Zur Abwechslung an dieser Stelle einmal kein Klagegesang über den Untergang des Abendlandes, kein Protestsong wider den Ausverkauf unserer Musikkultur. keine Schmährede an die Adresse der Kulturpolitik. Stattdessen etwas Positives, wie es gern, speziell von Politikern, gefordert wird. In Stuttgart sind die Tage der Neuen Musik, die sich den griffigen Titel „Éclat“ zugelegt haben, vom alten Theaterhaus im Stadtteil Wangen in das neue Theaterhaus auf dem Pragsattel umgezogen. Für rund 22 Millionen Euro, aufgebracht von Stadt Stuttgart und Land Baden-Württemberg, verwandelte sich ein ehemaliger Fabrikkomplex in ein modernes Kulturzentrum, in eine zünftige, dem aktuellen Kulturverständnis angemessene Kultur-Fabrik.
Die Institution „Musik der Jahrhunderte“, die dem Stuttgarter Musikleben immer wieder bemerkenswerte Impulse verleiht, hat auf dem Pragsattel eine feste Heimstatt für ihre Arbeit gefunden, nicht nur die nötigen Büroräume, sondern, und das ist wirklich faszinierend, eine regelrechte Flucht von Konzert-und Proberäumen, wozu auch ein geräumiges Foyer zählt, das zusätzliche Auftrittsmöglichkeiten bietet. Vier Konzertsäle in verschiedenen Größen und die Probenräume gestatten dem „Éclat“-Festival eine großzügige, vielgestaltige Programmplanung. Das diesjährige erste Festival im neuen Haus demonstrierte das überzeugend ( Bericht auf Seite 33). Lebendig und interessant ging es zwar auch schon im charmanten Provisorium im alten Theaterhaus zu, doch jetzt bewegt sich das Festival doch in einer anderen Dimension, strahlt nicht zuletzt durch seine zentrale Lage weit in Stadt und Region, auch überregional aus, was schon beim Auftakt unschwer am Publikum zu erkennen war. Dass im neuen Theaterhaus auch andere Stuttgarter Kulturinitiativen eine Arbeitsstätte gefunden haben, sei nicht nur am Rande vermerkt.
Beim diesjährigen Festival wurde auch wieder der Kompositionspreis der Landeshauptstadt Stuttgart übereicht: Arnulf Herrmann und Gianluca Ulivelli nahmen die Auszeichnung aus der Hand des Stuttgarter Oberbürgermeisters Wolfgang Schuster entgegen – auch dieser setzte mit seinem Engagement für die Neue Musik ein nachahmenswertes Zeichen: Kultur sollte überall zur, zumindest geheimen, Chefsache erhoben werden. Schuster erinnerte daran, dass der Beschluss, einen Stuttgarter Kompositionspreis zu stiften, immerhin schon 1949 gefasst wurde (vergeben wird der Preis dann seit 1955). Was waren das noch für Stadtväter: Gerade war die „Welt“ (fast) untergegangen, die Stadt lag in Trümmern, die existentielle und soziale Not war unvorstellbar – da pflanzten Stuttgarts Ratsherren ein hoffnungsvolles „Bäumchen“ in die „Wüste“ und nannten es „Neue Musik“. An dieses Beispiel sollte man gerade heute wieder erinnern.