Köln hat eine der lebendigsten und innovativsten Kulturszenen dieses Landes zu bieten. Künstlerische Innovation und relevante Auseinandersetzungen kommen vor allem auch aus der Freien Szene. Doch deren Vielfalt ist mit dem Entwurf des Doppelhaushaltes für 2025/2026 ernsthaft gefährdet. Um mehr als 20% sollen die Mittel für die Freie Szene gekürzt werden.
Die Musik in Köln trifft es dabei besonders hart: bis 2026 soll die freie Musikszene mit fast 27% weniger auskommen als im aktuellen Haushalt. Und das, obwohl die freie Szene dringend eine Aufstockung der Mittel benötigt: ca. 2,8 Millionen Euro mehr als im aktuellen Haushaltsentwurf bräuchte es laut Schätzungen der Initiative Freie Musik (IFM), um die Vielfalt der Szene mit ihren Ensembles, Festivals und Strukturen zu bewahren und zu stärken, Mindesthonorare ohne Beeinträchtigung der Vielfalt der Szene zu etablieren, den Akteur:innen durch mehrjährige Förderungen Planungssicherheit zu gewährleisten und damit das neue Musikförderkonzept umzusetzen, das die freie Musikszene in Zusammenarbeit mit der Kulturverwaltung entwickelt hat. Sogar 3,6 Millionen Euro mehr bräuchte es, wenn wir einen Inflationsausgleich wollen: denn Inflation ohne Ausgleich kommt einer weiteren Kürzung für die freie Szene gleich.
Die Kürzungen schaden sowohl der Innovativität als auch dem reichhaltigen musikkulturellen Erbe Kölns: seit über 100 Jahren hat die Kölner Gesellschaft für Neue Musik durch Konzerte, Diskursformate und Workshops stark dazu beigetragen, dass Köln international als Zentrum der Neuen Musik wahrgenommen wird, und ist ein wichtiges Netzwerk für Kölner Komponist:innen.
Für internationale Sichtbarkeit sorgt auch das Festival für neue und zeitgenössische Musik ACHT BRÜCKEN, bei welchem Kölner Komponist:innen jedes Jahr im Rahmen von ON@ACHT BRÜCKEN ein großes überregionales Publikum erreichen. Sowohl die KGNM als auch ACHT BRÜCKEN stehen jetzt vor dem Aus.
Genauso geht es einigen weiteren Kölner Festivals. Seit ORBIT (ehemals SPARK) steht Köln auch wieder für Musiktheater: das Festival ist nicht nur zu einer neuen unverzichtbaren Plattform für die in Köln noch heimatlose Musiktheaterszene geworden, sondern fördert darüber hinaus auch herausragende künstlerische Innovationen, die Disziplinenverständnisse erweitern. Doch sollte der Haushaltsentwurf vom Stadtrat genehmigt werden, ist die Zukunft des Festivals ungewiss. Zur Wiedereröffnung des Studio für Elektronische Musik erreichen uns bereits jetzt regelmäßig Forschungsanfragen aus der ganzen Welt. Aus dem Erbe des Studios des WDR, das in den 1960er und 1970er Jahren Komponist:innen wie Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez und John Cage anzog, soll ein neuer international ausstrahlender Produktionsort entstehen. Das Interesse ist jetzt schon riesig, doch mit der Streichung der Mittel im kommenden Jahr können wichtige Archivierungs- und Bestandsarbeiten nicht getätigt werden.
Auch die Mittel für die Initiative Freie Musik sollen im kommenden Haushalt halbiert werden. Dabei kann der Wert einer starken Interessensvertretung angesichts der Kürzungen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Damit schwächt die Verwaltung die zentrale Interessensvertretung für die freie Musik. Die in der Konsequenz wegfallende Kleinstförderung der IFM trifft wiederum die Szene selbst.
Mit einigen dieser Akteur:innen arbeitet ON Cologne seit vielen Jahren zusammen, andere haben wir mitgetragen. Diese Beispiele wie auch die anderen betroffenen Festivals und Netzwerke sind erprobte Strukturen, Knotenpunkte regionalen Wissens und internationaler Expertisen und Katalysatoren der freien Szene. Dass die Kölner Stadtverwaltung den Wert dieser Strukturen nicht erkennt und gleichzeitig keinen Spielraum für neue Impulse schafft, lässt uns mit Unverständnis zurück und steht im Widerspruch zu den Prämissen unserer Arbeit als Netzwerkbüro: Nicht nur für die betroffenen Akteur:innen selbst sind die Streichungen eine Katastrophe, sondern für die gesamte Kölner Kulturszene. Weder Künstler:innen noch die Netzwerke und Räume um sie herum arbeiten für sich alleine. Unsere Arbeit entsteht, entwickelt sich, wird relevant durch den Austausch mit anderen. Deswegen werden die Streichungen auch außerhalb unserer eigenen Sparten uns alle ärmer machen.
Die Vielfalt der Musikstadt Köln steht auf dem Spiel. Schon jetzt sehen die Arbeitsbedingungen für freischaffende Musiker:innen und Komponist:innen prekär aus: Förderprogramme auf Landes- und Bundesebene schrumpfen, in der Folge müssen immer höhere Summen an Drittmitteln zusätzlich beschafft werden. Kurzzeitige Förderungen erschweren längerfristige Perspektiven, und späte Förderbescheide lassen vermehrt Planungen platzen. Es stimmt, dass Künstler:innen mit wenig Mitteln viel leisten: mit aktuell nur 5% des Kulturhaushalts stellt die freie Szene 60-80% des Kulturangebots der Stadt. Doch mit dem neuen Haushaltsentwurf ist eine Grenze überschritten. Wenn wir den freischaffenden Musiker:innen in Köln nichts bieten, werden wir sie verlieren. Und damit einen großen Teil dessen, was unsere Stadt so lebenswert macht.
Die aktuelle Haushaltskrise betrifft uns alle und auch die Kultur wird ihren Teil dazu beitragen müssen. Nachhaltige Sparpolitik misst sich dabei daran, ob sie Handlungs- und Zukunftsfähigkeit möglich macht. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, wenn Strukturen aufgekündigt, Kürzungen vor allem auf den Schultern der freien Szene ausgetragen und Künstler:innen der Prekarität überlassen werden. Damit fügen wir der Attraktivität des Kölner Kulturlebens nachhaltig Schaden zu – sowohl aus Sicht der Kulturschaffenden als auch der Kölner Bürger:innen und der Tourist:innen, die Köln für sein vielfältiges Kulturleben schätzen.
Wir appellieren also an die Fraktionen: lassen Sie die freie Szene nicht im Regen stehen, bewahren Sie Strukturen, die wir noch brauchen werden, und fördern Sie diejenigen, die Köln gestalten!
- ON – Neue Musik Köln e.V.