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Weniger Plätze wegen Pandemie: Corona bremst Theater

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Berlin - In Theatern und Opernhäusern sinkt jetzt wegen Corona von Amts wegen die Zuschauerzahl drastisch. «Vor Corona» - wie nun auch in der Welt der Bühnen die neue Zeitrechnung lautet - saßen Theaterbesucher meist dicht an dicht. Deshalb ist der Blick in den Saal des Berliner Ensembles jetzt sehr befremdlich. Von den 700 roten Samt-Sitzen im weiß-güldenen Saal stehen nur noch etwa 200 - mal einzeln, meist in Zweiergruppen.

Fast ein halbes Jahr ging in den meisten Theatern wegen der Corona-Pandemie gar nichts mehr. Jetzt im September nimmt der Betrieb langsam wieder Fahrt auf. Doch die Zahl der Sitzplätze ist von Bochum bis Berlin stark verkleinert. Die Behörden greifen ein, um die coronabedingten Abstandsregeln einhalten zu können.

Manche mögen denken: Endlich ist der Theaterbesuch wieder eine elitäre Angelegenheit, endlich hat jede(r) mehr Platz für sich. Endlich kann man sich zum Glück wieder auf ein Stück konzentrieren, ohne mit dem Sitznachbarn um die Lehne zu streiten oder sich über Sitzriesen oder Hochsteckfrisur vor einem zu ärgern.

Doch so einfach ist es nun auch wieder nicht. Viel fehlt vom sonstigen Zauber eines Theaterbesuchs. Regulierte Einlasswege, Mund-Nasen-Schutz bis zum Sitzplatz tragen, Kontaktdaten angeben, meist keine Pause, reduzierte Gastronomie, keine Garderobenabgabe - so lautet in vielen Häusern in Zeiten des Coronavirus die Ansage.

Verbände wie der Deutsche Bühnenverein forderten vor ein paar Tagen «von Bund und Ländern mehr Augenmaß bei der Zulassung von Publikum in geschlossenen Räumen unter Covid-19-Bedingungen».

Die reduzierte Zuschauerzahl ist vor allem bei privaten, unsubventionierten Bühnen geradezu beängstigend. In Berlin planen zum Beispiel die Kleinkunstzelte Tipi am Kanzleramt und Bar jeder Vernunft Auftritte von Désirée Nick, Maren Kroymann und Lisa Eckhart. Im Spiegelzelt Bar jeder Vernunft sollen nur 116 statt 234, im Tipi 180 statt 500 Einlass finden. Da fragen sich auch Besucher: Wie soll sich das rechnen? Wird es 2021 ein großes Bühnensterben geben?

Wenn die Staatsoper Hamburg am 5. September in die neue Spielzeit startet, werden statt der üblichen rund 1700 Plätze maximal 500 Eintrittskarten verkauft, andere Opernhäuser warten noch mit der Wiedereröffnung, die Oper Stuttgart kommt erst im Oktober wieder - mit voraussichtlich 330 Sitzen statt der regulär etwa 1400.

Die Semperoper in Dresden startet nach Angaben der Pressestelle in diesen Tagen mit reduziertem Spielplan und Sitzplan, bietet zunächst nur 300 der sonst 1300 Plätze an. Die Bayerische Staatsoper darf vorerst nur 200 von etwa 2100 Plätzen besetzen, bei der Oper Frankfurt am Main sind es 390 von etwa 1360.

Das Schauspiel Frankfurt hat laut seiner Sprecherin im großen Saal 160 statt 700 Plätze zur Verfügung, in den Kammerspielen 40 von 180. Das Schauspielhaus Hamburg hat normalerweise gut 1200 Plätze - jetzt sind es erstmal nur 330. Und in der Berliner Volksbühne stehen 130 bis 150 Plätze von sonst maximal 824 zur Verfügung.

Das Düsseldorfer Schauspielhaus stellte letzte Woche drei Tage lang auf dem Platz vor dem Theater seine Premieren in einer Art Preview vor. Die Veranstaltung ersetzte das Eröffnungsfest im ganzen Haus. In der ersten Septemberwoche geht es dann los - im großen Saal aber wegen der Corona-Abstandsregeln nur mit 180 von etwa 740 Plätzen.

An dem von Johan Simons geleiteten Schauspielhaus Bochum fällt wegen Corona ebenfalls das Eröffnungsfest mit Tausenden Besuchern aus. Den Startschuss in die Saison gibt am 10. September das Shakespeare-Drama «King Lear». Die Zuschauerkapazität reduziert sich von 820 auf 180.

Etwas anders läuft es in Österreich: Die weltberühmte Wiener Staatsoper hat nach Angaben einer Sprecherin einen sogenannten dynamischen Sitzplan. Von den etwa 1700 Sitzplätzen können bis zu 1200 besetzt werden. Bis zu vier Plätze kann eine Familie oder ein Haushalt nebeneinander buchen, dann sperrt das System umliegende Stühle. Kämen mehr Einzelpersonen, würde mehr gesperrt.

Und auch in der Schweiz läuft es anders: Das Opernhaus Zürich beschränkt die Zahl der Plätze auf 900 (statt sonst bis zu 1200). Ab 20. September gebe es ein «Live-Erlebnis in einer nie da gewesenen Darbietungsform» - zum Auftakt «Boris Godunow» von Modest Mussorgski in der Inszenierung von Barrie Kosky. Die großen Kollektive Orchester und Chor werden aus einem luftigen Proberaum, der zum Aufnahmestudio umfunktioniert wurde, live zur Aufführung in die Oper übertragen. Sängerinnen und Sänger stehen wie gewohnt auf der Bühne.