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Thomas Quasthoff lehnt Umbau der Kulturförderung ab

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Hamburg - Der Sänger Thomas Quasthoff lehnt einen Umbau der öffentlichen Kulturförderung ab. "Das finde ich falsch. Man muss auch die Möglichkeit haben, in Diepholz ins Theater zu gehen", sagte der 52-jährige Bassbariton dem Magazin "Der Spiegel". Die kleinen Theater hätten eine Bildungsauftrag.

 

Er widersprach damit der These des umstrittenen Buches "Der Kulturinfarkt", wonach die Hälfte der deutschen Theater und Museen entbehrlich sei. Dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen warf Quasthoff vor, diese Aufgabe zu vernachlässigen: "Was machen die denn? Wo sind denn die ganzen Klassiksendungen geblieben? Da gibt es das grauenhaft moderierte Klassik-Echo-Preisträgerkonzert mit Herrn Gottschalk. Der hat dasselbe Interesse an klassischer Musik wie ich am Häkeln".

Quasthoff hatte seine Gesangskarriere Anfang des Jahres nach fast 40 Jahren beendet. Neben seiner Professur an der Hochschule für Musik "Hanns Eisler" in Berlin will er sich jetzt anderen Projekten wie Lesungen oder Hörbüchern widmen. "Ich habe meinen Schritt keine Sekunde lang bereut", sagte Quasthoff. "Ich habe alles erreicht, was man erreichen kann als Konzertsänger". Nach einer Stimmband- und Kehlkopfentzündung habe er sein altes Niveau nicht mehr erreicht. Auch der Tod seines Bruders vor eineinhalb Jahren sein ein großer Einschnitt gewesen. "Er war mein bester Freund und Vertrauter", sagte Quasthoff.

In dem Interview sprach Quasthoff, der aufgrund einer Contergan-Schädigung mit verkürzten Extremitäten geboren wurde, auch über seinen Behinderung. Als Jugendlicher habe er manchmal mit seinem Schicksal gehadert: "Gerade in der Zeit, in der das bei anderen mit Freundinnen losging, das war schon eine harte Zeit für mich."

Seiner Karriere habe dies nicht geschadet, auch wenn ihn die Musikhochschule in Hannover nicht einmal habe vorsingen lassen. Bei Wettbewerben habe es "sicherlich einen Behindertenbonus" gegeben, räumte der Sänger ein. "Aber den hat man nur einmal". Nach dem dreißigsten Konzert in der Münchener Philharmonie kämen die Zuschauer nicht mehr wegen der Behinderung, "sondern weil sie dich gern hören".

Den Kontakt zu anderen Contergan-Geschädigten habe er bewusst nicht gesucht. "Leid in Gesellschaft? Nein. Das ist nicht mein Ding", sagte Quasthoff. Empört habe ihn eine Anfrage der Firma Grünenthal, die das Schlafmittel Contergan auf den Markt gebracht hatten. Auf die Bitte, ob er auf der Weihnachtsfeier des Unternehmens singen wolle, habe er geantwortet: "Ihr habt sie wohl nicht alle!"