Vor 100 Jahren: Der Verband Deutscher Musikkritiker mit Sitz in Leipzig hat sich konstituiert. +++ Vor 50 Jahren: In einer großangelegten Untersuchung „Musikberufe und ihr Nachwuchs“ ist der Deutsche Musikrat diesen Zusammenhängen nachgegangen und hat dabei aufschlussreiche Ergebnisse erzielt.
Vor 100 Jahren
Der Verband Deutscher Musikkritiker mit Sitz in Leipzig hat sich konstituiert. Zweck soll der Zusammenschluss solcher Musikschriftsteller sein, die durch Bildungsgang und künstlerisch wie moralisch einwandfreie Ausübung ihres Berufes als vollwertige Vertreter des deutschen Kritikerstandes angesehen werden können. Ziel die Hebung des Kritikerstandes in künstlerischer, wirtschaftlicher und sozialer Beziehung. Kein Kampf-, sondern ein Interessenschutz-Verband, ein passives Regulativ, das aktiv nur da erscheint, wo die Verhältnisse ein Eingreifen erfordern. Bei der ersten Versammlung in Jena mit bereits 22 Mitgliedern wurde die Bestimmung „einheitliches Vorgehen in wichtigen Fragen der Musikpolitik“ durch „Stellungnahme zu wichtigen organisatorischen und sozialen Fragen des Musiklebens“ ersetzt. Der Musikkritiker ist nicht nur Journalist mit dem Spezialressort „Musik“, sondern er ist der publizistische Anwalt einer Kunst, deren Interessenvertretung mit den Aufgaben des reinen Journalismus an sich nichts gemeinsam hat, ihnen zuweilen sogar direkt entgegengesetzt ist. Die Kunstbetrachtung zielt ihrem Wesen nach auf sachlich eindringliche Erkenntnis und Wertung, der moderne Journalismus auf eine möglichst schnelle und getreue Reproduktion des äußerlich erfassbaren Geschehens. Er hat sich außerhalb der Protektionszone der Musikzeitungen begeben und überlässt es diesen, ihr Verhalten zu ihm ganz nach redaktionellem Ermessen zu regeln.
Neue Musik-Zeitung, Jg.35. 1913/1914, Heft 1, S.1
Vor 50 Jahren
In einer großangelegten Untersuchung „Musikberufe und ihr Nachwuchs“ ist der Deutsche Musikrat diesen Zusammenhängen nachgegangen und hat dabei aufschlussreiche Ergebnisse erzielt, die manche klärende Rückschlüsse auf ihre innere Situation gestatten. Unter den 6710 Studierenden von insgesamt 33 musikalischen Ausbildungsstätten fanden sich 2400 Abiturienten, 2558 Mittelschüler mit Obersekunda-Reife und 1752 Volksschüler. Wenn man die Abiturientenzahl um die Schulmusiker verringert, für die das Abiturium obligatorisch ist, fällt der prozentuale Anteil der Abiturienten auf 24,3 Prozent, steigt der der Mittelschüler auf 44,9 Prozent, der der Volksschüler auf 30,8 Prozent. Bei den Instrumentalisten (hauptsächlich Pianisten), Streichern und Bläsern, bilden die Mittelschüler die Spitze, die Volksschüler stehen an zweiter Stelle und erst dann folgen mit Abstand die Abiturienten. Man hüte sich davor, aus diesen Zahlen zu schließen, dass eine höhere geistige Bildung Vorrecht großer Instrumente sei oder gar von „gebildeten“ und „ungebildeten“ Instrumentalfächern zu sprechen. Unverkennbar ist aus diesen Vergleichszahlen herauszulesen, dass der Abiturient, der den musikalischen Beruf wählt, zunächst nach der Solistenlaufbahn strebt. Wieviele dieser Solistenhoffnungen zuletzt im Orchester landen, wird statistisch kaum feststellbar sein. Aber es wird jetzt schon mit einem gewissen Missbehagen beobachtet, dass die meisten Streicher, die solistisch wohl in der Lage sind, ein Bach- oder Mozartkonzert sauber zu spielen, bei der Stimme eines schwierigen Orchesterwerkes versagen, wenn sie sich um eine Tuttistelle in einem Symphonieorchester bewerben…
Neue Musikzeitung, Jg.12. 1963, Nr. 5, S. 1