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Positives Klima

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Rolf Bolwin, Deutscher Bühnenverein
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Seit dem 1. Januar 1992 ist Rolf Bolwin Geschäftsführender Direktor des Deutschen Bühnenvereins. Ferner ist Bolwin Mitherausgeber des im Decker-Verlag erschienenen Kommentars zum Bühnen- und Tarifrecht. Mit zahlreichen Publikationen hat er sich zudem in den letzten Jahren an der öffentlichen Debatte um die zukünftige Struktur der Staats- und Stadttheater beteiligt. Die Ziele des Deutschen Bühnenvereins sind griffig formuliert: „Der Deutsche Bühnenverein hat das Ziel, die einzigartige Vielfalt unserer Theater- und Orchesterlandschaft und deren kulturelles Angebot zu erhalten, zu fördern und zu pflegen. In diesem Sinne versteht sich der Bühnenverein als ein Theatererhalterverband, aber auch als ein Zusammenschluss, der Kunst und Kultur als unverzichtbaren Bestandteil städtischen Lebens in das Zentrum seines Bemühens stellt.” Die Redaktion der nmz sprach mit Rolf Bolwin darüber, wie weit Ziel und Realität übereinstimmen.

: Viele deutsche Theater leiden bittere Not. Kulturhaushalte werden überproportional gekürzt, man denke an das aktuelle Beispiel Halle an der Saale. Wie hält der Deutsche Bühnenverein gegen diesen Trend?
Rolf Bolwin: Zunächst durch Überzeugungsarbeit vor Ort. Wir versuchen, die Politik davon zu überzeugen, dass Sparen an der Kunst der Stadt und ihrem Ansehen in der Öffentlichkeit schadet. Kunst steht für Kreativität und Phantasie, für Reflexion und Diskurs. Will eine Stadt im öffentlichen Raum auf all dies nicht verzichten, muss sie ihre Kultureinrichtungen erhalten, also auch weitgehend finanzieren. An einigen Standorten ist die Lage so schwierig, dass nur durch lokale Bündnisse für Arbeit und Kultur, das heißt durch Haustarifverträge mit Gehaltsverzicht gegen Arbeitsplatzsicherung die Probleme zu lösen sind.

: Sind Haustarifverträge und betriebliche Vereinbarungen wirklich das einzige Mittel, „die einzigartige Vielfalt unserer Theater- und Orchesterlandschaft und deren kulturelles Angebot zu erhalten?“
: Ernsthaft sparen kann man bei Theatern und Orchestern – wie in anderen Unternehmen – nur bei den Personalkosten. Lohnkürzungen sind jedoch nur in Grenzen eine Lösung. Man kann die Löhne nicht immer weiter herunterfahren, sie sind ja meist ohnehin nicht sehr hoch. Letztlich muss es darum gehen, überall einen Stand zu erreichen, dass Eigeneinnahmen und öffentliche Finanzierung den Erhalt des Theaters und des Orchesters sicherstellen. Das wird mancherorts nur durch Bündelung der Ressourcen, also durch mehr Kooperation bis hin zum Zusammenschluss von Betrieben, zu erreichen sein. Manches Theater oder Orchester in den neuen Bundesländern hätte ohne eine Fusion nicht überlebt.

: Bei unseren Lesern ist das nicht so im Bewusstsein, aber der DBV ist auch ein Musikverband. Würden Sie dem zustimmen?
: Sicher, dem Bühnenverein gehören 79 Opernhäuser und 97 Orchester an. Zusätzlich sind die Rundfunkorchester durch eine Mitgliedschaft der meisten ARD-Anstalten an den Bühnenverein angeschlossen. Die hohe Anzahl der Mitglieder aus dem Bereich der Musik hat letztlich dazu geführt, dass die Alltagsprobleme des Musiklebens, vor allem in organisatorischen, rechtlichen und tariflichen, aber auch politischen Fragen uns am meisten beschäftigen. Wir haben ja gerade deshalb in der letzten Hauptversammlung in Dresden unseren Namen geändert in „Deutscher Bühnenverein – Bundesverband der Theater und Orchester“. Außerdem wurde ein Ausschuss eingerichtet, der sich vor allem mit Orchesterfragen beschäftigt.

: Welche Hoffnungen weckt eine Große Koalition bei Ihnen?
: Dass man sich endlich der zahlreichen gesetzlichen Probleme annimmt, die von den Theatern und Orchestern seit Jahren beklagt werden. Um gesetzlichen Auflagen zu genügen, betreiben wir einen administrativen, besser gesagt einen bürokratischen Aufwand ohnegleichen. Dieselben politischen Parteien, die uns in den Kommunen und Ländern die Gelder streichen, verursachen als Bundesgesetzgeber täglich neue Kosten. Das kann so nicht weitergehen. Außerdem sollte der Bund sicherstellen, dass Ländern und Städten die Gelder zur Verfügung stehen, die sie benötigen, um ihre Kultureinrichtungen zu finanzieren.

: Welche neuen Impulse erhoffen Sie sich von einem neuen/einer neuen Staatsminister/-in für Kultur?
: Er (oder sie) sollte für ein kulturpolitisch positives Klima sorgen, sollte klar machen, welche Bedeutung Kunst und Kultur hierzulande haben. Und er sollte denen entgegentreten, die mit den absurdesten Behauptungen unsere öffentlichen Kultureinrichtungen in Grund und Boden quasseln. Gerade vom Bundeskulturbeauftragten muss man hohe Sachkompetenz erwarten dürfen. Er muss der oberste Sachwalter in kulturellen Angelegenheiten sein. Und er muss die kulturellen Interessen der Bundesrepublik Deutschland sowie die Interessen ihrer Kultureinrichtungen effektiv im Ausland vertreten.

: Hauptaufgabe des DBV ist die Tarifpartnerschaft. Doch die Zusammenarbeit mit ver.di scheint ein Problem. Warum?
: Der Bühnenverein ist ja zunächst einmal ein Kulturverband, der sich für den Bestand und die Fortentwicklung seiner Theater und Orchester einsetzt. Erst in zweiter Linie ist er Tarifpartner. In dieser Funktion handeln wir für die Arbeitgeberseite die Tarifverträge aus, in denen die Arbeitsbedingungen des künstlerischen Personals, also der Schauspieler, Sänger, Tänzer, Musiker und künstlerischen Bühnentechniker festgelegt werden. Unsere Partner sind die Künstlergewerkschaften, die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA), die Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer (VdO) und die Deutsche Orchestervereinigung (DOV). Das Theaterbetriebspersonal hingegen arbeitet nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes, die mit ver.di vereinbart sind. Wir halten das nicht mehr für zeitgemäß, was auf den scharfen Widerspruch von ver.di stößt. Das ist der Konflikt, um den es geht.

: Wer sind außer ver.di noch weitere „Bundesgenossen“ im Kampf um den Erhalt von Theater- und Orchesterkultur?
: Natürlich die Künstlergewerkschaften, aber zugleich alle, die wissen, dass es ohne Kunst und Kultur nicht geht.

: Früher waren es die Bürgermeister, die die Präsidenten stellten. Heute sind es die Intendanten: August Everding (1989–1999), Jürgen Flimm (1999–2003), Klaus Zehelein (ab 2003). Wären die Stadtoberen nicht näher an dem, was allen heute fehlt, nämlich dem Geld.
: Am Tisch des Bühnenvereins sitzen nicht nur die Theater und Orchester, sondern auch die Kommunen und die Länder, deshalb könnten sie selbstverständlich genauso gut den Präsidenten stellen. In diesen schwierigen Zeiten hat man sich jedoch immer wieder darauf verständigt, eine Künstlerpersönlichkeit an die Spitze des Bühnenvereins zu berufen, weil sie bedingungsloser für Kunst und Kultur streiten kann. Und ich glaube, dass dies eine richtige Entscheidung war.

: Sie sind Mitglied des Ausschusses der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände für Sozialpolitik in der Europäischen Union. Von 2002 bis zu diesem Jahr Präsident der Performing Arts Employers Associations League Europe (PEARLE*), dem Dachverband der europäischen Arbeitgeberverbände für Theater und Orchester.
Was bedeutet Europa für die deutschen Theater und Orchester?
: Europa wird im Gesetzgebungsbereich immer wichtiger, deswegen haben wir uns mit den Theater- und Orchesterverbänden zu Beginn der 90er-Jahre zu PEARLE* zusammengeschlossen. So können wir auf europäischer Ebene effektive Lobbyarbeit leisten.
Darüber hinaus verbinden Kunst und Kultur, unsere großen kulturellen Gemeinsamkeiten, die europäischen Länder zu einem vereinigten Europa, darauf müssen wir uns immer neu besinnen.

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