das Interesse, und es werden neue Wege der Zusammenarbeit gesucht. Andererseits ist „Akademie“ kein geschützter Begriff. Insofern steht jede „Akademie“ zu uns in Konkurrenz und auch dort wächst die Professionalität. Aber dem geschärften Profil einer einzelnen Institution kann eine Musikakademie ihr unvergleichlich dichtes Netzwerk entgegenhalten und ihre Flexibilität, auf kulturelle Bedürfnisse einzugehen.

nmz: Wie finden Sie heraus, ob die Angebote der Musikakademien den gesellschaftlichen Nerv treffen?

Behounek: Die Auslastung einer Akademie ist natürlich die erste Kennzahl, aber damit erschöpft sich die Frage nach Qualität nicht. Zur Evaluierung des inhaltlichen Profils hat jede Akademie ihre eigenen Instrumente. Mitunter geschieht das im Verbund mit anderen Verbänden. Es ist auf Dauer überlebenswichtig herauszufinden, ob man den Platz im eigenen Bundesland gefunden hat. Der Verband deutscher Musikschulen (VdM), der Verband Deutscher Schulmusiker (VDS) oder die Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) sind wichtige Partner.

nmz: Die Bundes- und Landesakademien sind im „Arbeitskreis der Musikbildungsstätten“ zusammengeschlossen. Wofür oder wogegen wollen Sie Synergien erzeugen und Kräfte bündeln?

Behounek: Alle unsere Aktivitäten und Initiativen sollen dazu führen, uns zwischen den zahllosen Bildungsangeboten deutlicher zu positionieren. Und in der Runde der Geschäftsführer werden ganz handfeste Themen wie Steuer, Vertrags- oder Haftungsfragen besprochen. Am Internet-Auftritt des Arbeitskreises sehen Sie, dass wir hier noch ziemlich am Anfang sind. Im Februar hat in Rendsburg das 30. Jahrestreffen stattgefunden. Auch dort werden Kurszahlen abgefragt und Kursthemen vorgestellt. Um den bisher losen Zusammenschluss nach außen hin künftig stärker zu profilieren, steht die Umbenennung des Arbeitskreises in einen griffigeren Namen an und auch die stärkere Bündelung von Themen, mit denen wir in der Öffentlichkeit vertreten sind, nicht zuletzt in der neuen musikzeitung. Die Koordination und die Kommunikation sind verbesserungswürdig. Im Musikinformationszentrum findet man im Menü „Musikatlas“ unter „Fort- und Weiterbildung“ eine Deutschlandkarte aller Musikbildungsstätten. Das ist ein wichtiger Schritt, um mit Angeboten sichtbar zu werden. Um ein schärferes Verbandsprofil zu gewinnen, ist ein Jahrestreffen allerdings nicht ausreichend.

nmz: Die Frage nach Synergieeffekten dieses Verbands scheint noch nicht abschließend beantwortet zu sein.

Behounek: Erste Antworten gibt es bereits: Wenn eine Gruppe bei uns anfragt und unsere Kurse sind ausgelas-tet oder die Akademie bereits ausgebucht, dann empfehlen wir durchaus die Akademien in den Nachbarbundesländern. Unsere Empfehlungen haben aber nicht nur logistische Ursachen, auch inhaltliche. Zwischen Hessen und Thüringen gibt es seit einiger Zeit Kooperationen. Auch zwischen den Musik-räten der beiden Bundesländer gibt es enge Kontakte, beispielsweise bei „Jugend komponiert“.

nmz: Seit wann sind Sie Vorsitzender des Arbeitskreises?

Behounek: Vorsitzender bin ich seit zwei Jahren, aber das sogenannte Sprecherteam besteht aus drei Personen – Kerstin Hädrich von der Bundesakademie Wolfenbüttel und Peter Grunwald von der Musikakademie Sachsen-Anhalt – nicht zuletzt aus Gründen des Zeitaufwandes und der Arbeitsteilung. Als vordringlichste Anliegen haben wir die Umbenennung des Arbeitskreises und damit einhergehend eine stärkere öffentliche Ausstrahlung verabredet. Denn das reiche Angebot der Musikakademien kann im veränderten Bildungsgefüge mit seinen vielfältigen Anforderungen gut mithalten, das wollen wir auch sichtbar machen.

nmz: Ginge die Zusammenarbeit im Verband so weit, dass Sie einer Gruppe die Akademie des Nachbar-Bundeslands empfehlen, weil dort das Angebot passgenauer ist?

Behounek: Ja, das ist denkbar, aber ich gebe zu: Der Kooperationsgedanke ist noch ausbaufähig, wir wollen uns mit diesem Thema verstärkt befassen. In Bayern, wo es ja drei Akademien gibt, funktioniert das sehr gut und vorbildhaft. Dort gibt es zu festen Terminen Gespräche darüber, wer welches Thema in sein Programm integriert oder wer welche Gruppen aufnimmt.

nmz: Auf ein Thema haben sich die Musikakademien bundesweit verständigt „Singen mit Kindern“. Sie selbst kommen ebenfalls aus dem Chorwesen, inwiefern trägt das Verbands-Thema auch Ihre Handschrift?

Behounek: Das Thema ist in der Auseinandersetzung mit der Realität entstanden. Die positive Wirkung des Singens im Kindesalter auf die Persönlichkeitsentwicklung ist mehrfach belegt und unstrittig und obwohl spürbar ist, dass an Schulen heute mehr gesungen wird als noch vor einigen Jahren, ist das Thema strukturell weiterhin viel zu unscharf definiert. Denn eigentlich müsste täglich in der Schule gesungen werden. Die Frequenz hängt weiterhin vom Engagement jedes einzelnen Lehrers ab. Wichtig und richtig wäre es jedoch, wenn es gut ausgebildete Musiklehrer in ausreichender Zahl gäbe. Auch die musikalische Ausbildung der Erzieherinnen an Kindertagesstätten lässt weiterhin zu wünschen übrig. In den vergangenen Jahren hat man zum Teil in der Ausbildung sogar bewusst darauf verzichtet. Hier haben Musikakademien mit ihrem breit gefächerten Angebot die grundlegende Aufgabe, die Gesellschaft zu musikalisieren.

Unsere Aufgabe als Musikakademien ist es, das Bewusstsein der Politik darauf zu lenken, wie wesentlich Musik oder die Auseinandersetzung mit kulturellen Gütern zur Persönlichkeitsentwicklung beiträgt. Mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln müssen wir immer wieder darauf aufmerksam machen und dafür werben: Schulische und außerschulische Bildung müssen verlässlich und strukturell zusammenkommen.

nmz: Ist da auch die Mitgliedschaft des Verbands im Musikrat nützlich?

Behounek: Wir sind mit dem Deutschen Musikrat gut vernetzt, denn einige Mitglieder unseres Arbeitskreises sind auch in führenden Positionen im Musikrat aktiv und verfügen über gute Kontakte in die Kulturpolitik. Der Arbeitskreis möchte die Zusammenarbeit mit dem Musikrat jedoch deutlich intensivieren. Ein Schulterschluss ist nötig, um bestimmte Themen, die auch die Akademie-Arbeit betreffen, öffentlich zu verankern. Das gilt für Themen im Bereich Bildung und Ausbildung ebenso wie für das gerade zu verhandelnde Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU, das spätes-tens beim Thema Umsatzsteuersätze alle Akademien betrifft. Darauf haben wir auch in der gemeinsamen Pressemitteilung am Ende unseres Jahrestreffens hingewiesen.

nmz: Eine Forderung war die finanzielle und strukturelle Sicherheit der Akademien, um die kulturelle Vielfalt zu bewahren. Wenn die Finanzierung immer wieder auf dem Prüfstand steht, scheint die Politik die Notwendigkeit von Musikakademien noch nicht eingesehen zu haben.

Behounek: Auch wir Akademien und Bildungseinrichtungen müssen unsere Hausaufgaben machen. Strukturen und Inhalte müssen stimmen und ihre Interessenten finden. Idealerweise ist eine Bundes- und Landesmusikakademie aus meiner Sicht innerhalb eines großen kulturellen Netzwerks angelegt. Die Bundesakademien haben das geschafft: Sie sind seit Jahrzehnten „auf dem Markt“ und werden von einer breiten Öffentlichkeit als konturierte Institutionen wahrgenommen. Wertvoll ist die Untermauerung durch die Politik: So steht beispielsweise die Landesmusikakademie Hessen im Koalitionsvertrag der neuen schwarz-grünen Landesregierung, eine solide Basis, um sich inhaltlich weiterentwickeln zu können. Aus dem kulturellen Leben des Bundeslandes Hessen ist die Landesmusikakademie nicht mehr wegzudenken und diese Wahrnehmung höre ich auch für die Akademien der anderen Bundesländer.

Natürlich steht die Frage nach der finanziellen Ausstattung immer wieder im Raum. Wir müssen uns also inhaltlich so positionieren, dass wir entsprechende Landeszuschüsse erhalten. Die Mehrzahl der Akademien (leider noch nicht alle) erhalten eine institutionelle Sockelförderung, die restlichen Mittel müssen durch andere Einnahmen erwirtschaftet werden. Um für unsere „Kunden“ erschwinglich zu bleiben, können Kursgebühren nicht wahllos in die Höhe geschraubt werden. Projektmittel sind nicht zuletzt auch aus der Wirtschaft oder aus dem Stiftungsbereich denkbar. Denn dort hat man verstanden, dass kulturelle Bildung das eigene Überleben sichert.

nmz: Wann endet Ihr Vorsitz?

Behounek: In einem Jahr. Bis dahin wollen wir uns strukturell weiterentwickeln und unsere Kompetenzen und Angebote nach außen verstärkt sichtbar machen. Wir wollen uns gut eingebettet in das kulturell-musikalische Netzwerk der Bundesrepublik sehen und uns mit wichtigen Themen in der Öffentlichkeit melden.  ¢

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