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Nachrichten aus dem Asterix-Land

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Über die innovative Arbeit der projektgruppe neue musik bremen
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Seit 1989 gibt es diesen „Verein“, der sich zum Ziel gemacht hat: „Zusammen mit dem Publikum sollen Theorien und Eindrücke an konkreten zeitgenössischen Kompositionen entwickelt und diskutiert werden. Die Verschränkung von Theorie und Praxis verstehen wir als den unverzichtbaren Anspruch der Arbeit.“ Zu diesem Zweck versammeln sich seit 1991 Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen zur Diskussion auf der Jahrestagung dieser Projektgruppe: Komponisten und Musiker, Journalisten und Musikliebhaber, Wissenschaftler zum Beispiel aus Musik, Soziologie, Kunstgeschichte, Philosophie, Theologie, Pädagogik. Sie streiten über Fragen zeitgenössischer Musikproduktion. Man startete ’91 mit „JETZT das Streichquartett“, es folgten „Das Eigene und das Fremde“ (‘92), „Am eigenen Leib – Für eine andere Wahrnehmung“ (’93), „Zeit ohne Kronos“ (’94), „Präsenz des Schweigens“ (’95), „…das Ungedachte zu umreißen Todesmetaphern in zeitgenössischer Musik“ (’96), „Total recall – Erinnern/Vergessen – Speichern/Löschen“ (’97), „Das Rohe und das Gekochte. Zur Dialektik von Mythos und Moderne in zeitgenössischer Musik“ (’98) und in diesem Jahr „Transit. Orte/NichtOrte. Raumerfahrungen in zeitgenössischer Musik“.

Es gibt nur wenige Veranstaltungen im Bereich der Neuen Musik, die sich dem Uraufführungszwang widersetzen können und wollen. Die Uraufführung von gestern ist heute schon häufig im Niemandsland der Geschichte verschwunden. Allenfalls sogenannte Retrospektiven zerren Vergangenes wieder ans Licht. Die Arbeit der „projektgruppe neue musik bremen e.v.“ ist von einem ganz anderem Geist beseelt. Seit 1989 gibt es diesen „Verein“, der sich zum Ziel gemacht hat: „Zusammen mit dem Publikum sollen Theorien und Eindrücke an konkreten zeitgenössischen Kompositionen entwickelt und diskutiert werden. Die Verschränkung von Theorie und Praxis verstehen wir als den unverzichtbaren Anspruch der Arbeit.“ Zu diesem Zweck versammeln sich seit 1991 Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen zur Diskussion auf der Jahrestagung dieser Projektgruppe: Komponisten und Musiker, Journalisten und Musikliebhaber, Wissenschaftler zum Beispiel aus Musik, Soziologie, Kunstgeschichte, Philosophie, Theologie, Pädagogik. Sie streiten über Fragen zeitgenössischer Musikproduktion. Man startete ’91 mit „JETZT das Streichquartett“, es folgten „Das Eigene und das Fremde“ (‘92), „Am eigenen Leib – Für eine andere Wahrnehmung“ (’93), „Zeit ohne Kronos“ (’94), „Präsenz des Schweigens“ (’95), „…das Ungedachte zu umreißen Todesmetaphern in zeitgenössischer Musik“ (’96), „Total recall – Erinnern/Vergessen – Speichern/Löschen“ (’97), „Das Rohe und das Gekochte. Zur Dialektik von Mythos und Moderne in zeitgenössischer Musik“ (’98) und in diesem Jahr „Transit. Orte/NichtOrte. Raumerfahrungen in zeitgenössischer Musik“. Man kann sich eigentlich keine würdigere Form der gegenwärtigen ästhetischen Auseinandersetzung vorstellen. Das erinnert teilweise an schon totgeglaubte Formen der bürgerlichen Öffentlichkeit wie zum Beispiel den Lektüre-Zirkel. Unausgesprochen gilt das Motto der „Ungezwungenheit“. Jeder hat das Recht zu fragen und zu sprechen, seine Vorstellungen und Eindrücke zum Ausdruck zu bringen und sich der Diskussion zu stellen. Die Veranstalter versuchen dabei, alle Beteiligten möglichst lange und ausdauernd bei der Stange zu halten. Man geht nach den Vorträgen oder Diskussionen nicht auseinander, sondern bleibt in der Regel zusammen: Beim Kaffee oder Abendbrot, beim Frühstück oder in der Kneipe – man bleibt gerne am Ball und vertieft die Erfahrungen aus den Veranstaltungen und Konzerten in kleineren Gruppen. Aber niemand wird dazu gezwungen. Es ist ein Symposium im besten platonischen Stile.

Die Finanzierung dieser Tagung ist ein Akt der Selbstkasteiung und des modernen Wirtschaftstyps. Zwar teilt der Bremer Senat der Projektgruppe einen Beitrag zu, aber zu diesem Betrag von etwa 110.000 Mark (zusammengesetzt aus Kultur: 70.000 Mark und Wirtschaft: 40.000; wobei „Wirtschaft“ sich ausklinken wird) schafft man es zirca weitere 50.000 Mark aus Sponsoren herauszuholen. Doch das sind alles Gelder, auf die sich die Projektgruppe nicht verlassen kann. Dabei geht kein Pfennig für Personalkosten der Projektgruppe verloren. Mit anderen Worten: Man arbeitet, schöngeredet, ehrenamtlich; besser gesagt: man verschenkt sich; ehrlich gesagt: man beutet sich selbst aus. So berühren die finanziellen Belange leider auch die thematische Arbeit. Einerseits ist man darum bemüht, aktuelle ästhetische Fragen anzugehen, andererseits verlangen viele potentielle Geldgeber eine jahrelange Vorplanung. Letzteres würde sicherlich der Sprengkraft und Aktualität der Veranstaltung nicht zugute kommen. Anders herum ist man permanent geplagt von der Unabdingbarkeit der Geldbeschaffung, die dann die theoretische Vorbereitungszeit auffrisst. Ein anderes Problem kommt hinzu. Die Teilnehmerzahlen sind über die letzten Jahre offensichtlich rückgängig (wobei die Konzerte regelmäßig außerordentlich gut besucht werden). Erklären kann dies niemand, weil man diejenigen, die nicht kommen ja auch schlecht befragen kann. Deshalb steht jedes Jahr die Durchführung der nächsten Tagung infrage. Natürlich wäre es besser, wenn es zu festen Finanzierungszusagen aus weniger wackeligen Töpfchen kommen würde. Möglicherweise kann das geplante neue Stiftungsrecht eine bessere Lösung erbringen. Doch bis dahin ist es ein weiter Hungermarsch, vielleicht ein zu langer.

Auf ein altes Problem wies übrigens schon Martin Thrun 1994 in der Zeitschrift „Musikforum“ hin: „Allemal setzen Mottos und Projekttitel den Fest- und Konzertprogrammen unweigerlich Rahmenbedingungen und zwingen die Werke in eine vorgefertigte Konzeption hinein, in der sie unter der Last der verkündeten Parolen ihre Autonomie zum Vorschein bringen müssen. Meist sollen sie hier für etwas einstehen, was bereits im Motto selbst gesagt ist und sie nun auf ihre Weise ausfüllen sollen.“

Dieses Problem zeigte sich auch bei der diesjährigen Tagung, wo die Raum-Metapher schließlich so weit aufgeweicht wurde, dass sie alles und damit nichts mehr umfasste. Ja, vieles wurde zur Metapher stilisiert und damit ins virtuelle Nichts der „nachpostmodernen“ Ästhetik verwiesen. Unrecht hat Thrun mit dem Vorwurf der Beliebigkeit der Themen. Denn: Eigentlich sind es nicht die Themen, die die Faszination dieser Tagung ausmachen, sondern die Struktur der Tagung selbst. Darum soll nichts weiter über die diesjährige Veranstaltung berichtet werden.

Denn das hieße schließlich, einen Prozess festzusetzen. Damit würde man vollkommen die Intention dieser Veranstaltung aushebeln. Man hat nur etwas davon, wenn man teilnimmt. Nicht, wenn man im „Focus“-Stil „ein Ergebnis“ modern-hirngerecht zusammenpüriert.

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