Immer noch ist es eine Frage eher des Glaubens und des Vertrauens als der sachlichen Beurteilung, ob man die Weltmusikfeste der IGNM für notwendig oder überflüssig, ihre Ergebnisse für langweilig, passabel oder unerträglich hält. Denn das tatsächliche Erscheinungsbild spricht nicht für die Sache. […]
Als Begrüßung und Entrée hatte das Stadttheater Basel einen modernen Opernabend beigesteuert mit Isang Yuns „Der Traum des Liu-Tung“ und Heinz Holligers „Der magische Tänzer“. Das eine eine Traum-Parabel aus dem alten China, deren einleuchtende musikalische Projektion an einer steifen und unergiebigen Textfassung leidet; das andere ein symbolhaltiges Spiel mit zwei realen und zwei irrealen, zu Marionetten verfremdeten Figuren, deren Welt Holliger mit komprimierten Klanggesten und Affektsignalen ausstattet; das Ganze ein Beweis für das durchdachte Engagement des Basler Theaters. Nach Holliger entbot die Schweiz für das erste Konzert – als statutengemäße Selbstpräsentation in eigener Regie – nochmals fünf Komponisten, Klaus Huber, Rudolf Kelterborn, Robert Suter, Jacques Wildberger und Jürg Wyttenbach, mit insgesamt durchaus niveauvollen Stücken, unter denen Hubers Violinkonzert „Tempora“ durch beherrschte, etwas introvertierte Eigenart und Wyttenbachs musiktheatralischer Ulk „Exécution ajournée“ durch parodistische Lust am Spaß auffielen.
Rechnet man noch die offiziellen Festivalbeiträge von Jacques Guyonnet und Hans Ulrich Lehmann hinzu, so mag die breitgestreute und sehr individuell gefärbte Aktivität der ‚kleinen‘ Schweiz erstaunen, Und da man ihr sonst nie so gebündelt begegnet, hatte das Musikfest auch darin seinen guten Sinn. Um so mehr, als neben dieser Konstante sich das Übrige auf weite Strecken in jene graue Pluralität verlor, die der IGNM zu Recht ihren schlechten Ruf eingetragen hat. […]
Ulrich Dibelius, Neue Musikzeitung, XIX. Jg., 1970, Nr. 4 (Aug./Sept.)