Heinrich Strobel, der in diesem August in Baden-Baden gestorben ist, war, obwohl weder als Komponist noch als Interpret tätig, eine der Vaterfiguren der Neuen Musik, als Schriftsteller und Organisator ein Motor von Bedeutung.
Strobel wurde am 31. Mai 1898 in Regensburg geboren, studierte in München und kam 1927 als Kritiker nach Berlin, wo er sich nicht zuletzt als Redakteur der Zeitschrift „Melos“ heftig für die damalige Avantgarde einsetzte. Schon 1928 erschien sein Buch über Hindemith. Vor dem Nationalsozialismus floh Strobel 1939 nach Frankreich. 1941 erschien in Paris sein Debussy-Buch. 1946 kehrte er nach Deutschland zurück, um die Musikabteilung des Südwestfunks in Baden-Baden zu übernehmen, wo er zusammen mit Hans Rosbaud das in Sachen Neuer Musik nach wie vor hervorragende Funk-Orchester gründete, die Donaueschinger Musiktage reorganisierte und die Zeitschrift „Melos“ als Herausgeber leitete. 1955 erschien sein Strawinsky-Buch. Aber auch als Übersetzer von Bizets „Carmen“, als Librettist der Opern Rolf Liebermanns und – last not least – als Verfasser eines Kochbuches (Karl Frahm) hat er sich einen Namen gemacht.
Obwohl ursprünglich der Neoklassizität zugeneigt, konzentrierte er sich in den Nachkriegsjahren mehr und mehr auch auf die Schönberg-Schule und deren Auswirkungen auf die neue Avantgarde. Als Präsident der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik hat Strobel von 1956 bis 1969 eine der für die Geschicke der Moderne entscheidenden Schaltstellen eingenommen. Stockhausen und Boulez (auch als Dirigent) verdanken Strobel Entscheidendes. Und das Profil, das die Donaueschinger Musiktage viele Jahre hindurch hatten, ist zum hohen Grad durch Strobel bestimmt worden. Als Entdecker, Förderer, Organisator und Manager gehörte er zu den wichtigsten Figuren der Neuen Musik. Er hat sich einen Namen gemacht, indem er anderen dabei half, und auch für die Internationalisierung der Moderne hat der Frankophile Strobel Wesentliches geleistet. Seine Funktionen als Initiator sind unbestritten.
Gerhard R. Koch, Neue Musikzeitung XIX. Jg. 1970, Nr. 5 (Oktober/November)