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Dunkel in Berlin. Es leuchten die Leuchttürme. Foto: Hufner
Song zum Fall des Eisernen Vorhangs: «Wind of Change» wird gefeiert. Foto: Hufner
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Song zum Fall des Eisernen Vorhangs: «Wind of Change» wird gefeiert

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Hannover - Eigentlich waren sie nicht dafür prädestiniert, den Soundtrack zum Ende des Kalten Krieges zu schreiben. Doch die Scorpions aus Hannover landeten mit «Wind of Change» den Welthit zur Wende. Aber stammt die Ballade wirklich aus der Feder von Klaus Meine?

Soundtrack zum Ende des Kalten Krieges, Friedensballade und Mauerfall-Hymne: So wird der Song «Wind of Change» beschrieben, den der Sänger der legendären deutschen Rockband Scorpions im September 1989 komponierte. Klaus Meine saß in seinem Homestudio auf dem Land, in der Wedemark bei Hannover. «Da, wo halt solche Welthits entstehen», sagt der 72-Jährige lächelnd. Weil er gerade keine Gitarre zur Hand hatte, pfiff er das Intro - eine Melodie, die nur schwer aus dem Kopf zu bekommen ist. 792 Millionen Aufrufe hat das Video zu «Wind of Change» allein bei YouTube, unzählige TV-Dokumentationen vom Fall des Eisernen Vorhangs wurden damit musikalisch untermalt.

Zuletzt hat ein skurriles Gerücht von New York bis Sydney für zusätzliche Aufmerksamkeit gesorgt. Der Journalist Patrick Radden Keefe habe ihn Anfang des Jahres damit konfrontiert, dass seine Ballade eigentlich vom US-Geheimdienst CIA geschrieben worden sei, erzählt Meine. «Erstmal habe ich laut gelacht. Ich habe das nicht ernst genommen, aber wir leben ja in Zeiten, wo diese Verschwörungstheorien total aufgesogen werden.» Radden Keefe hatte vor Jahren gehört, dass die CIA den Song in die Welt gesetzt habe, um den Ostblock für den westlichen Lebensstil zu begeistern. Aus seinen Recherchen machte er einen Podcast.

«Außerdem, glaube ich, wäre das auch viel eher ein Thema für den KGB gewesen, weil der Song wie ein Stadtführer durch Moskau ist», sagt Meine. Inspiriert hatte ihn der Auftritt der Scorpions beim Moscow Music Peace Festival vor rund 250 000 Zuschauern im Moskauer Lenin Stadion - «wie ein russisches Woodstock mit Fans aus dem gesamten Ostblock». Als Sicherheitsdienst eingesetzte Soldaten feierten mit den Fans. Glasnost und Perestroika lagen in der Luft. Der Song erschien erstmals auf dem Album «Crazy World» im November 1990 - zum Jubiläum bringt die Band am 3. Oktober das Box-Set «Wind of Change: The Iconic Song» heraus.

Das Jubiläum hätten die Bandmitglieder nach eigener Aussage fast vergessen, denn sie tüfteln seit Beginn der Corona-Krise in den Peppermint Park Studios in Hannover an einem neuen Album. Star-Produzent Greg Fidelman wurde aus Los Angeles per Zoom zugeschaltet, Bassist Pawel Maciwoda aus dem polnischen Krakau und Schlagzeuger Mikkey Dee aus Göteborg in Schweden.

Die Scorpions begeistern auf allen Kontinenten mit ihrer Energie auf der Bühne, auch noch im gesetzten Alter über 60 und 70. Neben «Still Loving You» und «Rock You Like a Hurricane» darf «Wind of Change» in keinem Set fehlen. Waren sie nie des Songs überdrüssig? «Der Song ist der Soundtrack für die wohl friedvollste Bewegung, die es jemals auf der Welt gegeben hat», sagt Bandgründer Rudolf Schenker (72). ««Love, Peace & Rock 'n' Roll» ist unsere Devise. Der Song ist ein Teil von uns geworden, von unserer Philosophie, nämlich um die Welt zu reisen, Brücken zu bauen und Menschen mit Musik zu verbinden.»

Inzwischen ist «Wind of Change» auch so etwas wie deutsches Liedgut. Vor ihrem Wechsel als EU-Kommissarin nach Brüssel wünschte sich Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen beim großen Zapfenstreich den Wende-Hit vom Stabsmusikkorps der Bundeswehr.

Und für die Aktion «3. Oktober - Deutschland singt» wurde «Wind of Change» ebenfalls ausgewählt, als einer von zehn Songs neben «Der Mond ist aufgegangen», «Amazing Graze» oder «We Shall Overcome». Musiker aus ganz Deutschland beteiligen sich an dem offenen Singen bei Kerzenlicht, das an die Friedliche Revolution und deutsche Wiedervereinigung vor 30 Jahren erinnern soll. «Ich finde es schön, wenn Chöre und Sänger - die junge Generation - «Wind of Change» performen», sagt Meine. Das Lied beschreibe authentisch alles, was die Band in Moskau erlebt habe, den Schrei nach Freiheit, das Gefühl der Hoffnung.

In der Corona-Krise hat der Scorpions-Sänger den Song «Sign of Hope» geschrieben, die Einnahmen daraus spende die Band, erzählt Meine. Gitarrist Matthias Jabs sagt: «Wir selbst können entschleunigt im Lockdown an unserem Album arbeiten. Aber unsere Mitarbeiter, die sonst mit uns auf Tour sind, können im Moment nichts machen.» Der 64-Jährige findet, dass etwa Menschen aus dem Kulturbereich zurecht ihren Unwillen äußern. «Es gibt Leute, die sind jetzt pleite oder arbeitslos, obwohl sie noch nie einen mit Corona kennengelernt haben», sagt Jabs.

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