1587 erschien in Frankfurt ein Volksbuch: Historia von D. Johann Fausten, das zum ersten mal das Symbol des Menschen nach der verzweifelten Suche nach Erkenntnis thematisiert. Das Buch war der Ausgangspunkt aller literarischen Auseinandersetzungen mit dem Faust-Mythos.
Zwischen 1797 und 1808 erschien von Johann Wolfgang von Goethes „Faust der Tragödie erster Teil“. Goethe hat mit seiner Liebe zur Musik von Anfang an die Vertonung gesucht: Der Dichter vergleicht seinen Faust mit Mozarts „Zauberflöte“. 1845 hatte Hector Berlioz den Text vertont. Dann erschien 1859 „Faust“ von Charles Gounod – ein Welterfolg. Elisabeth Stöppler, die 2009 dieses Werk in Oldenburg aspektenreich inszenierte, richtete nun am Staatstheater Hannover „Mefistofele“ von Arrigo Boito ein – und wurde zu Recht mit stehenden Ovationen bejubelt.
Der 1842 in Padua geborene Boito ist in der Opernwelt bekannt. Allerdings nicht als Komponist, sondern als der Librettist von Giuseppe Verdis „Falstaff“ und „Otello“. Wieviel er von der Oper versteht, zeigen allein diese beiden großen Textbücher. Und seine einzige komponierte Oper „Mefistofele“, nachdem sie jahrzehntelang sozusagen nicht existierte, erscheint wieder fast häufig auf den Opernbühnen. Weil man doch gemerkt hat, dass es 1868 sich zwischen den Riesen Verdi und Wagner in der Fassung von 1875 um einen ganz eigenen Protest gegen Verdi und originelle Musiktheaterlösung handelt, viel weniger Bel Canto Gesang und stärkere Deklamation. Oder ob das Thema – hat der Mensch eine Wahl zwischen Gut und Böse – vielleicht in diesen Zeiten eine steigende Relevanz hat? Wahrscheinlich beides. „Wir tanzen auf den Trümmern der Erde“: als ob das nicht aktuell wäre....das Ende ist offen wie in der Inszenierung Stöpplers.
Stöppler verführt durch eine beeindruckende Mischung aus interpretationsbedürftigen Bildern wie dem übergroßen Baby auf der Bühne oder den schwangeren Engeln und eher einfachen volkstheaterartigen Bildern wie die Walpurgisnacht in historischen Kostümen… Dazwischen gibt es alles. Ein Bühnenbild aus goldenen und silbernen Lamettavorhängen, realistische Szenen, wenn Faust Margareta das Schlafmittel für die Mutter aufdrängt, einen personifizierten, viel Goethe zitierenden Gott, den es bei Boito gar nicht gibt und der eine Rede für die helfende und sogar rettende Präsenz von Ästhetik hält, …. Und in und über allem die Dauerpräsenz von Mefistofele, der in feuerrot-schwarzen Klamotten mit heller Freude über seine Taten durch die Szene – am Anfang mit schwarzem Hund - tobt: das allein ist durch Shavleg Armasi ebenso stimmstark wie spielfreudig realisiert. Im wahrsten Sinne des Wortes pfeift er auf die Welt und den Himmel: „Ich will den völligen Ruin der Schöpfung“. Und Pavel Valuzhin als Faust gewinnt und verliert - schön gesungen - permanent an Profil. Je nachdem, wie er in der Wette zwischen Gott und Mephisto regelrecht hin- und hergeschmissen wird. Und eine recht selbstwusste Margherita, die am Ende durchaus „Nein“ sagen kann, wird stimmprächtig entwickelt von Barno Ismatullaeva, die natürlich auch die griechische Elena singt.
Unter der Leitung des Generalmusikdirektors Stephan Zilias läßt die Musik nie an Spannung nach: sie reißt mit durch Dauerpower und unglaubliche Energie, verströmt ebenso klischeehafte wie wunderbare Atmosphären u.a. durch ausgestorbene Instrumente wie der Ophikleide, die Berlioz auch in seiner Fantastischen Sinfonie eingesetzt hat. Eine riesige Choroper auch: toll der Hannoveraner Chor. Viel Verdi und Wagner ist zu hören, aber eben auch das, was Boito daraus gemacht hat: und das lohnt ebenso einen Besuch wie die Inszenierung.
Weitere Aufführungen: 16.10. um 16 Uhr, am18.10 um 19.30, am 23.10.um 16 Uhr, am 28.10 und am 5.11. um 19.30.