Nach einer teilweise abenteuerlichen Tournee in Ex-Jugoslawien ist das JMWO bei der EXPO in Hannover und beim Young.Euro.Classics Musik-Sommer in Berlin aufgetreten. Welche Gedanken kommen Ihnen angesichts dieses Kontrasts?
Pünktlich zum 30-jährigen Bestehen des Jeunesses Musicales Weltorchesters (JMWO) lenkt mit Susanne Heyer eine neue Orchesterdirektorin die Geschicke dieses außergewöhnlichen Klangkörpers. Die Juristin, die als Personaldisponentin bei den Bamberger Symphonikern und als stellvertretende Orchestermanagerin beim Hessischen Rundfunk tätig war, trat am 1. Januar 2000 ihr neues Amt an. Für die nmz sprach sie mit Juan Martin Koch über ihre Pläne und Einschätzungen. nmz: Nach einer teilweise abenteuerlichen Tournee in Ex-Jugoslawien ist das JMWO bei der EXPO in Hannover und beim Young.Euro.Classics Musik-Sommer in Berlin aufgetreten. Welche Gedanken kommen Ihnen angesichts dieses Kontrasts? Susanne Heyer: Aus diesem zerrissenen, teilweise auch zerstörten Land wieder in den deutschen Luxus zurückzukehren, ist schon sehr schwer zu verarbeiten. Und das war wohl auch für viele Musiker/-innen schwierig. Jedem ist, denke ich, klar geworden, wie gut es uns eigentlich geht. Seit 1996 ist das Orchester UNESCO-Botschafter des guten Willens. Welche Botschaft kann es jenseits des Gemeinplatzes von Völkerverständigung vermitteln, wie politisch kann diese Botschaft sein? Zunächst ist da natürlich die hohe Symbolkraft. Das Orchester repräsentiert sozusagen die Jugend der ganzen Welt. Einerseits ist diese Botschaft also allgemein gültig, andererseits ist sie sehr klar auf den Ort der Aufführung bezogen. Es war sehr schön zu sehen, wie auch in den vom Krieg stark betroffenen und wirtschaftlich sehr armen Ländern das Engagement unserer Partnerorganisationen enorm hoch war. Und wir haben zum Beispiel in Serbien erlebt, wie die Leute aus dem Publikum ausdrücklich sagten, sie seien dankbar dafür, dass die Welt sie nicht vergessen habe. Insofern wurden die Musiker auch als Botschafter ihrer Länder verstanden. Und wie lautet dann die Botschaft an ein gut situiertes Publikum in Hannover oder Berlin? Gerade in Deutschland geht es darum, dass die Zuhörer sich nicht nur dem privaten Luxus hingeben, sondern sich auch ihrer Verantwortung nach außen bewusst werden. Mit dem Konzertbesuch bei einem solchen Orchester unterstützen sie dessen Botschaft mit. Das Publikum weiß das sehr wohl zu honorieren, wie die Reaktionen auf die traditionelle Vorstellung der Teilnehmerländer zeigen. Wie beurteilen Sie die Arbeitsbedingungen, unter denen Sie Ihr Amt angetreten haben? In der Vergangenheit waren die ja nicht immer unproblematisch. Es ist nicht leichter geworden. Die finanziellen Rahmenbedingungen sind äußerst eng, obwohl wir eine relativ großzügige Unterstützung durch den Berliner Senat erhalten. Für nächstes Jahr müssen wir allerdings eine Kürzung des Zuschusses hinnehmen, und da blickt man natürlich ein wenig neidisch auf das European Union Youth Orchestra, das im Vergleich geradezu im Geld schwimmt. Inwieweit können Sponsoren ihre Arbeit unterstützen? Wir haben Sponsoren, die die Winterarbeitsphase gut absichern. Unser Problem bleibt aber der Sommer, wo wir ein Land finden müssen, das dem Orchester zwei Wochen lang Kost und Logis bietet. Hinzu kommt dann die große Tournee, die in diesem Jahr ohne die Unterstützung des Auswärtiges Amts in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Musikrat nicht hätte stattfinden können Ihr Vorgänger Michael Jenne hat das Orchester über einen langen Zeitraum stark geprägt, hat es eigentlich erst zu dem gemacht, was es jetzt ist. Welche neuen Akzente würden Sie setzen wollen? Wichtig ist es einerseits, das Orchester auf eine sicherere finanzielle Basis zu stellen.Wir werden deshalb verstärkt mit Konzertagenturen und Veranstaltern zusammenarbeiten, die einzelne Auftritte abwickeln. Auf der anderen Seite sollen deutlichere politische Akzente gesetzt werden. Bestärkt durch den Erfolg der jüngsten Reise wollen wir öfter in „Krisenregionen“ Flagge zeigen. In Paris kann jeder spielen, in Belgrad nicht.
Haben Sie schon konkrete Pläne in diese Richtung? Für den übernächsten Winter sind Konzerte in Griechenland geplant, die wir mit Aufritten in der Türkei verbinden möchten. Wenn wir im Sommer 2002 nach Südostasien gehen, will ich versuchen neben Korea auch einen Fuß nach Vietnam zu setzen. Auch Afrika ist ein Ziel, das wir anstreben. Aber dafür brauchen wir natürlich finanzielle Polster. Welche Rolle spielt bei solchen Überlegungen die Programmgestaltung? Bei einer reinen Strauss-Jubelfeier, wie sie vor einiger Zeit stattfand, fragt man sich schon ein wenig: Muss ein solches Orchester gerade das spielen? Man muss sich natürlich klar darüber sein, was in welches Land passt. Andererseits ist für die Musiker aber auch die Herausforderung wichtig. So ein Strauss-Programm, gerade mit der Alpensinfonie, ist eine große Erfahrung. Die jungen Musiker sind ja nicht Mittel zum Zweck, sondern sollen für sich persönlich etwas lernen, sich in der Orchesterarbeit weiterentwickeln. Denken Sie auch an neue Konzertformen, etwa an ein gezieltes Zugehen auf ein jüngeres Publikum? Die Frage nach jungen Zuhörern ist eine typisch deutsche, denn in anderen Ländern gibt es das Problem der Überalterung des Publikums nicht in dieser extremen Form wie hier. Es hat Anfänge gegeben mit einem Familienkonzert in Berlin, das im letzten Jahr aus zeitlichen Gründen leider nicht stattfinden konnte. Das wird es in diesem Jahr wieder geben, und wir überlegen auch, wie wir solche Programme in die Tourneen einbauen können. Außerdem beteiligen wir uns dieses Jahr in einer dritten Arbeitsphase am Brundibár-Projekt der Jeunesses Musicales International. Sie präsentierten sich beim Berliner Young.Euro.Classics-Festival gemeinsam mit anderen erstklassigen Klangkörpern ähnlichen Zuschnitts, etwa dem Gustav-Mahler-Jugendorchester. Wo steht das JMWO im Vergleich? Qualitativ und von der Atmosphäre her brauchen wir uns auf keinen Fall zu verstecken, die Konzerte haben da eine deutliche Sprache gesprochen. Auch die Dirigenten, die mit dem Orchester zusammenarbeiten, geben uns da Recht. Wir haben allerdings ein Problem mit dem Bekanntheitsgrad. Das ist ein Zustand, der sich ändern muss, denn eigentlich ist es ja ein Witz: Wir sind das älteste dieser Orchester und keiner kennt uns.Es ist lange Zeit ein gut gehütetes Geheimnis der Jeunesses gewesen, aber ich hoffe, dass sich das im Zuge der Zusammenarbeit mit internationalen Agenturen in den kommenden Jahren ändern wird. Wir dürfen nicht weiter vor uns hinträumen, sondern müssen diese Herausforderung annehmen.
Beachten Sie ebenfalls den Artikel auf der Jeunesses-Seite 29!