Berlin/Paris/New York - Museen von New York bis Paris geraten unter Druck. Proteste gegen womöglich schmutziges Geld in der Kultur werden lauter. Auch in Deutschland werden finanzstarke Mäzene infrage gestellt.
Geld soll nicht stinken. Doch manchem Museum und vielen Künstlern an den Hotspots der Kunstwelt wird der Geruch einiger Scheine inzwischen zu penetrant. Auch im öffentlich getragenen Kultursystem Deutschlands wird schon manche Nase gerümpft. Mäzene und ihr Geld kommen zunehmend auf den Prüfstand.
Die jüngste Eskalationsstufe dreht sich international um die milliardenschwere Sackler-Familie. Eine Aktionsgruppe um die US-amerikanische Star-Fotografin Nan Goldin prangert den Sackler-Konzern Purdue Pharma wegen der Herstellung des Schmerzmittels Oxycontin an, das stark abhängig macht und den Tod von mehr als 200 000 Menschen verursacht haben soll.
Als Mäzene pumpen die Sacklers viel Geld in Museen weltweit. Inzwischen haben etwa das Metropolitan Museum in New York, die Tate Modern in London und der Louvre in Paris ihre jahrelange Zusammenarbeit mit der umstrittenen Familie beendet.
Der Frankfurter Historiker und Mäzen-Experte Andreas Hansert kann die Probleme der Museen verstehen. «Es ist sehr schwer, solchen Leuten die Rote Karte zu zeigen», sagt er der dpa. «Ab wann kippt das?» Hansert sieht einen «Prozess, in dem jemand in die Position kommt, wo er dann Museen, Theater oder Stiftungen letztlich missbraucht, um ein vielleicht bestehende eigenes schlechtes Image zu kaschieren.»
Allerdings sei der Einfluss auch finanzstarker Mäzene begrenzt: «In den USA ist es die Vielfalt, da sind sehr viele reiche Leute unterwegs. Da gibt es Möglichkeiten, einen Sample von Sponsoren und Mäzenen zusammenzustellen.» Das sieht Max Hollein ähnlich, der als Direktor des Metropolitan Museum New York die Zusammenarbeit mit den Sacklers kappte. «Im amerikanischen System besteht die Kunst des Museumsdirektors darin, dass die Einzelinteressen, die natürlich immer vorhanden sind, ein zusammenkomponiertes Konzert ergeben», sagte Hollein der «Süddeutschen Zeitung».
Die Kulturinstitutionen in den USA sind auf reiche Spender angewiesen. Öffentliche Zuwendungen sind knapp - Spender gibt es dafür reichlich und das Mäzenatentum ist fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. 2018 wurde in den USA für alle möglichen Zwecke die Rekordsumme von rund 410 Milliarden Dollar gespendet.
Ohne reiche Mäzene müssten viele Museen sofort schließen. Trotzdem stellt sich immer wieder die - häufig von Aktivisten befeuerte - Frage: Was tun, wenn der Spender sein Geld dubios verdient hat? Oder wenn er vollkommen anderer Meinung ist als die Betreiber des Museums?
Der erzkonservative Milliardär David H. Koch etwa, der für Millionen von Dollar Plätzen, Theatern, Krankenhaus- und Museumsabteilungen im liberalen New York seinen Namen aufgestempelt hat. Oder Rebekah Mercer, Leiterin einer milliardenschweren Trump-unterstützenden Familienstiftung, die unter anderem dem New Yorker Naturkundemuseum viel Geld spendete - und sich gleichzeitig kritisch gegenüber dem Klimawandel zeigte. Auch Präsident Trump selbst hat schon per Spende seinen Namen an Autobahnen und Parks stempeln lassen.
Im Pariser Louvre war der Name Sackler noch bis vor kurzem zu sehen. Vor etwas mehr als 20 Jahren hat die Familie für mehrere Säle, die dem Antiken Orient gewidmet sind, Millionen gespendet. Fotografin Goldin und das «Sackler Pain»-Kollektiv entrollten im Juli Banner vor dem Louvre: «Sackler, on meurt, le Louvre couvre !» (etwa: Sackler, wir sterben, der Louvre deckt dich!). Kurz darauf entfernte oder überklebte das Museum den Namen.
Fast zeitgleich wurde bekannt, dass das Kulturministerium eine Schenkung von 200 000 Euro des 2015 noch als Lafarge operierenden Zementherstellers an das Pariser Mittelaltermuseum Cluny zurückgezahlt habe. Das Unternehmen wird verdächtigt, rund 13 Millionen Euro an islamistische Gruppen bezahlt zu haben, darunter die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), um sein Zementwerk in Syrien am Laufen halten zu können.
Das Problem toxischer Gelder ist nicht neu. Der Louvre hat deshalb schon 2003 eine «Sponsoring»-Charta eingeführt. Darin verpflichtet sich das Museum, keine Sponsorenvereinbarung mit Partnern zu treffen, die dem Image schaden könnten.
Die Frage, aus welchen Quellen die Mäzene ihr Vermögen schöpfen, taucht immer häufiger auf. Einer der Gründe dürften wachsende Protest-Communities in sozialen Netzwerken sein. Der französische Journalist und Spezialist für Mäzenatentum, Bernard Hasquenoph, verortet diesen Trend in der angelsächsischen Welt. Für Historiker Hansert ist dabei nicht jeder Vorwurf gerechtfertigt: «Fachlich Einschätzung und die Art, wie etwas zum Teil aufgegriffen und kolportiert wird, sind nicht unbedingt deckungsgleich.»
In Deutschland liegen größere Auseinandersetzungen schon etwas zurück. Hoch umstritten war etwa die Leihgabe von Friedrich Christian Flick. Berlin verdankt dem Kunstsammler und Mäzen eine weltbekannte Sammlung zeitgenössischer Kunst. Stein des Anstoßes war die NS-Vergangenheit von Großvater Friedrich Flick, der als Rüstungsunternehmer während des Nationalsozialismus von Zwangsarbeitern profitierte. Sein Enkel beteiligte sich dennoch nicht am Entschädigungsfonds und gründete stattdessen eine eigene Stiftung.
Jenseits von Mäzenen sieht Experte Hansert die kulturelle Basis in Deutschland gut gesichert. «Hier wird die Institution - zumindest was den Betrieb betrifft - in der Regel von der öffentlichen Hand unterhalten», sagt der Historiker. «Für die wirklichen Perlen der Museumsarbeit, wie Ausstellungen oder Ankäufe, müssen sie sich aber Sponsoren suchen.»
Auch deswegen sieht die international einflussreiche deutsch-japanische Künstlerin Hito Steyerl die Kulturszene in Deutschland gefährdet. «Bis jetzt ist der Einfluss privater Sammler und Förderer längst nicht so massiv wie in England und den USA», sagt die Professorin an der Universität der Künste in Berlin der dpa. Das scheine sich aber gerade zu ändern. «Deswegen wäre jetzt ein sehr guter Moment, den Einfluss privater Sammler und Stiftungen auf den öffentlichen Kunst- und Kulturbetrieb einer kritischen Prüfung zu unterziehen.» Es sei noch früh genug gegenzusteuern.
Steyerl hatte sich aus Anlass ihrer Londoner Ausstellung «Power Plants» klar gegen die dort agierende Sackler-Familie positioniert. Es gehe ihr jedoch nicht um individuelle Mäzene, sagt die Künstlerin. Aber Verflechtungen privater Förderer im Kunstbetrieb könnten zu völlig unvorhersehbaren Komplikationen führen und eine öffentliche Diskussionssphäre aushöhlen. Das Spannungsfeld Künstler zu Mäzen hat sich nach Einschätzung Steyerls verstärkt. «Vor allem nach der Finanzkrise mit der Austeritätspolitik, die zu weiteren Streichungen von Subventionen im Kulturbetrieb geführt hat, besonders auch etwa in Großbritannien. Das war sozusagen der Anlass, dass eine bestimmte Fördererkaste vermehrt die Möglichkeiten hatte, ihren Einfluss auszuweiten.»
Hito Steyerl: Einfluss von Mäzenen auf Kunst und Kultur überprüfen
Interview: Gerd Roth, dpa
Geht Kunst zuviel nach Brot? Geld und damit verbundene Macht von Mäzenen wird zunehmend kritisch hinterfragt. Die als einflussreich geltende Künstlerin Hito Steyerl macht im dpa-Gespräch Front gegen private Förderer.
Frage: Aus Anlass Ihrer Londoner Ausstellung «Power Plants» haben auch Sie sich klar gegen die dort als Mäzene agierende Pharmaunternehmer-Familie Sackler positioniert. Dabei haben Sie auch eine App gegen die Serpentine Sackler Gallery eingesetzt. Wie hat die funktioniert?
Antwort: Die App sorgt spielerisch dafür, dass der Name von der Fassade verschwindet. Das ist allerdings mehr ein Nebeneffekt. Tatsächlich geht es um Einkommensungleichheit in dem Viertel, in dem die Galerie steht. Das weist eines der größten Ungleichgewichte innerhalb von Europa auf.
Frage: Was macht denn die Sacklers so besonders?
Antwort: Es geht mir nicht um individuelle Mäzene. Es geht mir darum, darauf hinzuweisen, dass die Verflechtungen privater Förderer im Kunstbetrieb auf Dauer gesehen zu völlig unvorhersehbaren Komplikationen führen und auch eine öffentliche Diskussionssphäre aushöhlen, privatisieren und unterminieren können. Das ist mein Hauptanliegen. Es geht mir nicht darum, ob ein Mäzen schlimmer ist als andere Förderer. Es geht mir darum, das Prinzip als solches zur Debatte zu stellen. Warum werden Namen über Portalen an Meistbietende verkauft? Das ist für mich nicht wirklich nachvollziehbar.
Frage: Ist das in der Kultur anders als in anderen Bereichen?
Antwort: Etwa der Sportbereich hat sehr strikte Regelungen im Hinblick auf Förderung, da wird sehr stark darauf geachtet, dass zum Beispiel ein Pharma-Unternehmen oder ein Zigaretten-Produzent keine Chance hätte, ein großes Sportereignis zu fördern oder den Namen so prominent abgebildet zu sehen.
Frage: Wie sollte es jetzt weitergehen?
Antwort: Für die Zukunft wäre es nicht hilfreich, sich immer so stark auf diese Einzelfälle zu fokussieren. Da gerät man immer in die Debatte: Wer ist schlimmer? Wo ist die Grenze? Mir geht es um das Prinzip als solches.
Frage: Die Beziehung zwischen Künstlern und potenziellen Geldgebern war nie ganz leicht. Gibt es nun eine aktuelle Entwicklung?
Antwort: Das Spannungsfeld Künstler zu Mäzen hat sich definitiv verstärkt. Vor allem nach der Finanzkrise mit der Austeritätspolitik, die zu weiteren Streichungen von Subventionen im Kulturbetrieb geführt hat, besonders auch etwa in Großbritannien. Das war sozusagen der Anlass, dass eine bestimmte Fördererkaste vermehrt die Möglichkeiten hatte, ihren Einfluss auszuweiten.
Frage: Wie sind die Reaktionen unter Künstlern? Vernetzen Sie sich?
Antwort: Das wird selbstverständlich auch zwischen Künstlern diskutiert. Es gibt Plattformen, die entstehen etwa anhand von konkreten Fällen und verschwinden dann auch wieder. Das sind bisher meist Diskussionen, die vom Anlass abhängen.
Frage: In Deutschland werden Kunst und Kultur umfassend öffentlich gefördert. Gleichzeitig gibt es zahlreiche private Stiftungen und Mäzene, die Projekte finanzieren. Woran liegt es, dass hier seit einiger Zeit kaum größere Auseinandersetzungen geführt werden?
Antwort: Es ist kein Zufall, dass es in Deutschland noch verhältnismäßig ruhig ist. Bis jetzt - man muss sagen bis jetzt - ist der Einfluss privater Sammler und Förderer längst nicht so massiv wie vor allem in England und den USA. Das scheint sich aber gerade zu ändern. Deswegen wäre jetzt ein sehr guter Moment, den Einfluss privater Sammler und Stiftungen auf den öffentlichen Kunst- und Kulturbetrieb einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Es ist jetzt noch früh genug, um da gegenzusteuern und nicht sehenden Auges in diese Problematik hineinzulaufen.
Zur Person: Hito Steyerl, 1966 in München geboren, ist Professorin für Experimentalfilm und Video an der Universität der Künste in Berlin. Werke der deutsch-japanischen Künstlerin waren unter anderem auf der Biennale in Venedig und im Museum of Modern Art in New York zu sehen. 2017 wurde Steyerl vom britischen Kunstmagazin «ArtReview» zur einflussreichsten Persönlichkeit im internationalen Kunstbetrieb gekürt. Eine internationale Jury wählte sie auf Platz eins der Rangliste «Power 100».