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Bildungs-Lücke

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Er ist bestiegen: Der lange Zeit als unbezwingbar geltende Dresdener Bildungs-Gipfel geriet für die professionell ausgerüstete parteiübergreifende Politiker-Seilschaft aus Bund und Ländern allerdings eher zum rhetorischen Übungs-Hügel. Kein Grund also für die Errichtung eines Gipfel-Kreuzes, eher für einen kräftigen Schluck aus der Frust-Flasche. Denn fast jede mittlerweile lauthals geäußerte Kritik an den aufwändig präsentierten Ergebnissen ist berechtigt.

Schon im Vorfeld monierten die Deutschen Kultur- und Musikräte das Fehlen jeglichen künstlerischen, jugendkulturellen Aspektes in der Agenda. Unter dem Leitstrahl der „Qualifizierung“ standen die sogenannten „MINT“-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften – Biologie, Chemie, Physik – und Technik) im zentralen Fokus. Musikunterricht? – Eventuell nachmittags?

Kein Wunder also, dass die Gipfelstürmer auch im dramatisch proklamierten Feld der Früh-Förderung vornehmlich auf Sprach-Kompetenz abhoben. Ein des Deutschen mächtiger Kurden-Immigrant wäre – daran sei nichts bekrittelt – sicherlich in der Schule lernfähiger, und das ist gut. Aber dann eben auch verwertungs-kompatibler, firmentauglicher, wenn die Institution Schule vorwiegend als Vorbereitungszentrum für den praktischen Beruf gesehen und verstärkt in diese Richtung „qualifiziert“ wird.

Finanzpolitisch schlüssig band man die nötige Steigerung des Bildungs-Etats an das Brutto-Sozialprodukt. So bleibt gewährleistet, dass die „Investition“ im unwahrscheinlichen Fall einer Wirtschaftskrise unter dem dicken Emotions-Mantel solidarischer Katastrophenbewältigung finanzpolitisch und moralisch korrekt abgespeckt werden kann.

Das Gipfel-Konzentrat lieferte die Kanzlerin höchstpersönlich: „Bildung ist die Grundlage unseres gesellschaftlichen Wohlstandes. Deshalb brauchen wir das Bildungsland Deutschland.“ Endlich mal eine klare Definition: Wohlstand als Essenz, als Grundmotiv des menschlichen Werdens und Seins. Konsum als unabdingbarer Gesellschafts-Motor. Der Tanz ums goldene Kalb – zentraler Ritus unserer Staatsreligion. Und sollte das Rindvieh kränkeln, wird flugs die Billionen-Medizin kredenzt. Wir Bürger bürgen gern.

Prima, dass sich der Deutsche Musikrat diesem Zuschnitt unserer Gesellschaft gewissermaßen in vorauseilender Dienstleistungs-Bereitschaft so stromlinienförmig anpasst. Bei seiner Generalversammlung in Berlin ging es vorwiegend um die gerechte Entlohnung von Künstlern, Pädagogen und Kulturmanagern – erst kommt eben das Fressen, auch wenn der Acker noch sprießt. Dagegen wirken die ausgestreuten inhaltlichen Proklamationen wie Tand, wie Tafelkonfekt.

Musikpolitik ist jetzt also vornehmlich Finanzpolitik. Unser aller Zukunft liegt in einer üppig prosperierenden Kreativ-Wirtschaft. Auch die Musik ist auf dem besten Weg, ein knallharter Standortfaktor zu werden. Hinhören, es kracht so eklig megageil! Da wird der Editorialist weich, erinnert sich an Willy Brandts Satz: „Die Schule der Nation ist die Schule“ (und nicht die Bundeswehr, wie oft irrtümlich vermutet). Er leitet sentimental daraus ab: „Das Ziel von Bildung ist Bildung, möglichst umfassend, individuell und vor allem sinnstiftend.“ Aber niemand mehr hört hin. Wir ertauben milde.

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