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Streit um Hessischen Kulturpreis - Kritik an Koch - [update:] Verleihung verschoben

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Wiesbaden - In der Debatte um die zurückgenommene Verleihung des Hessischen Kulturpreises an den muslimischen Schriftsteller Navid Kermani nimmt die Kritik an der Entscheidung der hessischen Landesregierung zu. Für einen skandalisierten Glaubensstreit sei Kermani «der denkbar ungeeignetste Mann», nahm der Tübinger Theologe Karl-Josef Kuschel den Kölner Orientalisten am Wochenende in Schutz. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, Kermani sei ein «würdiger Preisträger», die Regierung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hingegen sei «offenkundig nicht würdig, einen solchen Preis zu vergeben». Auch Kermani selbst attackierte erneut die Regierung Koch, der er Scheinheiligkeit vorwarf.

Der Hessische Kulturpreis wird an Menschen verliehen, die sich für den religionsübergreifenden Dialog in Deutschland engagiert haben. In diesem Jahr sollten ursprünglich der Mainzer Bischof Karl Lehmann, der ehemalige Präsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Peter Steinacker, der Vize-Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Salomon Korn, und der Wissenschaftler Fuat Sezgin ausgezeichnet werden.

Als Sezgin ablehnte, den Preis zusammen mit Korn anzunehmen, da dieser die Auseinandersetzung zwischen Israel und den Palästinensern in einer für ihn nicht hinnehmbaren Weise kommentiert habe, schlug das Kuratorium alternativ den Schriftsteller Kermani vor. Dagegen wiederum protestierten Lehmann und Steinacker. Anlass für diesen Protest war ein am 14. März in der «Neuen Zürcher Zeitung» erschienener Text Kermanis über die christliche Kreuzestheologie. Daraufhin teilte die Landesregierung am Mittwoch mit, sie verzichte in diesem Jahr auf die Auszeichnung eines muslimischen Religionsvertreters.

Özdemir kritisierte diese Entscheidung am Samstag als «Provinzposse einer überforderten Landesregierung», durch die dem interreligiösen Dialog in Deutschland großen Schaden zugefügt werde. Koch müsse sich fragen lassen, welchem Zweck der Hessische Kulturpreis wirklich dienen solle. Der Theologe Kuschel sagte, es sei fraglich, ob die für die Aberkennung Verantwortlichen das Gesamtwerk Kermanis im Blick gehabt hätten, mit dem der Schriftsteller und Wissenschaftler sich «als bedeutender Vermittler von Orient und Okzident im deutschsprachigen Raum empfohlen» habe.

Kermani selbst warf der hessischen Staatskanzlei vor, sie zitiere ihn derart verkürzt, dass er als «ein fundamentalistischer Gotteskämpfer, der das Christentum attackieren will», erscheine. Tatsächlich führe sein beanstandeter Text aber «von der strikten Ablehnung zu einer großen Huldigung an das Kreuz».

Steinacker entgegnete, der Schluss von Kermanis Text sei zwar «dialektisch elegant», erscheine ihm aber «wie ein Pflaster auf eine Wunde, ohne Bedauern, dass sie geschlagen wurde». Nichts von der zuvor «in verletzender Weise» verschärften Kritik an der Kreuzestheologie als «Gotteslästerung» werde zurückgenommen.

Kermani wiederum betonte, Toleranz könne «nicht bedeuten, nur das zu tolerieren, an das man selbst glaubt». Für die «christlichen Beteiligten» in dem Streit scheine aber die Voraussetzung für ein Gespräch mit ihm zu sein, dass er sich «zum Glauben an den gekreuzigten Jesus bekenne». Dies sei «absurd».


(nmz) - Anlass des Streits ist Kermanis Artikel in der NZZ über Guido Renis Altarbild "Kreuzigung" in der Basilika San Lorenzo in Lucina

update, 18.5., 15:30:

Verleihung des Hessischen Kulturpreises auf Herbst verschoben
Wiesbaden - Die für den 5. Juli geplante Verleihung des Hessischen Kulturpreises ist auf den Herbst verschoben worden. Die Jury habe sich am Montag einvernehmlich darauf verständigt, teilte die hessische Landesregierung am Montag in Wiesbaden mit.

Zugleich beschloss das Kuratorium, einen Dialog zwischen den Preisträgern herbeizuführen. Vom Zustandekommen eines solchen «nicht öffentlichen Gesprächs» wolle man das weitere Vorgehen abhängig machen. Mit diesem Schritt wolle man alles versuchen, um die Gemeinsamkeiten wichtiger zu machen als das Trennende, kommentierte Ministerpräsident Roland Koch (CDU), der Vorsitzender des Kuratoriums ist, die Entscheidung.

Das Kuratorium hatte in der vergangenen Woche entschieden, dem zuvor nominierten muslimischen Schriftsteller Navid Kermani den Preis nicht zu verleihen. Die beiden christlichen Preisträger, der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann und der ehemalige Präsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Peter Steinacker, hatten gedroht, die Annahme des Preises zusammen mit dem muslimischen Schriftsteller zu verweigern. Sie kritisierten eine Bildbeschreibung Kermanis in der «Neuen Zürcher Zeitung», in der dieser ihrer Auffassung nach die Kreuzestheologie als «Gotteslästerung» ablehnt. Kermani hatte klargestellt, dass sein Text mit einem Umdenken in Bezug auf das Kreuz schließe.


 

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