Im Tarifstreit zwischen der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) und dem Deutschen Bühnenverein (DBV) droht die Gewerkschaft jetzt mit einem Ausstieg aus dem Flächentarifvertrag. Entweder gebe es eine Tarifeinigung noch im ersten Halbjahr 2009 oder es werde zu weiteren Arbeitskämpfen und Einzeltarifverträgen der DOV ohne den Bühnenverein direkt mit den Rechtsträgern kommen, sagte DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens am Freitag in Berlin.
Der Bühnenverein konterte umgehend: «Die Arbeitgeber der Orchestermusiker stehen für direkte Tarifverhandlungen mit der DOV, ohne dass der Bühnenverein daran beteiligt wird, nicht zur Verfügung.» Mertens sagte, eine Aufkündigung des Flächentarifvertrags sei «nicht der Untergang des Abendlandes».
Im Konzertorchesterbereich gebe es bereits zahlreiche Einzeltarifverträge: «Wir müssen das Rad nicht neu erfinden.« Dies sei zwar mit einem erhöhten Arbeitsaufwand verbunden, «aber keine Aufgabe, die so fürchterlich schreckt». Der Tarifstreit zwischen den Orchestern und dem Bühnenverein schwelt seit langem.
Alle Verhandlungsrunden waren bisher gescheitert. Vor wenigen Tagen hatte die DOV, die Ende 2008 bereits Vorstellungen an Opern und Theatern bestreikte, ein neues Angebot vorgelegt, in dem laut Gewerkschaft rund 99 Prozent der bereits erzielten Ergebnisse enthalten waren. Nur etwa «ein Prozent» sei noch streitig, sagte Mertens am Freitag. Er äußerte auch «die Sorge, dass der Musikerberuf im Verhältnis zu Länge und Härte immer unattraktiver wird» - vor allem in mittleren und kleinen Orchestern.
Der Geschäftsführende Direktor des Bühnenvereins, Rolf Bolwin, sagte, der DBV sei weiter an einer schnellen Einigung über den Flächentarifvertrag interessiert. «Der im November 2006 erzielte Abschluss kann jederzeit unterschrieben werden.» Dass dies noch nicht geschehen sei, liege an den Nachforderungen der DOV. Problematisch sei deren Vorstellung, die Löhne der Musiker sollten auch dann erhöht werden, wenn alle anderen Mitarbeiter des gleichen Betriebs keine Lohnerhöhungen erhielten. »Sobald die DOV diese Forderung fallen lässt, ist der Weg zu einer Einigung eröffnet.»
Mertens stellte am Freitag auch die Konzertstatistik 2007/2008 der 133 deutschen Kulturorchester vor. Demnach ist die Gesamtzahl aller Konzerte im Vergleich zu 2005/2006 um ein Prozent auf 12 684 Veranstaltungen zurückgegangen. Einen Anstieg um 17 Prozent auf 665 gab es bei den Schülerkonzerten, die Zahl der Kinder- und Jugendkonzerte wuchs um fünf Prozent auf 972 Veranstaltungen. Eine größere Rolle spielten für die Orchester auch Konzerte im Ausland, die um 17 Prozent auf 614 anstiegen. Mertens sagte, das Auslandsgeschäft werde künftig jedoch schwieriger werden, da sich die Sponsoren wegen der Finanzkrise wohl eher zurückhielten. Auch die Zahl der Projekte in Schulen wird seiner Einschätzung nach künftig zurückgehen. Grund seien die sinkenden Personalkapazitäten der Orchester. Generell werde sich aber das Angebot für junge Menschen ausweiten. Als Beispiel nannte er Klassik-Lounges und Schnupper-Abos. Mertens sagte weiter, in den neuen Bundesländern drohe jedoch eine Überalterung der Orchester. Es gebe zu viele Musiker, die in den Vorruhestand gingen und zugleich zu wenig Neueinstellungen junger Musiker.