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Von der Kunst, sich freizuboxen

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Zur Heidelberg Music Conference im Rahmen des Heidelberger Frühlings
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„Offener Schlagabtausch“ – diesen Wunsch gab Thorsten Schmidt, Intendant des Heidelberger Frühlings, und damit Gastgeber der inzwischen im dritten Jahr stattfindenden Heidelberg Music Conference den geladenen Diskutanten und den aus dem gesamten deutschsprachigen Raum angereisten etwa 150 Teilnehmern mit auf die zwei Tage dauernde Reise durch allerlei Fragenkomplexe rund um das Thema „Die Kunst ist frei – aber wie lange noch?“

Eine erstaunlich selbstkritische Bemerkung; war doch die Ausgabe vom vergangenen Jahr eher als Schaulaufen der „Very Best Practice“-Beispiele im Kopf hängen geblieben: Viel beeindruckend gleißendes Licht bei den Branchengrößen, wenig Fokus auf die Probleme der im Schatten stehenden Masse der Kulturinstitutionen und -schaffenden.

Und es gab sie, die geforderten Lichtblicke, Zeichen dafür, dass es etwas zu diskutieren gibt! Allen voran zu nennen ist die Debatte zur Freiheit der Medien beziehungsweise deren Abhängigkeit von Leserzahlen, Werbeeinnahmen und dem Druck der Quote. Auf dem Panel prallten mit dem WELT-Feuilletonisten Manuel Brug, Martin Pieper von ARTE und Hartmut Welscher, dem Herausgeber des Klassik-Fanzines VAN, drei unterschiedliche Weltanschauungen aufeinander, dass es eine wahre Freude war zuzuhören.

Auf der einen Seite zwei Vertreter der tonangebenden Medien, durch TV-Zuschauerzahlen und das Schielen auf Klicks leider leicht in die Defensive geraten und eher darauf bedacht, durch möglichst wenige Experimente das Stammpublikum nicht zu verlieren. Auf der anderen Seite mit Welscher ein Journalismus-Newcomer, ein Verfechter der möglichst wenigen Abhängigkeiten, außer der von den eigenen Abonnenten, die man durch kritische, Mainstream-ferne Berichterstattung begeistern, finden und binden will.

Direkt davor hatte Jan Brachmann von der FAZ einen beeindruckenden, inspirierenden Impulsvortrag gehalten, der dankenswerterweise vom Heidelberger Frühling zum (nach)lesen bereitgestellt wurde.

Eine seiner starken Thesen widmete sich dem (gefühlten) Machtverlust der klassischen Musik. „Nicht die Masse der Musikhörer gibt den Ausschlag für die Strahlkraft von Musik, sondern ob diese Masse tonangebend ist.“ Die aktuellen Versuche, dieses Vakuum zu befüllen und die Musik mit (Ersatz-)Funktionen zu versehen – etwa mit Ergebnissen aus der Hirnforschung, die die positive Auswirkung auf soziale und analytische Kompetenzen von Kindern aufzeigen, oder der Umwegrentabilität von Opern und Konzerthäusern für ganze Regionen – sieht er sehr kritisch und fordert eine Rückbesinnung auf den musikalischen Inhalt. Ein durchaus positiv in die Zukunft blickendes Plädoyer für ein selbstbewusstes Auf-sich-selbst-Besinnen.

Darüber hinaus waren die weiteren hochkarätig besetzten Gesprächsrunden aber zum Großteil doch wieder das gemeinsame Bestaunen von Erfolgen Einzelner, das eigentlich überwunden geglaubte „Bauchkraulen am Neckar“. Tolle Ergebnisse gab es zu bestaunen, es gab wenige Einblicke in schmerzhafte Entstehungsprozesse und eigene Fehlschläge. Als Negativ-Positivbeispiel stach die Eröffnungs-Keynote von Peter Gelb heraus. Ein eigentlich genialer Coup des Heidelberger Frühling! Aber der General Manager der Metropolitan Opera New York, der extra für diesen Kurzvortrag eingeflogen wurde, brachte kaum mehr mit als eine von drei Promo-Videos unterbrochene Werbedauersendung für das eigene, inzwischen auch in den weltweiten Kinosälen sehr erfolgreich operierende Haus.

Doch das ist als Kritik auf sehr hohem Niveau zu verstehen, denn wie immer wurden die teilweise brav geführten Diskussionen in den Pausen vom Fachpublikum intensiv und durchaus kritisch fortgesetzt; Anzeichen dafür, dass Gesprächsbedarf und -bereitschaft fast in derselben Gewichtsklasse boxen. Die nächste Music Conference kommt hoffentlich ganz bald!

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