Immer wieder bereitet es gestandenen Institutionen Probleme, wenn es ihnen nicht gelingt, langfristige Förderungen zu erhalten. Alle Jahre wieder wird dann eine energiefressende Bürokratie angeworfen, an deren Ende ein unvorhersehbares Ergebnis steht. So musste die „Klangwerkstatt Berlin“ erstmalig seit 25 Jahren ihr herbstliches Festival aussetzen. Der Protest dagegen formiert sich.
Die Gesellschaft für Neue Musik (GNM), die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) und einzelnen Künstler versuchen die Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Europa umzustimmen. „Hohe Qualität in diesem Bereich ist mit Einzelevents nicht zu erreichen, sondern erfordert kontinuierliches und vorausschauendes Handeln“, sagt der Kompositionslehrer an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Orm Finnendahl. Seien offenen Brief publizieren wir an dieser Stelle.
Sehr geehrter Herr Dr. Lederer,
mit großer Bestürzung habe ich erfahren, dass die Klangwerkstatt Berlin in diesem Jahr aufgrund fehlender Finanzierung abgesagt werden musste.
Seit ihrer Gründung vor über 25 Jahren ist dieses Festival eines der herausragenden Beispiele dafür, dass sich eine zukunftsoffene, experimentierfreudige künstlerische Arbeit auf höchstem Niveau mit einer breitenwirksamen, an der Basis ansetzenden Kulturarbeit hervorragend verbinden lässt. Als Mitwirkender und Leiter in der Gründungsphase habe ich durch die Klangwerkstatt künstlerische Impulse erhalten, die mich nachhaltig und maßgeblich bereichert haben und mich bis heute in meiner kompositorischen Arbeit begleiten.
Über die letzten Jahrzehnte habe ich die Aktivitäten der Klangwerkstatt aufmerksam verfolgt und es ist einerseits auffallend, wie viele Beteiligte, die dort ihre ersten Erfahrungen mit zeitgenössischer Musik gesammelt haben, im weiteren Verlauf prominente Akteure wurden. Und zugleich ist auch bemerkenswert, wie viele zum Zeitpunkt ihrer Mitwirkung bereits bekannten Komponisten und Instrumentalisten sich immer wieder mit großer Begeisterung an speziell für das besondere Format entwickelten Uraufführungen beteiligt haben. Ich kenne auch im internationalen Maßstab kein vergleichbares Unterfangen von dieser Konstanz.
Aus meiner Sicht hat gerade solch eine Veranstaltungsform durch ihren einzigartigen Charakter eine herausragende kulturpolitische Bedeutung, die der Stadt abseits des kulturellen Mainstreams ein Alleinstellungsmerkmal verschafft, das für die Außenwirkung nicht unterschätzt werden darf.
Zugleich ist Neue Musik auf eine langfristige Arbeit dringend angewiesen: Hohe Qualität in diesem Bereich ist mit Einzelevents nicht zu erreichen, sondern erfordert kontinuierliches und vorausschauendes Handeln. Dies berücksichtigend war die Arbeit an vielen der geplanten Veranstaltungen für dieses Jahr bereits angelaufen und muss nun ohne Aussicht auf Verwirklichung abgebrochen werden. Es zeigt sich einmal mehr, dass Einzelprojektförderungen für solch eine Veranstaltung das völlig falsche Format sind.
Insofern appelliere ich an Sie als Mitverantwortlichem für die Kulturförderung der Stadt, sich mit aller Kraft dafür einzusetzen, dieses Festival aus seiner prekären Abhängigkeit von Projektförderungen herauszulösen und in eine verlässlichere Förderungsstruktur einzubinden.
Mit freundlichen Grüßen, Orm Finnendahl
Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main
Weitere Protestbriefe finden Sie auf der Website der Klangwerkstatt Berlin