Eigentlich wollte Uwe Eric Laufenberg den „Parsifal“ an der Kölner Oper inszenieren. Weil er dort aber nach großem Streit um Etat und Sanierung das Handtuch warf, inszeniert er Richard Wagners letzte Oper jetzt auf dem Grünen Hügel.
Ursprünglich sollte der Skandal-Künstler Jonathan Meese den neuen „Parsifal“ bei den Bayreuther Festspielen inszenieren. Doch nach seinem Rauswurf übernahm Uwe Eric Laufenberg (55) die Aufgabe. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht der Intendant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden über sein Regiekonzept. Er erläutert, warum er es für falsch hält, die Bayreuther Festspiele einzuzäunen – und was es bedeutet, vier Wochen vor der Premiere einen neuen Dirigenten zu bekommen.
Warum haben Sie die Aufgabe übernommen?
Ich bin großer Wagner-Fan und beschäftige mich, seitdem ich in die Oper gehe – also sagen wir, seit ich 15 war – mit diesen Stücken. Da hat man natürlich den Wunsch, die irgendwann mal zu machen. „Parsifal“ wollte ich damals für die Oper Köln machen. Wir hatten das Konzept, das Bühnenbild, die Entwürfe für die Kostüme, fertig erarbeitet, aber dann hatte ich ja einen Riesen-Krach mit der Stadt Köln und es kam nicht auf die Bühne. Ich nehme an, dass Katharina Wagner davon wusste und mich darum nach dem Aus für Meese angerufen und gefragt hat, ob sie sich das mal angucken dürfe.
Wieviel hat sich an diesem Konzept geändert?
Am Grundkonzept hat sich eigentlich nicht viel geändert, an den Details dann aber doch Wesentliches. Das Bühnenbild musste geändert werden, die Kostüme auch. Mein Regie-Buch, das ich damals schon fertig geschrieben hatte, ist inzwischen ein völlig anderes. Aber es ist bei einem so komplizierten Stück wie „Parsifal“ vielleicht auch gut, wenn man da zweimal neu drüber nachdenkt.
Was ist Ihnen beim zweiten Nachdenken denn Neues eingefallen?
Verschiedenes. Man kann beispielsweise Dinge, die man beim ersten Denken noch zu kompliziert denkt, vereinfachen. Ich halte es ja gerne mit dem Einstein-Spruch: So einfach wie möglich und so kompliziert wie nötig. Das gilt manchmal für Theaterarbeit auch – gerade bei symbolischen Stücken, die Welten bewegen, indem die Personen oder Symbole wie Speer, Kreuz, Gral für etwas stehen. Die Frage ist, wie viel man von Seiten der Regie aufwenden muss, um diese Symbole zum Sprechen zu bringen und zu zeigen, was dahintersteckt. Das hat – gerade bei Wagner – manchmal etwas von einer guten, mathematischen Aufgabe.
Was verbirgt sich denn in Ihrer Inszenierung hinter den Symbolen?
Es sind natürlich christliche Symbole und es geht um das Christentum, die christliche Kirche. Es ist ein Zwiespalt zwischen dem Glauben an dieses Mysterium des fließenden Blutes des Erlösers und auf der anderen Seite dem Schrecken davor, dass die Menschheit eben nicht erlöst wird von diesem Töten, Foltern, Schmerzen haben. Das Stück dreht sich um die Frage, ob man irgendwann rauskommt, aus dieser zerstörenden, Körper zerfetzenden Welt. Es geht in diesem Stück um Werte wie Mitgefühl für Mitmenschen und Mitwesen und Offenheit. Man hört diese Oper, um sein Sensibilitätsgespür durchspülen zu lassen. Es ist natürlich heikel, mit diesen religiös besetzten Dingen umzugehen, aber das war es bei der Uraufführung auch schon. Deshalb wollte Wagner ja auch, dass es ausschließlich hier in Bayreuth gespielt wird. Jetzt haben wir das Gegenteil: Die Aufführung wird in Kinos und im Fernsehen gezeigt, es gibt eine DVD.
Als zum ersten Mal etwas über Ihr Konzept bekannt wurde, hieß es, Ihr Stück sei islamkritisch. Jetzt gibt es verschärfte Sicherheitsvorkehrungen, einen Zaun um das Festspielhaus...
Da kann mir aber keiner erzählen, dass das irgendwas mit mir zu tun hat. Das Label „islamkritisch“ ist vielleicht dadurch in die Welt gekommen, dass ich zuletzt in Wiesbaden die „Satanischen Verse“ herausgebracht habe. Das eine hat mit dem anderen aber nichts zu tun
- außer, dass der Islam auch eine monotheistische Religion ist und auch im „Parsifal“ kurz vorkommt. Man könnte den zweiten Akt in Richtung Islam denken – trotzdem geht dieses Stück nicht um den Islam, es geht ums Christentum.
Hätten Sie sich mal vorstellen können, dass Sie sich als Theatermann in Deutschland nochmal derart Gedanken um die Sicherheit machen müssen?
Wir leben in einer Welt, in der Sie permanent in Gefahr sind. Aber wenn wir in einer offenen Gesellschaft leben wollen, wird es die absolute Sicherheit nicht geben. Die Statistik sagt, dass es viel wahrscheinlicher ist, bei einem Autounfall ums Leben zu kommen als bei einem Terroranschlag. Die Furcht vor dem Terroranschlag ist also – auch in Zeiten, in denen sie gerechtfertigt ist – viel zu groß und wird von der Gesellschaft viel zu hoch gezogen.
Haben Sie Sorge, dass es sich auf die Inhalte auswirkt, wenn man anfängt, Theaterhäuser einzuzäunen?
Dagegen wehre ich mich, so gut es eben geht, aber ohne Gewalt. Die „Satanischen Verse“ sind ein Ausdruck, dagegen zu kämpfen, es ist ein Meisterwerk und verdient gekannt zu werden.
Rushdie sagt: „Sprache ist Mut einen Gedanken zu fassen, ihn auszusprechen und so Wirklichkeit werden zu lassen.“ Wenn wir uns selbst zensieren, würden wir alle Freiheiten in der Kunst, die über Jahrhunderte erobert wurden, freiwillig wieder aufgeben. warum sollten wir das tun? Ich glaube, Angst ist in allen Fällen ein schlechter Berater. Was hier an Sicherheitsapparat läuft, das ist schon sehr bedenklich, es engt hier viele Mitarbeiter ein. Viele kommen ja hierher, weil sie das gerne machen, weil sie aber auch ihre Ferien hier verbringen. Wenn man mit seiner Familie hierher kommt, möchte man die auch mal mitbringen und eine gewissen Lebensqualität vorfinden. Wenn diese Lebensqualität eingeschränkt wird, werden die Festspiele davon Schaden erleiden.
Sehen Sie denn eine Alternative?
Ja, natürlich: Einfach aufmachen!
Haben Sie eigentlich mal mit Herrn Meese gesprochen?
Nein, der hat mich ja einfach nur pauschal beschimpft. Das interessiert mich nicht. Aber Herr Meese ist ja auch kein Regie-Kollege, er hat ja noch keine Regie gemacht. Darum fühlte ich mich auch in keiner Weise verpflichtet.
Halten Sie das Bayreuther Publikum für ein besonderes?
Über die ganzen Jahre habe ich die Erfahrung gemacht, dass zur Premiere ein anderes Publikum da ist als zur Saison. Im Laufe der Festspiele mischt es sich. Ich habe noch erlebt, wie Flugblätter mit der Aufschrift „Rettet Richard Wagner“ verteilt wurden und man Jean-Pierre Ponnelle vor dem Festspielhaus ins Gesicht gespuckt hat. Ich glaube aber das, was man lange mit dem Bayreuther Publikum verbunden hat, das Reaktionäre, ist mittlerweile weg. Das hat die Zeit geschafft und das haben die Aufführungen geschafft, die gezeigt haben, dass Wagner doch mehr der Revolutionär als der Reaktionär ist. Publikumsreaktionen sind ja sehr irrational und emotional und können sehr ekstatisch sein, wie das bei Auftritten von sehr guten Sängern ja der Fall ist. Die Regisseure bekommen ja meistens das Buh ab. Also ich brauche das Buh nicht. Ich bin nicht enttäuscht, wenn es nicht kommt – man kann es also gerne lassen.
Vier Wochen vor der Premiere hat Dirigent Andris Nelsons das Handtuch geworfen – was heißt das für Sie?
So bedauerlich es ist, dass Andris Nelsons abgereist ist und nicht dirigiert, so erfreulich ist, dass Hartmut Haenchen eingesprungen ist und die Sache nun mit ungeheurer Energie und Akribie leitet. Für uns alle ist das eine große Umstellung, der wir uns aber mit Freude und Zuversicht stellen.
ZUR PERSON: Uwe Eric Laufenberg (55) ist seit 2014 Intendant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden. Von 2009 bis 2012 hatte er den gleichen Posten an der Oper Köln inne, den er aber nach öffentlichem Hickhack um Etat und Sanierung vorzeitig aufgab. Trotzdem gelang es ihm, die Kölner Oper in der Kritikerumfrage der Zeitschrift „Opernwelt“ 2012 zum “Opernhaus des Jahres“ zu machen.