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Relief von Emil Hipp für das Richard-Wagner-Denkmal in Leipzig. Foto: Festschrift zum 125. Geburtstag von Richard Wagner, Beck Verlag 1938
Relief von Emil Hipp für das Richard-Wagner-Denkmal in Leipzig. Foto: Festschrift zum 125. Geburtstag von Richard Wagner, Beck Verlag 1938
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Steine des Anstoßes - Leipzig und seine Last mit einem Wagner-Denkmal

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Leipzig - Leipzig wollte dem Komponisten Richard Wagner in den 1930er Jahren ein monumentales Denkmal setzen. Es wurde nie realisiert. Jetzt sorgen zwei der alten Reliefs für neue Diskussionen in der Stadt.

Helmut Loos steht im Gut Ermlitz bei Leipzig vor einem steinernen Relief und legt den Kopf schräg. «Das ist keine erste Qualität», sagt er und deutet auf löchrige Stellen in dem Kalkstein. Auch die Figuren, die eine Szene aus der Wagner-Oper «Walküre» zeigen, seien doch recht plump geraten. Trotzdem ist sich Loos, Chef des Richard-Wagner-Verbands Leipzig, vollkommen bewusst, dass das etwa ein mal zwei Meter große Relief längst nicht so unspektakulär ist, wie es auf den ersten Blick aussieht. «Es ist eine Provokation», sagt Loos.

Eigentlich hätten die Steinplatten nämlich schon vor rund 80 Jahren in der Stadt aufgestellt werden sollen - als Teil eines monumentalen, von Adolf Hitler gepushten «Nationaldenkmals des Deutschen Volkes» für den Komponisten Richard Wagner (1813-1883). Entworfen hat das Denkmal der Stuttgarter Bildhauer Emil Hipp. Der Zweite Weltkrieg verzögerte die Fertigstellung, und danach dachte in Leipzig niemand mehr daran, dieses Denkmal zu realisieren. Die steinernen Elemente gerieten verstreut in Privatbesitz. Dass der Wagner-Verband und das Stadtmuseum nun zwei Reliefs angekauft haben, sorgt für Diskussionen über den richtigen Umgang mit einem schwierigen Erbe.

In Leipzig habe es schon seit dem Tod Richard Wagners die Idee gegeben, ihm in seiner Geburtsstadt ein Denkmal zu setzen, erzählt Loos. Den ersten Anlauf unternahm Max Klinger. Doch als er 1920 starb, war er über einen Sockel nicht hinausgekommen. 1931 wurden die Bemühungen wieder aufgenommen. 1933 wurde der Entwurf von Emil Hipp ausgewählt. «Aus der Grundsteinlegung 1934 hat Hitler dann ein großes nationalsozialistisches Event gemacht», sagt Loos. Hipp sei kein «Nazikünstler» gewesen, habe aber nach dem Zuschlag für das Leipziger Prestigeprojekt sehr wohl für die Nazis gearbeitet.

Loos sagt, ihn treibe die Frage an, welche Form des Erinnerns an Wagner und das Denkmal aus den 1930er Jahren die angemessene sei. «Einfach das Label «Nazikunst» drauflegen und sagen: «Weg damit!» - das finde ich nicht richtig», sagte der Musikwissenschaftler. «Es einfach zu tilgen, sollte doch nicht die Art und Weise sein, wie man in Deutschland mit dieser schwierigen Vergangenheit umgeht.» Der Wagner-Verband stehe auch für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Komponisten, der ein prägender Künstler und Antisemit zugleich gewesen sei.

Dass Loos sich gegen die Bezeichnung des «Nazikünstlers» für Hipp sträubt, hat den Widerspruch der Berliner Kunsthistorikerin Marie-Louise Monrad Møller hervorgerufen. Das Leipziger Denkmal habe der Beschwörung der NS-Ideologie dienen sollen, schrieb sie in einem Beitrag für das «Monopol-Magazin». «In Hipps Entwurf sind denn auch alle typischen Charakteristika der NS-Kunst und NS-Denkmalideologie vertreten.» Auch die Idee des Wagner-Verbands, das Relief womöglich am einst dafür vorgesehenen Ort im Richard-Wagner-Hain aufzustellen, lehnt sie ab.

Dagegen hat Loos im Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig, Anselm Hartinger, einen Mitstreiter gefunden für seine Herangehensweise, Teile des Denkmals im Original zu dokumentieren. Im Depot des Museums liegt das zweite angekaufte Relief. Es zeigt die Figur des Hans Sachs aus der Oper «Die Meistersinger von Nürnberg». Die Steinplatte solle ein zentrales Objekt in einer 2022 geplanten Ausstellung zur «Musikstadt Leipzig im Nationalsozialismus» werden, sagt Hartinger. Der nie realisierte Hipp-Entwurf im Richard-Wagner-Hain auf der einen und ein 1936 abgerissenes Denkmal für Felix Mendelssohn Bartholdy auf der anderen Seite sollen zwei Pole sein, zwischen denen die Ausstellung sich bewegt.

«Wir wollen nicht Emil Hipp rehabilitieren. Das muss man nicht und das kann man auch nicht. Sondern wir wollen dieses Objekt kritisch kontextualisieren. Es wird als Dokument der nationalsozialistischen Überhöhung des Wagner-Mythos gezeigt werden», sagt Hartinger. Hipp habe zweifelsohne vom nationalsozialistischen Regime profitiert. «Das war ein intensiv mit den Nationalsozialisten kooperierender Künstler.»

Die Stadt Leipzig ist derweil dabei, den Richard-Wagner-Hain am Elsterflutbecken zu sanieren. Ein Teil ist bereits fertig. Anders als das Denkmal wurde die dazugehörige Parkanlage in den 19030er Jahren umgesetzt. Anfang 2022 sollen die Uferterrassen und die Ufertreppe des Areals erneuert werden. «Im Rahmen dieses Vorhabens wird eine Informationstafel zur Geschichte der Anlage aufgestellt, die sich auch kritisch mit der Kulturgeschichte des Richard-Wagner-Hains auseinandersetzt», erklärt die Stadtverwaltung. Laut Museumschef Hartinger ist die Historie des Ortes bei der Leipziger Bevölkerung schon in Vergessenheit geraten.

Wagnerverbands-Chef Loos sagt, er habe der Stadt das «Walküre»-Relief angeboten - aber dort habe man abgelehnt. Aus dem Rathaus heißt es dazu, dass für eine Aufstellung der Platten am von Hipp geplanten Ort ein Beschluss des Stadtrates her müsste. Kommt es dazu nicht, sagt Loos, dann soll das Relief einfach im Gut Ermlitz stehen bleiben. Dort vor den Toren seiner Heimatstadt, die bis heute mit Wagner und seinem Erbe ringt, ging der Komponist einst als Gast ein und aus.

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