In der Novemberausgabe kommentierte die nmz unter dem Titel „Freier Fall“ auf Seite 1 unter anderem das Vorwort zur Festschrift für Siegfried Mauser. Zu diesem Thema veröffentlichte das Forschungsinstitut für Musiktheater Thurnau der Universität Bayreuth auf seiner Webseite eine bemerkenswerte Stellungnahme, die wir hier wiedergeben:
Thurnau, 18. November 2019
Mit Bestürzung haben wir, die Leitung und die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen des Forschungsinstitutes für Musiktheater Thurnau der Universität Bayreuth, das Erscheinen der von Dieter Borchmeyer, Susanne Popp und Wolfram Steinbeck herausgegebenen Festschrift für den wegen sexueller Nötigung zu einer Gefängnisstrafe verurteilten Siegfried Mauser im Verlag Königshausen & Neumann zur Kenntnis genommen. Was uns betroffen macht, ist die Tatsache, dass im Vorwort zum Band sexualisierte Gewalt verharmlost wird. Dort heißt es:
"Seine Visionen und sein unbändiger Tatendrang, die ansteckende Spontaneität und begeisternde Vitalität haben ihm manche Kritik eingetragen –und sein bisweilen die Grenzen der ‚bienséance‘überschreitender weltumarmender Eros hat für ihn schwerwiegende rechtliche Folgen gehabt."
Dieser Bagatellisierung sexualisierter Gewalt möchten wir uns ausdrücklich entgegenstellen. Mauser war von 2003 bis 2014 Leiter der Hochschule für Musik und Theater München und anschließend Rektor des Mozarteum Salzburg […]. Mauser wurde bereits 2017 wegen sexueller Nötigung einer Kollegin zu neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, im Oktober 2019 wurde vom BGH (Urteil vom 9. Oktober 2019 –1 StR 39/19) eine weitere Verurteilung wegen sexueller Nötigung in drei Fällen zu zwei Jahren und neun Monaten aus dem Jahr 2018 bestätigt. Seine Ämter hat er somit jahrelang missbraucht. Erschreckend ist, dass sich mit der Festschrift zahlreiche Persönlichkeiten in ihrer öffentlichen Funktion als Kulturschaffende und Wissenschaftler*innen hinter den Sexualstraftäter Mauser stellen und seine Taten mit dem zitierten Vorwort bagatellisieren – und, dass Königshausen & Neumann diesem Vorgehen eine verlegerische Plattform bietet. Darin sehen wir die Fortführung einer Tradition von strukturellem Sexismus und Misogynie, gegen die wir uns explizit positionieren.
Das Forschungsinstitut für Musiktheater steht in seiner Lehre und Forschung für Diversität, Gleichberechtigung und setzt sich gegen den Missbrauch von Machthierarchien auch und vor allem im Hochschulkontext ein. Da die vom Institut herausgegebene Reihe der Thurnauer Schriften zum Musiktheater ebenfalls in dem Verlag Königshausen & Neumann erscheint, sehen wir hier eine Kollision mit unseren ethischen und wissenschaftlichen Wertvorstellungen. Die Publikation beschädigt nicht nur die Reputation unserer Reihe, sondern das Ansehen der Musikwissenschaft insgesamt.
Prof. Dr. Anno Mungen
Dr. Silvia Bier
Dominik Frank, M.A.
Dr. Ulrike Hartung
Dr. Marie-Anne Kohl
Sid Wolters-Tiedge, M.A.