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Andrea Breths Wozzeck-„Inszenierung“ an der Staatsoper Berlin. Foto: Bernd Uhlig
Andrea Breths Wozzeck-„Inszenierung“ an der Staatsoper Berlin. Foto: Bernd Uhlig
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„Arme Leut“ im Niemandsland: Andrea Breth inszeniert „Wozzeck“ an der Berliner Staatsoper

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Am Wochenende der „langen Nacht der Oper“ in Berlin will die Staatsoper mit der ungewöhnlichen Abfolge zweier Premieren im Tagesabstand ihre Leistungsfähigkeit auch im Ausweichquartier des Schillertheaters unter Beweis stellen: Zur Neuinszenierung der „Walküre“ gab es hier als Vorabend – mit deutlichem Berlin-Bezug, dem Ort der Uraufführung im Jahre 1925 – Alban Bergs „Wozzeck“. Was damals ein Übermaß an Proben verlangt und für ein heftiges Für und Wider in Publikum und Presse, bis in die laufenden Aufführungen hinein, gesorgt hatte, wird nunmehr problemlos goutiert.

Der Opernhandlung zugrunde liegt ein Leipziger Kriminalfall aus dem Jahre 1821, dem Mord des geistesverwirrten Soldaten Franz Woyzeck an seiner Braut Marie. Die medizinischen Gutachten des zum Tode verurteilten Woyzeck verarbeitete Georg Büchner zu einem Drama, das er jedoch nur als Fragment hinterließ. Die ungeordneten Szenen wurden 1879 unter dem (auf einem Lesefehler basierenden) Titel „Wozzeck“ veröffentlicht, 1913 in München als Schauspiel uraufgeführt und dann parallel von den Komponisten Alban Berg und Manfred Gurlitt (Bremen 1926) als Oper vertont.

In der Nachfolge der Staatsopern-„Wozzeck“-Regisseure Ruth Berghaus von Patrice Chéreau inszenierte Andrea Breth die Geschichte der leidenden „armen Leut’“ in einem Niemands-Opernland, also weder aktualisiert, noch dramaturgisch zugespitzt – wie etwa an der Komischen Oper Berlin.

Die fünf Charakterstücke des ersten Aufzuges spielen nun in einem engen, durch Stangen begrenzten Segment einer aufgebockten Drehscheibe, deren Funktion erst in den fünf Szenen des zweiten Aktes deutlich wird. Nun dreht sich die Scheibe für den Spaziergang von Hauptmann und Doktor, und bei der in einer Obdachlosentoilette angesiedelten Wirthaus-Szene strecken sich die Hände des Chores durch die Stangen. Die fünf Inventionen des dritten Aktes brechen dann das Grundkonzept des Bühnenbildners Martin Zehetgruber weiter auf, denn die Mordszene am See und die Szene in der Schenke ereignen sich im Dunkel der dekorationslos leeren Bühne; erst im Schlussbild dreht sich wieder die Scheibe, nun – angesichts des Steckenpferdes des Waisenkindes – wie ein entleertes Karussell. Der Kinderchor ist nicht auf der Bühne, sondern singt aus dem Orchestergraben, und deren melodramatische Sätze verlautbart der sich auf dem Boden krümmende Wozzeck. Demnach hat er sich in der vorangegangenen Szene nicht ertränkt, sondern wartet in Andrea Breths Interpretation – wie das historische Vorbild der Bühnenfigur – verwirrt auf seine Hinrichtung.

Zu den optischen Eigenwilligkeiten der Produktion gehört, dass der muskulöse, stets mit nacktem Oberkörper agierende Tambourmajor (John Daszak) nicht über den wiederholt besungenen Bart verfügt, dass der Hauptmann (Graham Clark) sich angezogen in einer Sitzbadewanne rasieren lässt und der Doktor (Pavlo Hunka) seinem Versuchsobjekt Wozzeck Bohnenbrei über den Kopf schüttet, um ihn dann mittels Schlauch in einem blauen Plastikbottich abzuduschen. Die Szene zwischen Andres und Wozzeck spielt nicht auf freiem Feld, sondern offenbar in einem Nebenraum der Feldküche, beim Häuten von Hasen. Aber weder diese Besonderheiten, noch ein an der Rampe kotzender Handwerksbursche oder die häufigen ausgiebigen Koitus-Szenen (der angezogenen Protagonisten) vermögen beim Publikum für Irritationen zu sorgen.

Zu schön sind jene atmosphärischen Ebenen, die Daniel Barenboim mit dem Orchester der Staatsoper heraufbeschwört. Fesselnd gelingen dem Dirigenten die Steigerungen der fünf Sätze des vom Komponisten als Symphonie angelegten Mittelaktes, und klanggewaltig ergreifend die Zwischenspiele des Schlussaktes.

Abgesehen von Chor (Einstudierung: Eberhard Friedrich) und Kinderchor (Einstudierung: Vinzenz Weissenburger) halten sich die gesanglichen Leistungen dieses Abends in Grenzen. Von Roman Trekel, intensiv in der Darstellung der Titelpartie, wünschte man sich mehr stimmliche Durchschlagskraft. Nadja Michael erhielt als Marie sogar einige Buhrufe, – wohl primär aufgrund eines schwer erträglichen „S“-Fehlers.

Mehr als Charakter denn stimmlich überzeugte Heinz Zednik als Narr. Erfreulich hingegen Florian Hoffmann als Andres, Jürgen Zinn als erstem Handwerksburschen und dem – in fast allen Marie-Szenen – anwesenden Fabian Sturm als Wozzecks und Maries Sohn.

Der Premierenapplaus nach der pausenlosen Aufführung war kurz. Die Bühnentechniker der Staatsoper wurden von der Regisseurin in die erste Reihe der zu Applaudierenden gerückt, und ein Küsschen von B&B vor dem Vorhang besiegelte den Erfolg der doppelten-„B“-Paarung von Berg und Berlin, Barenboim und Breth.

Weitere Aufführungen: 21. und 24. April 2011

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