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Peter Hanser-Strecker hat ein Problem. Die fettesten Kühe von Schott Music International geben kaum noch Milch. Beispiel Carl Orff: Dessen beliebtes „O fortuna“ aus den Carmina burana ist bei Hanser-Strecker im Verlag und hat stetig und dankbar die Kassen des Mainzer Großunternehmens gefüllt, wenn es gedruckt über die Ladentheke oder klingend ins Presswerk geht. Oder eher gegangen ist. Denn, dem Internet sei Dank, hat sich das Kaufen offenbar in vielen Fällen erübrigt. Internetpiraten bieten das Stück in digitaler Qualität im Netz an, und zwar billig oder kostenlos und gleich unter 65 verschiedenen Adressen. Das hat Hanser-Strecker selbst ermittelt und ist entsprechend beunruhigt: „Was dort passiert ist der Abfluß aus der Urheberrechtsbadewanne. Und bald sitzen wir alle im Trockenen!“
So weit, so schlecht. Oder so gut, wenn man wie ein Nutzer denkt. In dieser Hinsicht angestrengte Gerichtsverfahren ob der Gesetzeslücken sind für Verleger und Rechteinhaber meist erfolglos ausgegangen. Es brennt also bei den Musikurhebern, besonders deshalb, weil die Mühlen der Gesetzgebung langsam mahlen und auf nationaler Ebene erst in zirka zwei Jahren mit wasserdichten Gesetzestexten zu rechnen ist, die das Urheberrecht sicher auf das Internet beziehen und klarstellen, daß mit „Blättern“ und „Seiten“ eben auch Virtuelles gemeint sein kann. Bei einem solchen Thema ist natürlich die GEMA nicht weit. So beispielsweise auch bei einer Diskussion im Rahmen der Generalversammlung des Deutschen Musikrates zu diesem Thema. GEMA-Generaldirektor Kreile selbst moderierte Statements zum Thema Urheberrecht im globalen Netz. Was sich dabei herausstellte gibt Komponisten und der Musikindustrie nur wenig Grund zur Zuversicht. Mit Gesetzen ist dem Problem nur schwer beizukommen. Denn was kümmert einen Netzpiraten in Spanien das deutsche Recht. Und selbst wenn in einigen Jahren die EU eine Richtlinie für die nationale Gesetzgebung erlassen hat und diese auch umgesetzt wurde, stört das einen Anbieter auf den Bahamas wenig. Also keine Aussicht auf Abdichtung dieses Lecks in der Urheberrechtsbadewanne?
Das Hase-und-Igel-Spiel geht noch weiter: Seit Ende 1996 gibt es internationale Verträge der World Intellectual Property Organization (WIPO). Wer ihnen beitritt, wäre unter anderem an den schmalen Konsenz gebunden, daß nur der Urheber die Einspeisung vornehmen darf oder zu genehmigen hat. Aber noch hat selbst die EU diese Verträge nicht unterschrieben und ob das auch in dieser Beziehung besonders wilde Mainland-China diesen Verträgen beitritt, steht auf einem anderen Blatt.
Dieser Ärger ist systembedingt, wie es so schön heißt. Angelegt wurde das Internet schließlich zu militärisch-strategischen Zwecken. Es ging um ortsunabhängige Informationsvermittlung, auch in Kriegsfällen oder unter äußerer Zensur. Daß diese Freizügigkeit und Omnipräsenz auch ihre Schattenseiten haben kann, ist inzwischen bekannt. Da nutzen auch technische Schutzwälle verschiedenster Art kaum. Denn einmal bereitgestellt, wird später oder früher jede Identifikationssperre, jedes Watermark (Kennzeichnung einer Grafik oder Noten mit dem Urhebersignet) oder ein sogenanntes „embatted signal“ (Störton in digitalen Klangdaten, der auf Kopien erst hörbar wird) geknackt und damit nutzlos.
Und so steht als einfachste technische Lösung offenbar nur ein „Providergroschen“ zur Debatte. Das bestätigt jedenfalls Prof. Bernd Enders von der Forschungsstelle für Musik- und Medientechnologie der Uni Osnabrück. Denn in den Content-Providern findet sich die einzige Stelle, an der mit der Datenübermittlung noch sicher Geld verdient wird. Da mag ob der Pauschalität das GEMA-Herz unrhythmisch schlagen: zuletzt wird man vermutlich lieber nehmen, was technisch realisierbar ist.
Sonst bleibt ohnehin nur, den Netzpiraten weiterhin ein schlechtes Gewissen zu machen und dem Nutzer einzureden: „Orff gehört Schott und kostet Geld“. Aber davon allein, so kann man sicher sein, wird Peter Hanser-Strecker nicht satt.