München/Frankfurt - Mit Songs wie «The Wall» schrieb die britische Band Pink Floyd Rockgeschichte. Nun gibt es Ärger um den einstigen Frontmann Roger Waters. Es geht um Antisemitismus und Israelfeindlichkeit. Städte wollen seine Konzerte absagen - doch ist das wirklich möglich?
Muss eine Stadt einen Musiker in ihrer Halle auftreten lassen, den Kritiker als Antisemiten einstufen und der bei Konzerten schon mal einen Ballon in Form eines Schweins mit dem Symbol des Davidsterns aufsteigen lässt? Vermutlich ja. Denn die rechtlichen Möglichkeiten, Auftritte unliebsamer Künstler abzusagen, sind gering, wie die Debatte um Auftritte von Roger Waters deutlich macht. In allen fünf Städten der im Mai geplanten Deutschlandtournee des 79-Jährigen gibt es Proteste, München und Frankfurt haben konkrete Pläne für Absagen. Waters und sein Team haben angekündigt, notfalls vor Gericht zu ziehen.
Die Stadt München will das Konzert des Pink-Floyd-Mitbegründers am 21. Mai in ihrer Olympiahalle deshalb verhindern und befasst sich damit im Stadtratsplenum am kommenden Mittwoch. Frankfurt ist einen Schritt weiter. Der Magistrat beschloss bereits im Februar im Einvernehmen mit der hessischen Landesregierung, das Konzert am 28. Mai in der Festhalle abzusagen. Beide sind Gesellschafter der Messe und haben diese angewiesen, den Vertrag «unverzüglich aus wichtigem Grund außerordentlich zu kündigen». Das Schreiben gibt es bereits, doch noch liegt es bei den Gesellschaftern zur Freigabe.
Die Gründe, warum die Kommunen Waters ausladen möchten, ähneln sich. Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle nannte den Rockmusiker einen exponierten Unterstützer der BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen), die wegen der Palästinenserpolitik zum Boykott des Staates Israel und seiner Güter aufruft. Zudem habe er sich «pro Putin», zugunsten des russischen Präsidenten geäußert.
Auch Frankfurt monierte ein «anhaltend israelfeindliches Auftreten» des Sängers. Zudem ist die Festhalle, wo Waters auftreten will, vorbelastet. Nach der Pogromnacht 1938 wurden jüdische Männer dorthin gebracht, misshandelt und später in Konzentrationslager deportiert. Und unweit der Münchner Olympiahalle im Olympischen Dorf verübten palästinensische Terroristen bei den Sommerspielen 1972 ein Attentat auf das israelische Team, bei dem elf Sportler und ein Polizist starben.
Aber kann die öffentliche Hand Auftritte deshalb in ihren Räumen untersagen? Juristen betonen die hohe Stellung der Meinungsfreiheit und verweisen auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2022 (AZ.: 8 C 35.20). Das Gericht verpflichtete die Stadt München darin, einer Veranstaltung zur BDS-Bewegung einen Saal zur Verfügung zu stellen. Eine Verweigerung des kommunalen öffentlichen Tagungsortes sei rechtswidrig, weil sie das Grundrecht der Meinungsfreiheit verletze, hieß es im Urteil. Eine Grenze werde erst dann überschritten, wenn Meinungsäußerungen die geistige Sphäre einer Diskussion verließen und erkennbar in Gefährdungslagen umschlügen.
Zu diesem Schluss kommt auch der Gießener Rechtswissenschaftler Maximilian Roth. «Das eine ist das Leben der Künstler, das andere ein Konzert, beides hat juristisch zunächst einmal nichts miteinander zu tun. Erst wenn die Äußerungen, Haltungen und Symbole Teil der Kunst werden, kann das ein Einschreiten der Behörden legitimieren», sagte er unlängst der dpa.
Der Kölner Rechtsanwalt Ralf Höcker, der Waters in Deutschland vertritt, wirft den Städten kalkulierten Rechtsbruch vor. Nach aktueller Rechtslage wäre es unrechtmäßig, die Verträge zu kündigen, das sei auch allen bewusst, sagte er. «Hier wird falsch verstandene Symbolpolitik betrieben, die absolut nichts bringt im wichtigen Kampf gegen Antisemitismus, die aber Millionen an Steuergeldern kostet.» Die Kommunen machten sich schadenersatzpflichtig. Die Ticketverkäufe seien massiv eingebrochen. Im Fall von Absagen will er vor Gericht ziehen. Das werde weitere enorme Kosten für die Kommunen nach sich ziehen, etwa für Gutachten und Prozesse. Für Höcker «eine sinnlose Vergeudung von Steuergeldern», die in die Millionen gehen könne.
Der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, sieht in dieser Frage die Gesellschaft in der Pflicht und nicht die Politik. «Es ist nicht Aufgabe des Staates, die Gesellschaft zu erziehen», sagt Mendel unlängst. Politiker dürften natürlich ihre Meinung sagen, aber nicht über Ausladungen von Künstlern entscheiden. Das Weltbild von Roger Waters hält er für «grundfalsch», ist aber dennoch gegen ein Verbot. «Wer sollte das verbieten und mit welchem Grund?»
Fans haben indes auf der Internet-Seite change.org Petitionen für den Pink-Floyd-Mitbegründer Waters gestartet. «Lasst Pink Floyd's Roger Waters in Frankfurt, Deutschland, auftreten», fordern die mehr als 5600 Unterzeichner. Ein Wunsch, der womöglich in Erfüllung geht. «Alle Konzerte in Deutschland werden durchgeführt, der Vorverkauf geht weiter», betonte Höcker.
Gelassen reagiert auch der Tourveranstalter FKP Scorpio Konzertproduktionen in Hamburg. Man habe die Entscheidung «zur Kenntnis genommen», stehe im Austausch mit der Messe und werde sich rechtzeitig bei den Gästen mit weiteren Informationen melden.
[update, 17.3.]
Roger Waters geht juristisch gegen geplante Konzertabsagen vor
London/Köln (dpa) - Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters geht juristisch gegen die behördlichen Absagen seiner Konzerte in München und Frankfurt vor und wehrt sich gegen Antisemitismus-Vorwürfe. «Meine Anwälte leiten Schritte ein, um sicherzustellen, dass meine Konzerte in München und Frankfurt im Mai 2023, wie vertraglich vereinbart, stattfinden», sagte der Musiker einer Mitteilung seines Managements zufolge. Der 79-Jährige wolle sich mit diesem Schritt vor «den verfassungswidrigen Maßnahmen zweier Behörden» schützen. Waters betonte, er sei nicht antisemitisch.
Der Münchner Stadtrat will am 22. März eine mögliche Vertragskündigung für das am 21. Mai geplante Konzert diskutieren und hat die Regierung von Oberbayern um Rechtsprüfung gebeten. Auch in Frankfurt soll das Konzert abgesagt werden. Kritiker werfen Waters vor, die BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) zu unterstützen, die zum Boykott des Staates Israel und seiner Güter wegen der Palästina-Politik aufruft. Bei Konzerten ließ er zudem Ballons in Schweineform mit einem Davidstern aufsteigen. Den Krieg in der Ukraine soll Waters nach Angaben der Münchner Fachstelle für Demokratie damit begründet haben, dass der russische Präsident Wladimir Putin den Faschismus in dem Land bekämpfen wollte.
«Meine allgemeinbekannten Ansichten beziehen sich ausschließlich auf die Politik und die Handlungen der israelischen Regierung und nicht auf die Menschen in Israel», so Waters weiter. «Antisemitismus ist abscheulich und rassistisch, und ich verurteile ihn ebenso vorbehaltlos, wie alle Formen von Rassismus.»
Der Musiker betonte, er sehe sich in seiner Meinungsäußerungsfreiheit beschränkt. «Deshalb ergreife ich diesen Schritt, um sicherzustellen, dass der Wille einiger weniger mich nicht daran hindert, in Frankfurt und München aufzutreten.»