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Die Urheber waren fleißig wie noch nie. Oder steht diese Wertschätzung eher den Mitarbeitern der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte – volkstümlich GEMA – zu? Den Funk- und Fernseh-Programmgestaltern? Den Konzertdirektionen oder den Schallplattenfirmen? Vielleicht gar der neuen Internet-Ingenieursgeneration? Über 1,46 Milliarden Mark hat dieser Wertschöpfungs-Verbund 1998 in die Kassen der GEMA gespielt: Wieder mal ein Rekordergebnis. Doch schon beginnt das Hauen und Stechen. Wenn es um Cash geht, werden leider auch Komponisten zu Hyänen. Das Ausgangsmaterial des Kapitalsegens, der Kulturbaustein Musik nämlich, gerät dabei tief in Vergessenheit. Im Rahmen des jährlichen Verteilungskampfes bei der Mitgliederversammlung erwartet GEMA-Chef Reinhold Kreile diesmal ein besonders intensives Gemetzel: Das neue Hochrechnungs-System PRO führt zwar objektiv zu mehr Verteilungsgerechtigkeit, läßt aber die Einkünfte von Tonsetzern, die sich selbst gern aufführen, drastisch schrumpfen. Da wird das schöne Wort, daß nicht der Euro Europa regiert, sondern die Kultur, wenig helfen: Mordio-Gezeter ist programmiert. Gut 200 Millionen Mark gab die GEMA im letzten Jahr aus, um die Rechte ihrer Urheber zu schützen, Schutzverletzungen aufzuspüren und zu ahnden – und natürlich für ein wirksames Inkasso. Raffinierte Musik-Suchmaschinen fürs Internet wurden konstruiert, die GEMA-Bezirksdirektionen als Musikdetekteien auf Effizienz getrimmt – mit Erfolg. Eine Bank investiert also in ihre Bewachung. Das ist ein bewährtes, konservatives Prinzip, aber auch ein oberflächliches. Geistiges Eigentum spielt in unserem gesellschaftlichen Verständnis im Verhältnis zum materiellen nur eine untergeordnete Rolle. Wert hat angeblich die Immobilie, nicht das kreative Produkt. Mit ihrem finanziellen Erfolg führt die GEMA diesen Trugschluß freilich selbst ad absurdum. Phantasie ist der Rohstoff der Zukunft. Wie wäre es, wenn ein angemessener Teil ihrer Verwaltungs-Gelder nicht in schutzpolizeiliche Maßnahmen, sondern in eine Kampagne investiert würde, die in unserer Gesellschaft den Wert geistigen Eigentumes bewußt macht? Dieser Weg ist langwierig, aber auf Dauer erfolgversprechender und kulturell angemessener als Zwangsmaßnahmen und elektronische Fingerabdrücke. Es ginge darum, Kindern, ihren Eltern und Lehrern klar zu machen, daß Phantasie ihren Preis hat. Hierfür schlüssige Argumentationen samt den kreativ-vermittelnden Materialien zu entwickeln, scheint keine Institution geeigneter als die GEMA: die Heimat der Schöpfer. Und wahrscheinlich ergäbe es sich – mit der Zeit – als liebenswerter Nebeneffekt, daß Urheber während der GEMA-Mitgliederversammlung gelegentlich an ihr Klavier denken, und nicht nur ans Sparschwein.

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