Vor allem präsentierten sich hier Firmen, die sich mit Datenbanken im Netz profilieren wollen: Hier konnte man nach Adressen aus der Musikbranche recherchieren oder nach Musikernamen und musiktheoretischen Begriffen suchen. Andere Netzunternehmen boten MP 3-Files zum Herunterladen oder CDs zum Verkauf an. Ob hier wahrhaftig die Chance besteht, mit dem Internet das große Geld zu machen, und welche von den vielen aus dem Boden schießenden Firmen langfristig überleben, steht in den Sternen. Viele von denen, die heute das Neueste und Beste anbieten, das, worauf der Musikliebhaber schon immer gewartet hat, werden dabei sicher auf die Nase fallen.
Die Frankfurter Musikmesse – so scheint es – hat die Zeichen der Zeit erkannt. Schwerpunkt des diesjährigen Großevents war das Thema „Musik und Internet“. Kaum zu übersehen die großen gelben Plakate in den Hallen und Fluren des Messegeländes, die auf die Sonderausstellung hinwiesen. Der interessierte Besucher, der die aktuellen technischen Entwicklungen des neuen Mediums Internet begutachten wollte, wandte sich eilenden Schrittes in die Halle 9.1, wo er vergeblich nach der angekündigten Ausstellung Ausschau hielt. Diese war in einen Nebenraum ausquartiert, in dem gerade mal ein Dutzend Firmen einen eher beengten Standplatz besetzen konnten: Die Zukunft der Kommunikationstechnik spielte sich in Frankfurt im Hinterzimmer ab. Vor allem präsentierten sich hier Firmen, die sich mit Datenbanken im Netz profilieren wollen: Hier konnte man nach Adressen aus der Musikbranche recherchieren oder nach Musikernamen und musiktheoretischen Begriffen suchen. Andere Netzunternehmen boten MP 3-Files zum Herunterladen oder CDs zum Verkauf an. Ob hier wahrhaftig die Chance besteht, mit dem Internet das große Geld zu machen, und welche von den vielen aus dem Boden schießenden Firmen langfristig überleben, steht in den Sternen. Viele von denen, die heute das Neueste und Beste anbieten, das, worauf der Musikliebhaber schon immer gewartet hat, werden dabei sicher auf die Nase fallen. Weniger spektakulär, aber vermutlich überlebensfähiger stellen sich die etablierten Musikverlage im Internet dar. Sie mischten sich nicht unter das bunte, schreiend-exotisch wirkende Völkchen in der Schwerpunkt-Ausstellung. Ihre traditionellen Stände, die sich seit Jahr und Tag in der Halle 8 befinden, lassen nicht viel erkennen von den großen – auch die Musikwelt umwälzenden – Veränderungen, die der Umgang mit dem Netz in sich birgt. Nach wie vor stellen sie ihre Noten- und Bucheditionen aus und vertrauen darauf, dass die inhaltliche und gestalterische Qualität ihrer Produkte den Endverkäufer überzeugt. Dennoch beschäftigen sich die Verlage mit den Chancen, die das Netz aufzeigt, mit ihrer eigenen Internet-Präsenz und den Möglichkeiten, über das neue Medium zu werben und zu verkaufen. Im Gespräch mit den Netz-Verantwortlichen zeigt sich, dass man die Veränderungen, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, sehr wohl annimmt und sie zu nutzen versucht.Netz-„Newcomer“ Breitkopf & Härtel zum Beispiel präsentiert sich erst seit drei Monaten auf einer eigenen Website. Dafür wurde der Auftritt sehr sorgfältig vorbereitet: Das Suchsystem ist klar, das Bestellwesen, das über vom Verlag vorgeschlagene Musikalienhändler läuft, leicht zu durchschauen. Für Breitkopf hatte, so der Leiter der Werbeabteilung Frank Reinisch, die Einführung der neuen Verkaufsschiene einen nicht zu unterschätzenden Nebeneffekt: Zum ersten Mal war man gezwungen, die verschiedenen Verlagskataloge zu einem einzigen zusammenzuführen. Davon verspricht man sich auch intern eine Verbesserung der Strukturen.
Alter Hase, aber dennoch nicht Vorreiter im Internet, ist der Schott Verlag: Hier läuft das gesamte Bestellwesen noch über einen Link zum Verzeichnis lieferbarer Musikalien. Allerdings wird zur Zeit über Neuerungen nachgedacht, die zu einer engeren Händlerbindung führen sollen. Außerdem wird heftig über die Kooperation mit Netzanbietern wie „net4music“ diskutiert, die das publishing on demand für den Endnutzer anbieten.
Mit einem schon heute attraktiven Erscheinungsbild, das nichtsdestotrotz im kommenden Monat noch verbessert und den wachsenden Tempo-Ansprüchen der Nutzer angepasst werden soll, präsentiert sich der Henle Verlag: Hier hat der Besucher die Möglichkeit, sich zu allen Ausgaben Musterseiten zeigen zu lassen. Das zur Zeit noch komplizierte Bestellwesen soll in der neuen Version erheblich erleichtert werden. Designierter Geschäftsführer Wolf-Dieter Seifert und Werbeleiter Johannes Raber sind davon überzeugt, dass sie den Anforderungen der neuen Technik gewachsen sind, auch wenn sie, wie die meisten ihrer Kollegen, nicht an das große Geschäft durchs Netz glauben. Die Anforderungen an Notenausgaben seien andere als die an Bücher, die schon heute in großem Maß über Internet-Händler vertrieben werden. Die gute Qualität zähle, von der sich jeder Kunde selbst überzeugen müsse. Schließlich muss die Partitur auf dem Klavier stehen bleiben, das Notenbild gut lesbar sein – dazu kommt die Freude an der ästhetischen Gesamterscheinung.
Auf zwei parallelen Netzschienen fährt der Peters Verlag: einerseits werden die Verlags-Produkte auf der eigenen Website gezeigt – auch hier wird der Verkauf über Musikalienhändler abgewickelt, die Peters dem Nutzer vorschlägt. Zum anderen wurde 1999 der Internet-Handel www.musia.de, eine Peters-Tochter, ins Leben gerufen, der auch mit den Produkten der Konkurrenz handelt und hier sicher eine Vorreiterrolle in Sachen E-Commerce einnimmt. Die mangelnde Beratung vieler Kunden, so Sales Manager Joachim Großpersky, habe den Verlag auf die Idee gebracht, einen eigenen Handel einzurichten, der Beratungsdienstleistungen per Telefon oder Mail einschließt.
Die wenigsten der Verlage geben an, dass sie mit ihrem Internet-Auftritt bereits schwarze Zahlen schreiben – in der Regel schlägt sich die Netz-Präsenz nicht in den hier erzielten Gewinnen nieder. Anders der zwar kleine, aber inzwischen etablierte Verlag Dohr: Hier, so scheint es, macht sich der E-Commerce schon auf der Haben-Seite bemerkbar. Dem Beispiel größerer Kollegen wie Schott oder Bärenreiter folgend, hat Dohr seinem Verlag einen Versandhandel angeschlossen, über den er den Bestellservice direkt abwickeln kann. Für Dohr bietet das Internet darüber hinaus die Möglichkeit, die Verlagsprodukte wesentlich umfangreicher darzustellen als dies in der vergleichsweise kostspieligen Printwerbung denkbar wäre.
Ähnliches gilt für den AMA Verlag, der zwar keine Bestellmöglichkeiten für den Endkunden anbietet, seine Web-Seiten aber für umfangreiche Werbung nutzt. Der Abruf von Verlagskatalogen über die Netzschiene, so Geschäftsführer Detlef Kessler, sei inzwischen schon größer als über die gesamte Anzeigenwerbung in Printmedien. Ob dies nun zu höheren Verkaufszahlen führt, bleibt allerdings offen. Alle Verlage können zumindest auf rasant steigende Zugriffszahlen verweisen.
Fast überall werden von den Verlagen zwei Vorteile erkannt, die ein effektiver Umgang mit dem Medium Internet „nebenbei“ abwirft: zum einen entdecken ganz neue Interessentengruppen die Produkte der etablierten Musikverlage. Menschen, die nie in ihrem Leben ein Musikaliengeschäft betreten haben, stoßen mehr oder weniger zufällig auf die Angebote, die, wenn auch vielleicht nicht sofort, so doch mittelfristig für sie interessant sein könnten. Und: Endkunden, die bisher im Normalfall keinerlei Kontakt mit dem Verlag, bei dem sie kauften, hatten, können nun erfasst und – wenn man es klug anstellt – gezielt angesprochen und beworben werden. Dies sind Chancen, die zu nutzen sind.
Sieht man vom unterschiedlichen Outfit der einzelnen Verlags-Webseiten einmal ab, so stellt sich das Bestellwesen als Faktor dar, der zukünftig sicher entscheidend zum Erfolg oder Misserfolg des Internet-Auftritts beitragen wird. Nur wo einfach, schnell und verlässlich gekauft werden kann, ist ein zu Buche schlagender Handel denkbar. In einer schnelllebigen Zeit wie der unseren ist die Kaufentscheidung ebenso schnell wieder aufgegeben, wie sie vorher getroffen wurde. Ob der elektronische Handel mit Musikalien tatsächlich interessante Ausmaße annehmen wird oder ob die Präsenz der Verlage im Netz eher Prestige- und Marketing-Funktionen erfüllt – darüber möchte keiner der befragten Fachleute eine eindeutige Prognose wagen. Sicher haben es die Netz-Adressen der Grossisten, des VLM, solcher Unternehmen wie musia oder gewiefter Musikalienhändler wie Andreas Demond einfacher, die ein breites Angebot offerieren und damit die Möglichkeit für den Endkunden zu vergleichen und auszuwählen.
Womit wir uns dem vielleicht heikelsten Thema im Zusammenhang mit Musikalien im Netz nähern: Wo bleibt auf lange Sicht der Musikalienhändler? In einem sind sich die Vertreter aller Verlage seltsam einig: Zwar möchte man keinesfalls den Musikalienhändlern an den Kragen – Gott bewahre uns vor einer Zeit des Direktverkaufs! Schließlich ist es der Händler, der den Kunden kompetent beraten, ihm das auf dem Markt vorhandene Angebot breit gefächert vorstellen soll. Fast immer jedoch werden schnell die Vorbehalte deutlich gegenüber dem „typischen“ Händler, der sein Sortiment ständig verkleinert, weil er ein gut ausgestattetes Lager nicht mehr finanzieren will, der immer noch Däumchen dreht und darauf wartet, dass die Kunden automatisch sein Geschäft stürmen, um Chorpartituren in Massen zu erwerben, der seine Beratungsdienstleistung auf ein Mindestmaß herabgesenkt hat und der sich glücklich schätzt, dass er inzwischen über ein Faxgerät verfügt und an die Anschaffung eines Computers mit E-Mail und Netzanschluss vielleicht in fünf Jahren einmal nachdenken wird. Zugegeben: ein graues Bild, das sich hier abzeichnet, das aber doch von solchen Menschen gemalt wird, die täglich damit zu tun haben. Niemand leugnet die positiven Ausnahmen: Und gerade die werden es sein, die auch zukünftig – in einer Welt, in der Direkt-Verkauf, E-Commerce und Techniken wie „publishing on demand“ unaufhaltsam das Marktgeschehen beeinflussen werden – überleben können. Eine Ausdünnung im Bereich des Handels aber lässt sich prognostizieren. „Wir brauchen auch zukünftig Musikalienhändler, aber Musikalienhändler in anderer Form“ – dieser treffende Satz gibt wieder, was alle denken.