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Zeitgeist ohne Verstand

Untertitel
Die Diskussionen über die Berliner Kulturpolitik wollen nicht enden. Man ist ihrer schon so überdrüssig wie den ewigen Debatten über Atomausstieg oder Spendenaffären. Hervorstechendstes Merkmal der meist kontroversen Diskurse ist die babylonische Begriffsverwirrung unter den Diskutanten. Dass die Politiker dabei den kläglichsten Eindruck hinterlassen, liegt in der Natur des Systems. Da sie sich vornehmlich um Karriere und Wiederwahl kümmern müssen, bleibt für die Aneigung von spezifischem Fachwissen keine Zeit. Schlagworte, Phrasen und leere Versprechungen verdecken die Hohlräume im Kopf, von dem her offenbar nicht nur der Fisch zuerst stinkt.
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Die Kultur agiert in einem gesellschaftlichen Raum, der ihre Ansprüche nur ungenügend gesetzlich schützt. Sie ist daher dem politischen Dilettantismus besonders schutzlos ausgeliefert. Die neue Bundeshauptstadt bietet für alles Negative reichen Anschauungsunterricht. Die Details sind auf Seite 6 dieser Ausgabe nachzulesen. Das zentrale Problem wird bei dem ganzen Gezerre um Geld, Finanzierungen oder Zuständigkeiten nicht gesehen: Die Kultur, die Künste, das allgemeine Geistesleben leiden zunehmend an der Bewusstlosigkeit einer Sozietät, für die nicht allein eine ignorante Politikerkaste verantwortlich ist. Die Missstände beginnen bei der Erziehung in der Jugend, in Elternhaus und Schule. Überall hier findet seit vielen Jahren schon eine unablässig sich beschleunigende Erosion der tradierten, meinetwegen: bürgerlichen, Kulturinhalte statt, und nur eine Minderheit gern als Quengler klassifizierter Mahner aus Kunst, sozial sich verstehender Pädagogik, Psychologie und Medizin versucht verzweifelt, die Folgen dieser Erosion für die psychische Entwicklung und das soziale Verhalten junger Menschen (und nicht nur dieser) ins allgemeine Bewusstsein zu hämmern: Eine Sisyphosarbeit, vor allem in den Sphären schnöder Tages- und Wirtschaftspolitik.

Die Diskussionen über die Berliner Kulturpolitik wollen nicht enden. Man ist ihrer schon so überdrüssig wie den ewigen Debatten über Atomausstieg oder Spendenaffären. Hervorstechendstes Merkmal der meist kontroversen Diskurse ist die babylonische Begriffsverwirrung unter den Diskutanten. Dass die Politiker dabei den kläglichsten Eindruck hinterlassen, liegt in der Natur des Systems. Da sie sich vornehmlich um Karriere und Wiederwahl kümmern müssen, bleibt für die Aneigung von spezifischem Fachwissen keine Zeit. Schlagworte, Phrasen und leere Versprechungen verdecken die Hohlräume im Kopf, von dem her offenbar nicht nur der Fisch zuerst stinkt. Die Kultur agiert in einem gesellschaftlichen Raum, der ihre Ansprüche nur ungenügend gesetzlich schützt. Sie ist daher dem politischen Dilettantismus besonders schutzlos ausgeliefert. Die neue Bundeshauptstadt bietet für alles Negative reichen Anschauungsunterricht. Die Details sind auf Seite 6 dieser Ausgabe nachzulesen. Das zentrale Problem wird bei dem ganzen Gezerre um Geld, Finanzierungen oder Zuständigkeiten nicht gesehen: Die Kultur, die Künste, das allgemeine Geistesleben leiden zunehmend an der Bewusstlosigkeit einer Sozietät, für die nicht allein eine ignorante Politikerkaste verantwortlich ist. Die Missstände beginnen bei der Erziehung in der Jugend, in Elternhaus und Schule. Überall hier findet seit vielen Jahren schon eine unablässig sich beschleunigende Erosion der tradierten, meinetwegen: bürgerlichen, Kulturinhalte statt, und nur eine Minderheit gern als Quengler klassifizierter Mahner aus Kunst, sozial sich verstehender Pädagogik, Psychologie und Medizin versucht verzweifelt, die Folgen dieser Erosion für die psychische Entwicklung und das soziale Verhalten junger Menschen (und nicht nur dieser) ins allgemeine Bewusstsein zu hämmern: Eine Sisyphosarbeit, vor allem in den Sphären schnöder Tages- und Wirtschaftspolitik. Wer künstlerische Arbeit über deren berechtigten autonomen ästhetischen Anspruch hinaus auch als Instrument individueller und damit in Folge zugleich gesellschaftlicher Sensibilisierung sieht, als Chance, im gemeinsamen Musizieren soziales, kommunikatives Verhalten einzuüben, in der Versammlung der Menschen im Theater, im Konzertsaal, an den Stätten der Kunst, gemeinschaftsstiftende Lebensformen auszubilden, das Empfinden für emotionale und soziale Verbundenheit zu stärken, der wird auch die finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Kultur anders sehen. Vielleicht wären wir der inneren Wiedervereinigung schon näher, würde man Kunst und Kultur im beschriebenen Sinne als gesellschaftspolitische Waffe verwenden. Das Berliner Gefeilsche ist nur kontraproduktiv.

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