Mainz/Kaiserslautern - «Mein Körper ist hier, aber mein Herz ist dort», sagt die ukrainische Tänzerin Daria Hlinkina. Angesichts der Invasion russischer Truppen in der Ukraine versuchen die vier Theater in Rheinland-Pfalz der Fassungslosigkeit Worte zu geben.
Kunst muss sich laut zu Wort melden, wenn Leben vernichtet wird: «Der Krieg soll verflucht sein.» Dieses Zitat aus der «Mutter Courage» von Bertolt Brecht hängt auf einem Transparent an der Fassade des Staatstheaters Mainz. Mit einem Diskursabend hat das Theater jetzt versucht, der Fassungslosigkeit Worte zu geben. Auch andere Theater in Rheinland-Pfalz setzen Zeichen gegen den Krieg.
«Mein Körper ist hier, aber mein Herz und meine Gedanken sind dort», sagt die ukrainische Tänzerin Daria Hlinkina vom Ensemble tanzmainz. «Jeder Morgen beginnt mit einem Fragezeichen, das ich meiner Mutter schicke.» Ihre Familie lebt im Süden der Ukraine, wo die Stadt Mariupol von russischen Truppen massiv bombardiert wird. Die Tage ohne Internetverbindung seien am schlimmsten, sagt die Künstlerin den Besuchern des Diskursabends, den Tränen nahe.
Mit 17 Jahren sei sie nach Amsterdam gegangen, um Tanz zu studieren, sagt die junge Frau. Jetzt sei das Ensemble in Mainz ihre Familie geworden. «Tanzmainz und das Staatstheater Mainz sind ein beispielhafter Ort, wo Menschen ungeachtet ihrer Nationalität füreinander eintreten, ein Ort, der für Liebe, für den Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, für Meinungsfreiheit steht.» Auf eine Frage aus dem Publikum, ob sie weiter zu russischer Musik tanzen wolle, antwortet sie: «Natürlich - Musik ist Kunst.»
Sanktionen gegen russische Künstler halte sie für gefährlich, sagt die Leiterin des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, Nicole Deitelhoff. «Wir müssen Verbindungen aufrechterhalten, gerade in Gesellschaft, Kunst und Wissenschaft.»
Für Dienstag nächster Woche hat das Staatstheater Mainz ein Benefizkonzert im neu sanierten Kongress-Saal der Rheingoldhalle angesetzt. Das Philharmonische Staatsorchester Mainz führt dabei auch die Symphonie des ukrainischen Komponisten Boris Ljatoschinski (1895-1968) auf mit dem Titel «Peace shall defeat war» (Frieden soll den Krieg bezwingen).
Das Pfalztheater Kaiserslautern beginnt inzwischen jede Aufführung mit einem Statement, das den Blick auf die Ukraine lenkt: «Krieg kann niemals ein Weg zur Lösung von Konflikten sein.» Als ein Haus mit Menschen aus mehr als 40 Ländern sei das Pfalztheater fest davon überzeugt, dass Kunst, Musik und Theater zu einem Miteinander über alle Grenzen und Nationen hinweg beitragen könnten. «Deshalb spielen wir auch heute für Sie und verfolgen mit unseren Mitteln die Vision von Frieden und Menschlichkeit.»
An diesem Sonntag bringt das Theater in Kaiserslautern kurzfristig einen künstlerischen «Abend für den Frieden» auf die Bühne, «um der Fassungslosigkeit über das Kriegsgeschehen auf unserem Kontinent mit theatralischen Mitteln zu begegnen». Während der Benefiz-Veranstaltung mit freiem Eintritt soll zu Spenden für Ukraine-Hilfsaktionen des Bezirksverbands Pfalz aufgerufen werden.
Der Konflikt werde sich demnächst sicherlich auch im Programm mit einer künstlerischen Produktion wiederfinden, erwartet Pfalztheater-Sprecher Günther Fingerle. Ungewollte Aktualität hat schon jetzt die Tanzproduktion «Kassandra» gefunden, die das Pfalztheater auch zu den Theatertagen Rheinland-Pfalz nach Mainz mitbringt. «Die Geschichte dieser Prophezeiungen, auf die niemand hören möchte, hat nun eine ganz andere Bedeutung bekommen», sagt Fingerle.
Das Theater in Koblenz leuchtet am Abend in den Farben der Ukraine. Und vor Aufführungen im Schauspiel wird aus dem Ensemble heraus ein Antikriegsgedicht vorgetragen. Am Theater Trier werde zum 28. März ein spartenübergreifender Benefizabend vorbereitet, sagt Sprecherin Leslie Oeffling. «Wir wollen ein Zeichen setzen und uns deutlich gegen den Krieg aussprechen und der Ukraine unsere Solidarität zeigen.»