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Futuristisch: die Lichtfenster des Orchesterprobensaals. Foto: Christian POGO Zach
Futuristisch: die Lichtfenster des Orchesterprobensaals. Foto: Christian POGO Zach
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Neuer Zauber kehrt ins Staatstheater ein

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Das Münchner Gärtnerplatztheater zurück zu Hause
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Berlin hat drei, München immerhin zwei Opernhäuser. Mit eindeutiger Arbeitsteilung da wie dort. Staatlich, politisch gewollt sind selbige ebenfalls da wie dort. Bezahlt immer letztlich vom Bürger – via Steuern. Das 152-jährige Münchner Gärtnerplatztheater – zuweilen als Münchens andere Oper tituliert – geht allerdings in Reinkultur auf den Willen aufgeklärter Bürger zurück – und direkt auf deren Geld.

Da war nichts mit blaublütigen Großgeschenken. Als legitimes Unterhaltungstheater konzipiert, auf dessen Intellektualität, Musikalität, Phantasie setzend, erlebte das Haus unvermeidlicherweise Höhen und Tiefen, gute nach mäßige Intendanten, Intellektuelle wie Populisten an der Spitze. Immer auch zählte zur Klientel des Staatstheaters am Gärtnerplatz die Landbevölkerung, die zuweilen in Bussen von weit draußen von den Rändern der Metropolregion München anreiste und nicht grade aus dem Rest der Welt – was das Nationaltheater am Max-Joseph-Platz schon für sich beanspruchen kann. So gab es Italienische Oper in deutsch. Deutsche Oper zuweilen besser als in der Staatsoper. Die Arroganzlinge im Kulturbetrieb zeigten sich peinlich berührt – doch sie werden sich wundern.

Am Gärtnerplatz kehrt neuer Zauber ein. Nach fünfjähriger Generalrenovierung mit angegliederter Erweiterung um Probenbühne und andere Service-Bereiche, die ursprünglich nicht an dieser Stelle Centre Ville vorgesehen waren (was die Bauzeit verlängerte, die Kosten klarerweise nach oben trieb), lässt sich auftrumpfen. So man Hirn hat und Musikalität und Phantasie. Was sich an zwei Feierereignissen zur Wiedereröffnung des neu gemachten Hauses an alter Stelle überprüfen ließ. Der kreisrunde Platz, zentral von frühherbstlicher Blütenpracht in Feierlaune versetzt (was allerdings einer langfristig psychologisch geschickt gesteuerten Kampagne zur Befriedung der militanten Animositäten zwischen den gentrifizierten Neubewohnern des Viertels und angestammter Open-Air-Musik und Drogen konsumierender Klientel zu danken ist, denen das Biwakieren auf der grünen Wiese vermiest wurde mit der Anpflanzung eben dieser höchst artifiziell, jahreszeitlich im Kunstformat wechselnder Flora), dieser Platz also, flankiert von sich gegenüberstehenden Büsten der Architekten Klenze und Gärtner, zeigte sich geflutet von Theaterinteressierten im festlichen Outfit an einem noch sommerlichen Abend. Mit dem Sektglas in der Hand und dem föhnigen Licht im Gesicht. Umtänzelt von Stelzenclowns und anderem theatralen Volk. Die Erwartungen waren groß. Die Begeisterung am Schluss war riesengroß.

Was Köpplinger und Co (Joseph E. Köpplinger als regieführender Staatsintendant) und seiner Mannschaft da gelang, das lässt hoffen. Breit gefächert in Angebot und Ambition, in Dramaturgie und Musikalität, in tänzerischer Professionalität und spielerisch-sängerischer Lust ging es durch den Abend mit Vielfalt am Horizont – wie ja auch ein Blick in den aktuellen Spielplan erkennen lässt. Da war keine Beliebigkeit. Und da ist keine zu erwarten. Musik war da von Stephen Sondheim, John Williams, Rossini, Jerry Block, Kurt Weill, Georges Bizet, Emmerich Kálmán, Mozart, Orff, Verdi, Donizetti, Johann Strauß, Lehár, Henry Mancini und anderen. Da gab es was zu hören, zu sehen, zu spüren, zu erleben – um in Irving Berlins „There’s No Business Like Show Business“ zu gipfeln. Für die individuelle Steuerung der Gefühle hatte jeder Besucher beim Betreten des Hauses ein wunderschönes Taschentuch geschenkt bekommen mit der Aufschrift „Für Ihre Emotionen“. Deren Steuerung hatte dann allerdings auch ein gebührender Aufmerksamkeitsanteil zu gelten. Für das, was da Solisten, Tänzer, Sänger boten (stellvertretend Jennifer O’Loughlin mit ihrem Koloraturenwahnsinn aus Linda di Chamounix von Donizetti und Mathias Hausmann sowie Levente Páll mit musikantisch-locker-überprofessionellem, lustvoll-spielerischem Gestus, ebenfalls Donizetti, hier Don Pasquale). Der Chor war groß, der Kinderchor wunderbar, das Ballett phänomenal. Dass das Orchester bei der sehr direkten Akustik zuweilen scharf und wenig inniglich klingt – was bei der einen Lehár- oder der anderen Mozart-Stelle wünschenswert wäre – geschenkt.

Der frische Lack des neuen Hauses wird rau werden, was nicht ohne Einfluss auf die Akustik bleiben kann. Das neue Einleben in den Saal wird für positive Routine sorgen. Und das Gärtnerplatztheater wird als unverwechselbarer Spielort gehobener Unterhaltung wie engagierter Musiktheatralik unübersehbar und unüber-hörbar neuerlich mitspielen in der Stadt. Und weit darüber hinaus. An seiner Stelle. Und nicht mehr an verschiedenen Orten. Denen das fünfjährige Gärtnerplatztheater-Gastieren an Ersatzspielorten, die dergestalt ins Bewusstsein der Stadt hineingewachsen sind, gut getan hat. Und dem Gärtnerplatztheater seinerseits hat die Anforderung an Beweglichkeit gut getan.
 

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