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Wir machen schließlich keine Automobile

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Enzo Restagno, neuer künstlerischer Leiter bei BMG Ricordi, im Gespräch
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Mimma Guastoni geht, Tino Cennamo kommt. Über die neue Situation bei BMG Ricordi Italien berichtete die neue musikzeitung bereits in ihrer Dezember-/Januarausgabe. Auf der Frankfurter Musikmesse nutzte nmz-Redakteur Andreas Kolb die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Tino Restagno, dem neuen künstlerischen Leiter bei Ricordi. nmz: Was ist anders nach dem Wechsel an der Spitze? Restagno: Casa Ricordi ist bereits vor einigen Jahren von dem multinationalen Konzern BMG New York aufgekauft worden. Keiner kann sagen, daß sich Casa Ricordi nicht eine starke Autonomie bewahrt hat. Sie ist weiterhin ein wichtiger Protagonist im nationalen und internationalen Musikleben. Denken Sie nur an das Feld der Oper. Hier finden Sie eine Tradition vor, die von der lyrischen Oper bis zum heutigen Musiktheater reicht. Wenn Sie denn aktuellen Katalog von Ricordi nehmen, dann sehen Sie, daß beinahe alle Komponisten des Hauses auch als Opern- und Musiktheaterkomponisten tätig waren und sind, darunter Prominente wie Luciano Berio, auch Luigi Nono, aber auch jüngere wie Fabio Vacchi, Lucca Francesconi, Adriano Guarneri. nmz: Für Ricordi ist die Oper nach wie vor nicht tot? Restagno: Man kann sagen, die Geschichte des Verlagshauses ist auch sein Schicksal. Ich glaube, Ricordi muß in dieser Richtung weiterarbeiten. Ricordi sieht sich in der Rolle eines „opinion leaders“, was die Weiterentwicklung des modernen Musiktheaters angeht. Die modernen Opernhäuser haben sich offensichtlich zu Museen der lyrischen Oper entwickelt. Wir brauchen eine Transformation, eine Umwandlung der Aufführungsräume, des Publikums, der Musiker. Ricordi setzt seine Aufgabe fort, Opernintendanten zu überzeugen von der neuen, der heutigen Oper und den Werken des zeitgenössischen Musiktheaters. nmz: Doch die Zeiten sind härter geworden im Verlagsgeschäft... Restagno: Wir sind da, um Musik zu editieren, auch in Zukunft. Der Markt, in dem wir agieren, ist für uns und andere Verlagshäuser nicht vorrangig durch Konkurrenz bestimmt: Wir machen schließlich keine Automobile. Die Werte, die auf unserem Markt gehandelt werden, lassen sich nur schwer schätzen. Daher fühlen wir eine große Verantwortung, denn wir schaffen die kulturellen Werte der Zukunft. nmz: Wie stellt sich die Situation der neuen Musik in Zukunft dar nach dem Weggang von Mimma Guastoni? Restagno: Wenn Mimma Guastoni Ricordi verläßt, um nach Rom zu gehen, dann werden keine grundsätzlichen Änderungen eintreten. Ich kenne Guastoni seit 25 Jahren; es existiert eine grundlegende Übereinstimmung bei uns über die künstlerische Arbeit und die Einschätzung unserer Künstler. Unser Katalog nennt viele potente Komponisten, auch deutsche, wie Dieter Schnebel, mit dem mich eine lange Freundschaft verbindet, natürlich Olga Neuwirth und Heiner Goebbels. Oder zum Beispiel Klaus Huber, einen Schweizer. Das Interesse von Ricordi für diese Komponisten bleibt gleich, ja es nimmt sogar zu. nmz: Haben Sie noch vernünftige Budgets für Produktionen zur Verfügung? Restagno: Natürlich herrscht heute eine andere ökonomische Situation als vor 20 Jahren. Sie betrifft allerdings nicht nur Ricordi, sondern spielt weltweit eine Rolle. Natürlich schaut der neue Eigentümer, BMG New York, auf die Bilanzen. Wir müssen unsere Ausgaben etwas reduzieren, im Sinne der Quantität. Wir können nicht Hunderte von neuen Komponisten aufnehmen. nmz: Was sind Ihre jüngsten Pläne? Restagno: Selbstverständlich machen wir weiter mit der wunderschönen Ausgabe von Werken Luigi Nonos. Er ist ja nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland sehr populär. Ich war beeindruckt, als ich hörte, wie viele Doktorarbeiten jährlich in Deutschland das Thema Nono abhandeln. Es gibt auch jüngere Komponisten: Da ist beispielsweise der Italiener Fabio Nieder aus Triest, der in der Nähe des Chiemsees lebt. Zur Zeit arbeitet er an einem Musiktheater nach einem Libretto von Claudio Magris. Nieder könnte in den nächsten Jahren viel von sich reden machen. Ein anderer Komponist von den Jungen ist Fabio Vacchi: ein Italiener, sehr versiert im Musiktheater. Er hatte großen Erfolg speziell in Frankreich und Italien. Wenig bekannt in Deutschland ist Marco di Bari, dann Lucca Francesconi, der zur Zeit ein Werk für die Oper in Brüssel in Zusammenarbeit mit Covent Garden und anderen Theatern schreibt. nmz: Gibt es Änderungen bei der Aufteilung, eine andere Gewichtung der Ressorts? Restagno: Ich glaube nicht. Die wissenschaftlichen Ausgaben beispielsweise sind weiterhin ein Muß. Dazu zählen die kritischen Ausgaben der Werke von Verdi, Rossini, Donizetti genauso wie von Schönberg. Wir sind spät auf diese Themen gestoßen, wir haben großen Respekt vor der Arbeit der deutschen Verlage. Sie haben diese Arbeit viele Jahre vorher begonnen. In Italien existiert ein weiteres Werk, das es zu entdecken gilt: die große musikalische Schule Neapels, die im 16. Jahrhundert von Bedeutung war. Es gibt ein immenses Repertoire dort, das in unseren Konzertsälen so gut wie nicht überlebt hat. Hier sehen wir eine immense „archäologische“ Aufgabe vor uns, die wir zu bewältigen haben. Wir wollen quasi die Monumente der europäischen Kulturgeschichte ausgraben, wieder zugänglich machen. nmz: Was ist mit dem Segment „Pädagogische Ausgaben“? Restagno: Zur Pädagogik kann ich leider nichts sagen. Darauf bin ich nicht vorbereitet, da es nicht mein Ressort ist.

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