Seit zehn Jahren hat Berlin seine Musikakademie. Die Aktivitäten des LandesMusikRats Berlin, eine Musikakademie zu gründen, reichen jedoch bis in die 80er-Jahre zurück. Im ehemaligen West-Berlin wurden die unterschiedlichsten Standorte in Erwägung gezogen, dann kam die Wende und die Karten mussten noch ein Mal völlig neu gemischt werden. Mit dem Freizeit- und Erholungszentrum – kurz FEZ-Berlin in der Wuhlheide – hat sich dann ein Ort angeboten, der nicht nur für Kinder- und Jugendarbeit weiter entwickelt werden, sondern auch noch ein zusätzliches Standbein, die Landesmusikakademie Berlin, erhalten sollte. Damit war dann die Gründung 1995 möglich. Zum zehnjährigen Jubiläum sprach die neue musikzeitung mit dem Geschäftsführer der Landesakademie, Joachim Litty.
neue musikzeitung: Auf wessen Initiative ging die Gründung zurück?
Joachim Litty: Das war die Initiative des LandesMusikRats, auch mit Blick auf die anderen Bundesländer eine Akademie für die Laienmusikszene Berlins vorzuhalten. Hervorzuheben ist das Engagement von Dr. Fried Weisbrod, der lange Zeit Präsident des LandesMusikRats Berlin war und früh die Notwendigkeit einer Musikakademie im Land Berlin gesehen hat.
: Lassen sie uns über ihre Person reden. Wie kamen Sie zur Berliner Landesakademie?
: Ich selbst bin studierter Schulmusiker, ich spiele Sopran-, Alt- und Bariton Saxophon und Klarinette. Nach dem ersten Staatsexamen studierte ich ein Jahr in Amerika am Creative Music Studio in Woodstock, Upstate New York, vor allem Improvisation und Komposition. Als ich dann nach Berlin zurück kam, war Schule für mich keine wirkliche Alternative mehr, sondern ich lebte als freier Musiker und Instrumentallehrer – unter anderem mit der Fachbereichsleitung für Populäre Musik an einer Berliner Musikschule. Ich hielt die Augen jedoch immer nach Alternativen offen, 1995 bot sich dann bei der Neugründung der Akademie die Besetzung der stellvertretenden Leitung an, worauf ich mich beworben habe. Das Profil, das ich einbringen konnte, war offensichtlich passend, ab Dezember 1995 war ich stellvertretender Leiter der Landesmusikakademie. Als die Leiterstelle dann 1997 vakant wurde, lag natürlich nichts näher, als sich auch dafür zu bewerben – und so bin ich bis heute in dieser Position tätig.
: Wie würden Sie das Profil der Berliner Musikakademie beschreiben?
: Eine Akademie im urbanen Umfeld muss meiner Meinung nach auf die musikalischen Strömungen einer Metropole Bezug nehmen. Darin unterscheidet sie sich von Akademien, die den Anforderungen eines Flächenstaates entsprechen müssen. Auf Tendenzen zum Beispiel aus Rock-, Jazz- oder Weltmusik muss man hier als Musikakademie auf besondere Weise reagieren. Ich denke auch, dass sich die Laienmusik in diesen Bereichen völlig neu strukturiert, da sie sich nicht so sehr in traditionellen Verbänden oder Vereinen organisiert.
Darüber hinaus verfolgen wir mit unseren Angeboten gerade für Multiplikatoren eine stark musikpädagogische Ausrichtung, die Kooperation mit dem FEZ-Berlin über moderierte Konzerte für Schulklassen und Festivals verleiht uns zusätzliches Profil.
: Ihre Akademie hat eine Eigenheit. Sie gehört zur Millionenstadt Berlin, ist aber in einem Waldpark in Köpenick im Südosten Berlins gelegen. Sehen Sie die Tatsache, dass man zu Ihnen in die Akademie eine halbe Stunde aus Berlin herausfahren muss, eher als Hemmschuh oder als Chance?
: Eine halbe Stunde Fahrzeit ist kein Hemmschuh. Wir sind inzwischen sehr gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und über die Autobahn zu erreichen, außerdem stehen meiner Einschätzung nach selbst 60 Minuten Zeit für die Anreise zu einer Tagesveranstaltung in einem angemessenen Verhältnis. Und dann in grüner Umgebung mit guter Infrastruktur zu tagen – das ist eine Chance im urbanen Berlin. Leider haben wir immer noch kein Gästehaus, wobei wir im Augenblick sehr konkret mit dem Deutschen Jugendherbergswerk über ein Objekt im unmittelbaren Umfeld verhandeln. Aber, Berlin ist ja notorisch Pleite, und somit ist es nicht leicht, die entsprechenden Mittel zu akquirieren.
: Wie wird die Akademie finanziert?
: In erster Linie aus Projektmitteln der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport des Landes Berlin. Etwa 40 Prozent unserer Mittel erwirtschaften wir selbst durch Kursgebühren, Mieten, Nutzungsgebühren für das Tonstudio und Eintrittsgelder.
: Diesen Sommer begehen Sie Ihr zehntes Jubiläum. Was ist geplant?
: Wir werden am 26. August 2005 eine Podiumsdiskussion mit Christian Höppner und Prof. Dr. Heiner Gembris unter Leitung von Theo Geißler mit dem Titel „Laienmusik im urbanen Raum“ durchführen, anschließend wird das Landesjugendorchester spielen und mit seinem Konzert die große Jubliäumsparty einläuten.
: Gibt es Kooperationen zwischen der Musikakademie und anderen Berliner Institutionen?
: Unser Verständnis einer Akademie ist sehr vom Netzwerkgedanken geprägt. Wir sehen uns nicht nur als Fort- und Weiterbildungsinstitution und als künftige Belegakademie, sondern wir wollen darüber hinaus auch Impulse geben. Deswegen steht auch der Kooperationsgedanke mit anderen Institutionen stark im Mittelpunkt.
Neben der Organisation und Durchführung aller Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen für die Berliner Musikschullehrkräfte in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung und der sehr engen Kooperation mit der sozialpädagogischen Fortbildung in der Stadt versuchen wir über Arbeitskreise Akzente zu setzen. Zum Einen bringen wir sämtliche Anbieter von Konzerten für Kinder in Berlin zusammen, und zum Anderen unternehmen wir den Versuch, außerschulische Anbieter musikalischer Inhalte im Zuge der Einführung der Ganztagesschule mit den Schulen zu vernetzen. Gute Kontakte bestehen natürlich auch zu den Hochschulen und zu den Verbänden, Sängerbund und die Jeunesses Musicales seien hier für ihre Aktivitäten an unserem Hause nur beispielhaft erwähnt und dieses Jahr führen wir unser erstes Projekt mit den Berliner Philharmonikern durch.
: Wie sieht es mit den anderen Landesakademien aus?
: Mit den anderen Musikakademien gibt es einen sehr intensiven Austausch. Bis zu zwei Mal jährlich trifft sich der Arbeitskreis Musikbildungsstätten in Deutschland, um Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame Aktivitäten zu planen und umzusetzen. Darüber hinaus existiert ein Internet-Forum, über das die Leiter der Akademien Informationen austauschen können. Zu einigen Akademien, wie Remscheid, Wolfenbüttel, Rheinsberg, Ochsenhausen oder Heek gibt es ganz gezielte Kontakte.