Die Diskussionen um moderne Technik im schulischen Einsatz reißen nicht ab. Projekte wie „Schulen ans Netz“ sorgen dafür, dass so gut wie jede Schule – zumindest auf dem Papier – im weltweiten Datennetz mitsurfen kann. Fortbildungsangebote für Lehrer schießen wie Pilze aus dem Boden und sind meist ausgebucht. Forderungen nach Computern in jedem Klassenraum und Laptops für Schüler werden laut. Schule bereitet ja bekanntermaßen auf das Leben vor und sie soll die Fertigkeiten vermitteln, die im Berufsleben später unverzichtbar sein werden. Medienkompetenz ist das Schlagwort der letzten Zeit.
Der Begriff Schlag-Wort ist in diesem Fall durchaus wörtlich zu nehmen: Der Anspruch, der durch die breite Berichterstattung noch geschürt wird, wirkt häufig genug regelrecht er-schlagend. Der Druck auf Lehrer und Schüler wird immer größer. Für eine sachliche Diskussion darum, in welchem Rahmen der Einsatz von Computern im Unterricht sinnvoll ist und wo die Grenzen des Machbaren liegen, bleibt wenig Raum im Überschwang der Begeisterung. Gerade innerhalb des Musikunterrichtes fällt es auf Anhieb schwer sich überhaupt vorzustellen, inwiefern moderne Technik dort ihren Einsatzbereich finden kann.
Bevor der erste Mouseklick getan werden kann, stehen viele Hindernisse im Weg. Die benötigte Ausstattung mit Hard- und Software muss vorhanden und die Konditionen für den Internetzugang müssen geklärt sein. Eine Einarbeitung in die fachspezifischen Programme ist nötig, um eine dem Unterricht angemessene Auswahl treffen zu können. Letztendlich ist die Unterrichtsvorbereitung wesentlich aufwändiger als beim Einsatz älterer, vertrauterer Lehrmittel. Dies alles kostet natürlich Geld, aber vor allem auch viel Zeit.
Nicht für alle Themengebiete ist es sinnvoll, den Computer im Unterricht einzusetzen. Aber er bietet vielfältige Möglichkeiten, neue Methoden zu erproben. Beim sogenannten „Sequenzing“ werden mit Hilfe des Computers Stücke im MIDI-Format produziert. Als „Sampling“ bezeichnet man das Nachbearbeiten und Verfremden digital aufgezeichneter Geräusche und Klänge. Wo früher eine professionelle Studio-Ausstattung zum Mischen mehrerer Tonspuren nötig war, reicht heute ein herkömmlicher PC. Schüler haben hier die Möglichkeit, aktiv selber ihre individuelle Musik zu schaffen und nach Lust und Laune mit Klangvariationen zu experimentieren. Tempo und Stimmlage zu verändern, ist ebenso simpel wie der Austausch eines Instrumentes gegen ein anderes oder eine Überarbeitung mit Hall- und Echo-Effekten. Auf diese Weise können beispielsweise Halbplaybacks für klasseninterne Karaoke-Vorführungen geschaffen werden.
Notensatz- und Kompositionsprogramme bieten die Möglichkeit, „richtig“ zu komponieren. So bieten sie zum Beispiel die Option, eine selber entworfene Melodie mit den dazu passenden Akkorden zu unterlegen. Und das am Ende vom Drucker ausgespuckte, sauber gearbeitete Notenblatt macht auch gleich einen viel professionelleren Eindruck als mit Bleistift mühsam bekritzeltes, immer wieder nachkorrigiertes und daher leicht verschmiertes Notenpapier.
Software ist dem „analogen“ Unterricht vor allem dort überlegen, wo sie eine Verbindung zwischen Sehen und Hören herstellen kann. Die direkte, unmittelbare Erfahrung, dass ein Motiv in zwei verschiedenen Schlüsseln vollkommen anders aussieht, aber genau gleich klingt, ist beispielsweise in dieser Form nur am Computer möglich. Inzwischen gibt es schon einige Angebote an Lernsoftware, die zur Gehörbildung, in der Harmonielehre oder zum Erlernen des Notenlesens eingesetzt werden können. Ihr Einsatz ermöglicht Schülern, ein individuelles Lerntempo zu bestimmen. Die direkte auditive Rückmeldung erlaubt eine sofortige Fehlerkorrektur ebenso wie das sofortige Erfolgserlebnis. Allerdings ist es beim Einsatz solcher Software im Unterricht wichtig, dass die Schüler Kopfhörer tragen. Dies verändert die Unterrichtssituation radikal, da die kommunikativen Möglichkeiten zwischen Lehrer und Schüler dadurch stark beeinträchtigt werden.
Präsentationstechniken halten in allen Fachbereichen immer mehr Einzug. So ist es auch im Musikunterricht möglich, Ergebnisse multimedial zu präsentieren. Mit Hilfe von Präsentationssoftware genügen ein paar Klicks mit der Mouse, um die Stichpunkte der Referatsfolien mit Bildern, kurzen Klangbeispielen oder Videosequenzen anzureichern. Die Voraussetzung hierzu ist das Vorhandensein eines Beamers zusätzlich zum Computer.
Das Material für solche multimediale Präsentationen findet sich häufig genug im Internet. Und dies bietet noch eine ganz andere Möglichkeit, den Unterricht zu verändern: durch Projektarbeit. Beispielsweise können Schüler sich über Leben und Werk eines Komponisten auf ganz andere Art informieren als in Bibliotheken. Das Internet bietet ihnen auf Knopfdruck Informationen von der politischen Situation bis zur Mode der damaligen Zeit, meistens sind auch noch Beispiele der berühmtesten Werke digital verfügbar oder sogar deren Noten. Dies ermöglicht Schülern, eine Ära auf vielfältige Art zu erfassen. Auf diesem Hintergrund ergibt sich dann auch ein anderes Verständnis für das Werk.
Projektarbeit beinhaltet das schon in der Reformpädagogik verschlagwortete „implizite Selbstlernen“, also einen Ansatz, der sehr deutlich darauf ausgerichtet ist, aktiv und selbstbestimmt zu lernen. Durch die Informationsfülle des weltweiten Datennetzes sind Schüler gleichzeitig gezwungen, sich Mechanismen zur Informationsverarbeitung, also zu ihrer Auswahl, Sortierung und Gewichtung, anzueignen. Gerade diese Fähigkeiten sind in einer Informationsgesellschaft unverzichtbar. Der Unterricht ist der Ort, an dem für die Schüler Struktur in der Informationsflut entsteht und der Raum, in dem sie ihre Ergebnisse stolz präsentieren können.
Die Rolle des Lehrers verändert sich hierbei also. Er nimmt nicht länger den ausschließlich wissensvermittelnden Part ein, sondern er ist vielmehr als Koordinator, Moderator, Manager und Coach gefragt.
Kleingruppenarbeit innerhalb eines Projektes fördert die Eigenständigkeit der Schüler und die Motivation. Ihrem Wunsch nach aktiver Gestaltung des Unterrichts wird auf diese Weise entsprochen. Sie sind nicht mehr einfach Konsumenten, sondern sie sind aktiv ins Geschehen mit einbezogen und arbeiten selbstverantwortlich. Viele Erfahrungsberichte bestätigen diese positiven Effekte.
Die Grenzen eines sinnvollen Einsatzes von Technik sind allerdings dort erreicht, wo Musik eine sozio-emotionale Komponente bekommt. Das sinnliche Empfinden, ein Instrument in der Hand zu halten, dessen Vibrationen zu spüren und die Fingerfertigkeit zu seiner Bedienung zu erlernen, das Gefühl, einem Instrument eine Melodie entlocken zu können, eine Aussage mit dem Mittel der Musik zu treffen, das kann kein Computer vermitteln. Auch das Gefühl des Ensemblespiels, häufig kaum hörbarer aber unverzichtbarer Teil eines Ganzen zu sein, das Erlernen des Aufeinander-Hörens und quasi blind Miteinander-Kommunizierens, ist nicht mit moderner Technik vermittelbar.
Und noch ein ganz anderer Aspekt kommt hinzu: Das Medium verliert mit der Zeit den Reiz des Neuen. Eine Überfrachtung führt genauso wie in anderen, ähnlich gelagerten Fällen schnell zu Ermüdungserscheinungen und Langeweile. Ziel sollte es also nicht sein, jede Möglichkeit, die Computer bieten, auszunutzen, sondern ihr Einsatz sollte wohldosiert erfolgen. Wünschenswert wäre es, wenn trotz aller Schlagworte und Diskussionen der Computer auf Dauer eine Methode wie viele andere auch würde. Irgendwann wird er vielleicht so selbstverständlich sein wie ein Buch oder der Videorekorder.