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Sounding D in Dresden: Im Bahnhof spielen Musiker der Dresdner Philharmoniker Terry Rileys „In C“. Foto: Martin Hufner
Sounding D in Dresden: Im Bahnhof spielen Musiker der Dresdner Philharmoniker Terry Rileys „In C“. Foto: Martin Hufner
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Was hat das Netzwerk Neue Musik gebracht?

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Die neue musikzeitung hat sich in einigen beteiligten Städten umgehört
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Die Idee war ursprünglich, eine Umfrage nicht unter den Machern, sondern unter den Beobachtern des Netzwerk Neue Musik zu machen. „Was hat das Netzwerk Neue Musik gebracht?“ war die Leitfrage, die an Musiker, Komponisten, Journalisten und Professoren ging. Beinahe 20 Personen wurden um ein Statement zu den Netzwerkaktivitäten in ihrer Stadt beziehungsweise Region gebeten. Eine Erkenntnis war: Wer das Netzwerk kennt, ist – im positiven Sinne – bereits in dasselbe mit verstrickt. Den neutralen Beobachter, der sich für Neue Musik interessiert, gab es nicht. So sagten uns aus einigen Städten Autoren ab, da sie sich aufgrund ihrer Funktionen in Verbänden und Konzerthäusern für zu befangen hielten. Das Netzwerk hat in diesem Sinne wirklich ganze Arbeit geleistet, denn schließlich war es ja eine seiner zentralen Aufgaben, alle Aktivitäten in der zeitgenössischen Szene der jeweiligen Stadt miteinander zu verbinden. Insgesamt kamen sechs Beiträge zurück, die natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Sie sind mal aus mehr oder weniger Nähe zum Netzwerk geschrieben. Von der kritiklosen Würdigung bis zur konstruktiven Kritik reicht die Bandbreite der Beiträge. Das Thema Netzwerk wird die nmz noch weiter beschäftigen. Lesen Sie in der nächsten Ausgabe den Bericht von der Netzwerkveranstaltung „Vermittlungskunst – Qualität und Evaluation von pädagogischen Initiativen in Neue Musik“.

Köln goes on und Essen gets now!

Es wurmt sie bis heute: Um den Dom fertig zu stellen, brauchten die Kölner Hilfe aus Preußen. Dass es auch für das Netzwerken der Unterstützung aus Berlin bedarf, hätte hingegen wohl niemand gedacht, schließlich ist das „Klüngeln“ eine berüchtigte rheinische Kulturtechnik. Doch erst mit Gründung des Netzwerks „ON – Neue Musik Köln“ ist es gelungen, alle „Player“ der Neue-Musik-Szene Kölns an einen Tisch zu bringen und eine Vision für die gemeinsame Sache zu entwickeln. Als Sehnsuchtsort steht eine gemeinsame Hoffnung inzwischen bereits in Kulturentwicklungsplänen und Musikförderkonzepten: Ein „Zentrum für Neue Musik“ möge die Kölner Netzwerkaktivitäten dereinst krönen und das Desiderat eines Raumes für experimentelle Musiktheaterproduktionen und Konzerte beheben. Man darf ja noch träumen. Um sie Wirklichkeit werden zu lassen, bedarf es jedoch eines langen Atems, und so prüft die Stadt gegenwärtig eine Fortführung des Projektes „ON“, auch um der freien Szene weiterhin ein „Kompetenzzentrum“ zur Verfügung zu stellen, das für professionelle Vernetzung, Antragshilfe und anständiges Marketing sorgt. (Die Kulturämter haben inzwischen offenbar andere Aufgaben.) 

Auf vier Säulen ruht das Kölner Netzwerkdach: der Qualifikation von Multiplikatoren, der Förderung und Vermarktung der Aufführung von „Schlüsselwerken“ der Neuen Musik, genreübergreifenden Projekten und klassischen „Bildungsprojekten“ in unterschiedlichen Milieus. Manche dieser Säulen – so viel lässt sich vorhersagen – werden nach dem Ende der Förderung durch die Kulturstiftung des Bundes bröckeln. Auch für manche freie Künstler, die das Musikleben in den vergangenen Jahren mit ihren Konzerten bereichert haben, bricht ein unterstützender Faktor weg. 

So bleibt die spannende Frage nicht zuletzt, wie es der Kölner Szene gelingt, den Kontakt „auf Augenhöhe“ zu bewahren: zwischen einer großen Rundfunkanstalt, einem bedeutenden städtischen Orchester, einem Neue Musik-Ensemble, das längst die Regionalliga verlassen hat und von der freien Szene nicht mehr als Teil der Familie betrachtet wird; und all den übrigen Komponisten, Medienkünstlern, Vermittlern und Instrumentalisten, die noch nicht an die Spree gezogen sind. Wenn das Netzwerk feinmaschig genug ist, die Familie zusammenzuhalten, wird es sicher gelingen, auch weiterhin mit neuen Impulsen in die Stadt zu wirken – und so zumindest ideell das Zentrum zu bilden, nach dem man sich so sehr sehnt. 

Schon von der Ausgangslage waren die Kräfteverhältnisse in Essen andere. Das Netzwerk „Entdeckungen“ war ganz auf die neu eröffnete Essener Philharmonie zugeschnitten. Deren Intendant Michael Kaufmann stellte Residenzkomponisten ins Zentrum seiner Planung, darunter Jörg Widmann, Mauricio Kagel, Pascal Dusapin und Wolfgang Rihm. Für die jungen Komponisten aus dem Umfeld der Folkwang-Hochschule blieb da oftmals nur die Vermittlungsarbeit „übrig“. Mit zwei Konzerten im Jahr hat sich die Szene der Gesellschaft für Neue Musik Ruhr einen kleinen Platz in Essens feinem Konzerthaus erkämpft und profitiert so vom starken Partner. Der Dialog, den das Netzwerk initiiert hat, trägt auch hier inzwischen Früchte. Unter der Intendanz von Johannes Bultmann hat sich der Austausch zwischen dem Institut für Neue Musik der Folkwang-Hochschule und der Philharmonie intensiviert und mündet in der gemeinsamen Planung eines jährlichen Festivals im Herbst, an dem auch die Stiftung Zollverein beteiligt ist: „now!“ soll es heißen. 

Angesichts leerer Stadtkassen richten sich am Rhein wie an der Ruhr die Blicke sehnsuchtsvoll aufs Land, um die sprießende Netzwerk-Saat in Zukunft aufgehen zu lassen. Ohne das segensreiche flankierende Wirken von Institutionen wie der Kunststiftung NRW wäre schon in den vergangenen Jahren manche künstlerische Idee noch lang vor ihrer Vermittlung stecken geblieben.

Patrick Hahn 

Dresden und sein KlangNetz

Das „KlangNetz Dresden“ kann auf eine umfangreiche und erfolgreiche Tätigkeit in den vergangenen vier Jahren zurückblicken. In Dresden hat man mit der Verortung an der Musikhochschule nicht nur ein starkes Zentrum gefunden, sondern konnte Nachwuchs („Musik erfinden und gestalten“ als Schulprojekt) und Studenten, Laienensembles und Profis, künstlerisches Experiment und akademische Forschung zusammenführen. Das Konglomerat strahlte an vielen Konzertorten in Dresden nicht nur Professionalität aus, sondern weckte bei Interpreten wie Zuhörern erst die Neugier, weiterzumachen, tiefer zu gehen, neue Ideen und Visionen vom Reißbrett weg in die klingende Tat umzusetzen. Dass die beiden großen Orchester der Stadt ihrer Verpflichtung Neue Musik in ihre Konzerte einzubinden erst durch den KlangNetz-Aufruf einigermaßen nachkamen, verwundert da schon fast. Doch da könnten die Großen von den (vermeintlich) Kleinen lernen: so schuf sich etwa das freie Ensemble „Sinfonietta Dresden“ durch eine Konzertreihe mit Haydn-Sinfonien im Kontext zu zeitgenössischer Musik aus Sachsen und Osteuropa samt literarischer Komponente eine treue Fangemeinde. 

Der Umgang mit festen Institutionen innerhalb des Projektes erschien oft von außen betrachtet schwieriger, als dort, wo plötzlich und unerwartet spannende Musik auftauchte. Ab 2012 wird sich ohnehin der eigentliche Sinn des „Netzwerk Neue Musik“ beweisen müssen: Wie sollen die zahlreichen initiierten Projekte ohne eine nachhaltige Förderung überleben? Keimende Impulse wurden über vier Jahre gelegt – in Dresden haben etwa die neu gegründeten Ensembles „AuditivVokal“ und „El Perro Andaluz“ mit szenischer Vokalmusik, einer Lachenmann-Ehrung und vielen weiteren Darbietungen ein starkes Profil angelegt. Die schon zwei Mal durchgeführte „Internationale Chorwerkstatt für Neue Musik“ des Dresdner Kammerchores ist einzigartig und zog sowohl begeisterte Teilnehmer als auch viel Publikum an. 

Die Kulturstiftung des Bundes täte gut daran, die sensiblen Pflänzchen im Auge zu behalten und auf den positiven Erfahrungen aufzubauen – Bürokratie und Selbstdarstellung ausgenommen, denn davon hat noch nie eine Uraufführung profitiert. Alle Erfolgsmeldungen und die Feststellung, dass das „KlangNetz Dresden“ zumindest im Dresdner Kulturleben eine deutliche Intensivierung des Bewusstseins und damit verstärkte Aktivität und Wahrnehmung für Neue Musik bewirkt hat, sind jedoch müßig angesichts der Tatsache, dass Dresden neben Berlin einziger Netzwerk-Standort im Osten der Republik war. Solange bundesweit Theater, Orchester und Musikschulen um die Existenz kämpfen, kleine Kulturinitiativen auf dem Land am Stock gehen und trotzdem Großartiges leisten und Musikunterricht als zu vernachlässigende Lernkomponente angesehen wird, bleibt der punktuelle Jubel gedämpft. 

Netzwerk heißt eben auch die Gegenwartskultur in ihrer ganzen Breite und Tiefe verstehen und fördern lernen – und das dauerhaft und selbstverständlich.

Alexander Keuk

Freiburg – Gründerstadt

Durch NNM geschah, was lange überfällig war: die Gründung einer Gesellschaft für Neue Musik Freiburg, die alle Akteure vor Ort zusammenführte, an einen Tisch brachte und in blühende Kommunikation versetzte (für Orchideen eine Seltenheit). Der vielstimmig-obertonreichen Neue-Musik-Szene Freiburgs entsprechend nannten wir sie MehrKlang, das meint: die Vielfalt in der Klänge Einheit, die Einheit in der Vielfalt der Konzepte und Konzerte Neuer Musik in Freiburg. Wie jedes Ensemble MehrKlang ist: compound sound von Individuen, Persönlichkeiten, Biographien, Beziehungen ... – und jeder Mensch ein MehrKlang (Meer von Klängen): aus inneren Stimmen, Schichten, Strömungen, widerstrebend, mit sich eins ... – und jeder Körper, jedes Herz und Hirn: ein MehrKlang-Ensemble –, so bildet MehrKlang Freiburg ein Konglomerat von Stimmen, Stimmungen, (Be-)Strebungen: Personen-Musikern-Ensembles-Institutionen – in Gemeinsamkeit und Widerspruch, Vielfalt und Einheit, Faszination und Fron lustvoller Vermittlung Neuer Musik als existenzielle Erfahrung (zugleich inflationäres Unwort: Vermittlung, ambivalent wie Versprechen …). Seit einiger Zeit ideenreich geführt von Bernhard Wulff als 1. MehrKlang-Vorsitzenden, unterstützt von einem agilen Beirat und zusammengehalten durch den Geschäftsführenden Koordinator Thomas Schmölz samt Praktikantin Esther Klose (eine Bereicherung für Freiburg), bedeutet MehrKlang Freiburg: Neuhörland, Kreativkraft, Gemeinschaftswerk und Wunder, in die Zukunft weisend. 

Dies muss sich 2012 ff. neu bewähren: vor Ort bei MehrKlang 2.0, basisgefördert durchs Kulturamt – in der Region: Dreiländerraum-Initiative, Interreg-Programme, europäische Fördergelder, die zum Schmölzen gebracht werden mögen – in der Vernetzung der Netzwerke (bereits angebahnt) – im Netzwerk des Netzwerks aller Netzwerke: einer Gesellschaft, die musikalische Kommunikation und Neue Musik und kulturellen Dialog braucht wie Luft zum Atmen und zum Leben, zum Altern in Würde und Auferstehen mit jedem neuen Werk, Konzept, Konzert, Ereignis. Welch ein Auftrag!

Wolfgang Rüdiger, Ensemble Aventure

Drei Jahre Netzwerk Süd aus Esslinger Sicht

Die drei Jahre des Netzwerks Neue Musik fallen für mich ziemlich genau mit der Zeit seit meinem Umzug nach Esslingen zusammen. Meine Wahrnehmung des Netzwerks Süd ist daher von einer lokalen, Esslinger Perspektive geprägt, während ich zu den zahlreichen anderen Terminen von Aalen bis Villingen-Schwenningen nur wenig sagen kann. 

Aber allein die Veranstaltungen, die ich hier – und natürlich in Stuttgart und auf Ausflügen ins Umland – erleben durfte, gehören zum Schönsten, was es in der Region meiner Meinung nach jemals gab. Was hier unter Federführung von „musik der jahrhunderte“, aber mit viel Raum für lokale Initiativen in den letzten drei Jahren entstand, lässt sich wahrlich mit dem Titel eines Festivals im Rahmen des Projekts als Zukunftsmusik bezeichnen.

Twit, twit, twit macht die Cassettenhülle, aufgehängt an einem Nylonfaden. Nur jeweils acht Zuhörer finden im winzigen Gewölbekeller der Alten Schanbacher Maschinenfabrik Platz. Mehr wäre zu viel, denn die Geräusche, die eine Schülerin und ein Schüler nach der Partitur von Carola Bauckholt erzeugen, sind nicht verstärkt. Es geht um Sensibilisierung. Nebenan an der unveränderten Werkbank – die Fabrik, die erst kürzlich aufgehört hat zu arbeiten, sieht aus, als hätte eine Fee in den 1950er Jahren die Zeit angehalten – führen vier Schüler John Cages „Living Room Music“ auf.

Neue Musik einem Auditorium nahe zu bringen, das bisher wenig damit anzufangen wusste: Diese Aufgabe ist hier in jeder Hinsicht geglückt. Die Komponisten Klaus Burger und Bernhard König arbeiteten mit Behinderten, Daniel Kötter und Hannes Seidl mit Jugendlichen vom Hallschlag, der als Problemgebiet gilt. Mehrere hundert Schülerinnen und Schüler nahmen an den von Scott Roller und Ulrike Stortz geleiteten Improvisationsworkshops und Konzerten teil. Dies ist die Zukunft der Musik. Denn sie wird weder stehenbleiben, noch sich zurückentwickeln. Sie wird sich weiter verbreiten, und die heute jungen Teilnehmer werden daran mitwirken, als Zuhörer oder Akteure. Leider haben dies noch nicht alle begriffen. Das Medienecho bleibt schwach. Dabei boten alle Veranstaltungen, die ich besucht habe, weit mehr als der gewöhnliche Konzertbetrieb Gelegenheit, Musik neu zu erleben. Stockhausen im Killesbergpark? Gut. Eine musikalische Führung durch den Wasserspeicher der Esslinger Burg? Besser. 

Zwei Tage nach dem Wasserwerfereinsatz am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten, bei dem ein beteiligter Musiker schwere Augenverletzungen erlitt, hieben in Johannes Kreidlers „Arbeitsmarktplatz“ als Polizisten verkleidete Sänger eine demonstrierende Roboterarmee entzwei. Soviel zur Aktualität. Unvergesslich bleibt der Aufstieg zur Burgruine Hohenstaufen am folgenden Tag mit drei Blechbläsergruppen, Sängern und Schlagzeugern, die Sergej Newskis „Dolze mio drudo“ aufführten: auf den Spuren der Vergangenheit zu einem Höhepunkt der „Zukunftsmusik“.

Dietrich Heißenbüttel

Passau: da capo in Niederbayern?

Was war das für ein Stolz. Ein trotziger kultureller Kraftakt. Mia pack ma des! Herrlich niederbayerisch, selbstbewusst, beharrlich. Nicht in der Kölner Wahlheimat, sondern ausgerechnet in ihrer barocken Geburtsstadt Passau hat Annette Reisinger, Geigerin im Minguet Quartett und seit 2010 Echo Klassik Preisträgerin (für die Einspielung aller Streichquartette Peter Ruzickas), ein Festival für Neue Musik etabliert. Und zwar gegen alle Widerstände: gegen das Unvermögen der Stadt, die Kofinanzierung zu organisieren. Gegen den fast schon dreisten, sich selbst großzügig bedenkenden Finanzplan der mit Kreativaufgaben völlig überforderten städtischen Event GmbH. Nur die private Ausfallbürgschaft eines begeisterungsfähigen Passauer Impressarios und ein eilig gegründeter Verein erhoben „Alles im Fluss“ in der Dreiflüssestadt Passau letztlich zu einem von bundesweit 15 Förderprojekten. Der Start gegen die Stadt war die einzige Chance

Allen Kämpfen zum Trotz müssen die Passauer nun fürchten, dass „Alles im Fluss“ womöglich stirbt, wenn im Dezember nach vier Jahren die Förderung durch das Netzwerk Neue Musik der Kulturstiftung des Bundes endet. Denn mit derselben Trägheit, mit der die Kommune den Anfang fast im Keim erstickt hätte, sieht sie nun dem Ende der Bundesförderung entgegen: „Mit Ablauf des Jahres 2011 ist das Projekt beendet“, sagt der Passauer Kulturreferent Max Brunner und bringt damit prägnant zum Ausdruck, dass die Zielsetzung des Netzwerks Neue Musik im Rathaus niemals angekommen ist.

Vier Jahre Halligalli und Schluss – das entspricht exakt dem Gegenteil dessen, was das Acht-Millionen-Euro-Programm des Bundes bezweckt, von dem rund 280.000 Euro auf Passau entfallen (120.000 Euro hatte der Verein „Zeitgemäße Kunst Passau e.V.“ als Eigenanteil aufzubringen). Geht es doch gerade darum, zeitgenössische Musik auf Dauer (!) zu verankern. „Wir wollen fördern, was auf Nachhaltigkeit angelegt ist“, sagt in aller Klarheit der künstlerische Leiter des Netzwerks, Bojan Budisavljevic. 

Genau das aber steht hier in Frage. Denn die inzwischen doch von der Stadt übernommene Ausfallbürgschaft endet 2011. Und der Zuschuss von jährlich 4.750 Euro an „Alles im Fluss“ (als Relation: Die konservativ ausgerichteten Festspiele Europäische Wochen Passau erhalten jährlich 15.0000 Euro) steht in den Sternen: „Wir hoffen natürlich, dass dieses hochinnovative Projekt fortgesetzt werden kann und gehen davon aus, dass sich in diesem Fall auch die Stadt Passau nach ihren Möglichkeiten mit einer Förderung beteiligen wird“, sagt der Kulturreferent. Zusagen klingen anders.

Das ist mehr als bitter angesichts des atemberaubenden künstlerischen Niveaus, das Annette Reisinger und ihr Mitstreiter, der oberösterreichische Festivalleiter und Jazz-Kurator des Lin-zer Brucknerhauses Paul Zauner, dem Publikum in einer Fülle von Konzerten und pädagogischen Veranstaltungen geboten haben – unter anderem mit Größen wie Peter Ruzicka und Siemens-Musikpreisträger Michael Gielen. Dennoch ist die Nachhaltigkeits-Bilanz ernüchternd: Die einst ellenlange Liste der Partner von der Uni bis zum Landestheater ist auf ein Minimum geschrumpft, eine institutionelle Verankerung ist nicht gelungen. 

Darum richtet Zauner nach Reisingers Rückzug 2010 „Alles im Fluss“ völlig neu aus: Mangels Besucherinteresses ist das kompakte Frühjahrsfestival  gestrichen und wird ersetzt durch intensiv beworbene Einzelkonzerte. Zauner versucht, die Neue Musik dorthin zu bringen, wo das Publikum bereits vorhanden ist – etwa auf der sommerlichen „Kunstnacht“ in der Altstadt. Und das Wichtigste: „Alles im Fluss“ will künftig voll auf regionale Künstler setzen, die ein genuines Eigeninteresse an einer Neuen-Musik-Reihe haben und sich auch organisatorisch engagieren.

Da capo in Niederbayern also. „Alles im Fluss“ wird nur weiterleben, wenn Zauner dieser Kraftakt gelingt. Er ist zwar kein Niederbayer, aber mindestens ebenso trotzig, selbstbewusst und beharrlich. 

Raimund Meisenberger, Ressortleiter Feuilleton, Passauer Neue Presse

Das Projekt MEHR MUSIK! in Augsburg

Das von Juliane Votteler, Intendantin des Theaters Augsburg, initiierte Projekt MEHR MUSIK! zur besseren Akzeptanz zeitgenössischer Musik vor allem durch Kinder und Jugendliche ist eine Erfolgsgeschichte. In der Startphase im musikalisch eher traditionell orientierten Augsburg konnte man nicht sicher sein, ob die Initiative für die wenig beachtete zeitgenössische Musik Erfolg hat. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

1. Der Projektleiterin Ute Legner gelang es mit einer Fülle origineller Ideen, einem gut durchdachten Konzept und mit organisatorischem Geschick dem Ganzen den Charakter des Herausragenden und Zukunftsweisenden zu geben.

2. Alle wurden in das Netzwerk einbezogen: das musikalisch geförderte Kind und der Jugendliche aus der Brennpunktschule, das Gymnasium und die Hauptschule, Universität und Musikschule, Lehrer und Dozenten verschiedener Fachrichtungen, Architekten, Künstler, Musiker, Komponisten, Theater, Bildungs- und Kulturreferat. 

3. Durch die thematische Festlegung auf Neue Musik in Bezug auf Theater, Raum, Medien und Improvisation wurden jungen Menschen kreative Spielräume für aufregende Klangexperimente, fantasievolle Kompositionsversuche, interessante szenische Aktionen und spannende Hörerlebnisse eröffnet. 

4. Die Ergebnisse der Arbeit wurden in außerschulische Kontexte eingebunden und in besonderen Räumlichkeiten der Öffentlichkeit vorgestellt. Da schufen Schüler Klangskulpturen für eine Ausstellung im Rahmen der Architekturwoche oder machten sich für eine elektronisch bearbeitete Klangcollage auf akustische Spurensuche in einem ehemaligen Kasernengelände. Computerteile, Relais, Leuchtstoffröhren und Elektrogeräte dienten Auszubildenden als Fundus für Musikmaschinen und Lichtobjekte. Das Kurhaustheater, eine vergoldete, lichtdurchflutete Glas-Eisen-Konstruktion des 19. Jahrhunderts, bot bei bestens besuchten Veranstaltungen zum Beispiel mit fast 100 Mundharmonikaspielerinnen einer Realschule oder einem Grundschul-Laptoporchester einen prächtigen Rahmen, und die Eltern blickten bewundernd und stolz auf die Leistungen ihrer Kinder. Ein Publikum quer durch alle Altersgruppen pilgerte von einer Halle zur nächsten, um die Abenteuer von „Tom Dumm“ zu erleben, die Grundschüler in einer schulischen Schreibwerkstatt als spannenden Stoff für eine zeitgenössische Oper geliefert hatten. 

5. Zeitgenössische Musik fand durch die Projektinitiative nicht nur größere Beachtung im Konzert, sondern auch im künstlerisch-pädagogischen Studium und in der Lehrerfortbildung.

Sichtbares Zeichen der Anerkennung des Erfolgs durch die internationale Fachwelt ist die zweifache Auszeichnung mit dem „junge ohren preis 2010“ und die Berücksichtigung bei der internationalen Salzburger Fachtagung über „(Mozart) Wege zur Vermittlung von Musik“ im November 2011. Gegenwärtig ist es erklärtes Interesse der Stadt Augsburg, das gespannte Netzwerk zu erhalten, damit es in der Heimat des aufklärerischen Gelehrten, Künstlers und Musikpädagogen Leopold Mozart weiter nachhaltig wirkt.

Rudolf-Dieter Kraemer, Universität Augsburg

Noch mehr Augsburg

Nach knapp vierjähriger Projekttätigkeit lässt sich festhalten, dass „MEHR MUSIK!“ in der Stadt überraschend schnell gut angekommen ist. Es ist gelungen, maßgebliche Institutionen der Musikvermittlung zu vernetzen und über Kooperationspartner aktive Schnittstellen zu etablieren. 

Schulart- und generationenübergreifend konnte der Kontext Neuer Musik sehr erfolgreich als dritte Säule neben Theater und Tanz im Rahmen Kultureller Bildung eingebracht und verstetigt werden. Traditionelle Veranstaltungsreihen im Bereich der „Jetzt-Musik“ erhielten frischen Input und vor allem perspektivische Nahziele in der Kombination von außergewöhnlichem Event und nachhaltiger Kreativarbeit mit dem Nachwuchs. 

Es wurden beispielhafte Konzepte im Bereich der Musikvermittlung entwickelt und in einem Pool mit anderen außerschulischen, künstlerischen Partnern zur Verfügung gestellt. Damit einher ging die Forcierung kompetenter Fortbildung- und Workshopreihen, welche die „Projekt-Philosophie“ bei wichtigen Kulturakteuren implementieren konnte. 

Mit dieser Arbeit wurde der Grundstein gelegt für eine weitergehende, nachhaltige und zukunftsweisende Etablierung der Vermittlung und Präsentation von „Jetzt-Musik“ in all ihren Spielarten. Eine Basis, die eine vielversprechende Fortführung des Projektes unter akzentuierten Zielvorstellungen im Rahmen einer Offensive „Musikvermittlung in der Mozartstadt Augsburg“  realistisch erscheinen lässt.

Peter Bommas, Kuratorium MEHR MUSIK!, Leiter des Jungen Theater Augsburg

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