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Zum Bundeswettbewerb „Schüler komponieren – Treffen junger Komponisten“
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Komponierende Jugendliche wurden in der Kreativitätsforschung bisher völlig vernachlässigt. So bot der seit inzwischen 13 Jahren bestehende Bundeswettbewerb „Schüler komponieren – Treffen junger Komponisten“ Anlaß, in einer Pilotstudie Hypothesen zu individuellen, gesellschaftlichen und institutionellen Bedingungen des Schaffensprozesses musikalisch kreativer Menschen zu überprüfen. Die Analyse einer der wichtigsten bundesweiten Fördermaßnahmen für komponierende Jugendliche stellte außerdem ein Anliegen dar. Die Ursprünge des Bundeswettbewerbes gehen bis in das Jahr 1975 zurück, als die Musikalische Jugend Deutschland e.V. zum ersten Mal den Ferienkurs „Jugend komponiert“ auf Schloß Weikersheim durchführte. Initiiert unter anderen von Prof. Martin Christoph Redel und Dr. Michael Jenne, wurde dann elf Jahre später gemeinsam mit dem Forum junger deutscher Komponisten für Orchestermusik die Weiterbildungsmaßnahme „Schüler komponieren Treffen junger Komponisten“ ins Leben gerufen. Seither wird sie jährlich von der Jeunesses Musicales Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie sowie dem Deutschen Musikrat durchgeführt. Ein Kuratorium unterstützt diese Institutionen bei der Organisation und Weiterentwicklung des Wettbewerbes. Die Weiterbildungsmaßnahme setzt sich aus einem bundesweit ausgeschriebenen Wettbewerb mit anschließendem Kompositionskurs zusammen. Die Besetzung, für die komponiert werden muß, wechselt jedes Jahr und ist sehr facettenreich: vom Klaviertrio über Trio d’anches bis hin zu Flöte, Klavier und Schlagzeug. Sie wird im Vorfeld der Ausschreibung mit dem Deutschen Musikrat abgestimmt, der bei der Auswahl der Interpreten behilflich ist, denn die jungen Musiker sind meist Sieger des Deutschen Musikwettbewerbes oder Absolventen der Bundesauswahl „Konzerte junger Künstler“. Am Wettbewerb können Jugendliche im Schüleralter, die bereits über kompositorische Erfahrungen verfügen sollten, und vor allem auch die Sieger der jeweiligen Landeswettbewerbe teilzunehmen. Eine fachkundige Jury, die zu einem Teil aus den Dozenten der Kompositionskurse besteht, entscheidet über die Qualität der eingegangenen Werke. Die meist 20 bis 30 ausgezeichneten Komponisten erhalten dann die Möglichkeit, an einem der beiden Kompositionskurse „Treffen junger Komponisten“ auf Schloß Weikersheim kostenlos teilzunehmen. Im Laufe der einwöchigen Kurse werden die Stücke aller Teilnehmenden unter Anleitung von Prof. Redel, Prof. Brandmüller und weiteren, von Jahr zu Jahr wechselnden Dozenten analysiert und gemeinsam besprochen. Neben dem reinen Notenmaterial dienen Einspielungen der vor Ort anwesenden Musiker als Diskussionsgrundlage. Darüber hinaus steht die Vermittlung von Themen aus der Musikgeschichte und Musiktheorie auf dem Seminarplan. Jeder junge Komponist hat außerdem Gelegenheit, an den Proben der Musiker teilzunehmen und so insbesondere die Spielbarkeit des eigenen Werkes mitzuerleben. Als Abschluß der Treffen präsentieren die Ensembles in einem Konzert alle Kompositionen der Öffentlichkeit. Die jungen Komponisten des Sommerkurses 1996 sowie ehemalige Teilnehmer der Jahre 1987 bis 1995 beteiligten sich an einer Pilotstudie zu komponierenden Jugendlichen. Ziel dieser Diplomarbeit im Fachbereich Kulturpädagogik war es, Hypothesen zur Lebenswelt und zu den Bedingungen des Schaffensprozesses von musikalisch kreativen Jugendlichen zu überprüfen. Die Antworten der jungen Komponisten zum Beispiel zur Öffentlichkeitsarbeit für den Wettbewerb, zum Ablauf und den Inhalten der Kompositionskurse oder zu ihren Wünschen und Zielvorstellungen sowie den „Lernerfolgen“ im Kurs bilden den Pool, aus dem die folgenden beispielhaften Ergebnisse stammen. Um es gleich vorwegzunehmen: Neben einzelnen Kritikpunkten ist die Resonanz auf die „Treffen junger Komponisten“ sehr positiv und führte zu Äußerungen wie: „Die Fördermaßnahme sollte unbedingt weitergeführt werden!“ „Wenn man überhaupt das Komponieren als sinnvolle und förderungswürdige Tätigkeit ansieht – was keineswegs selbstverständlich ist –, ist eine solche Fördermaßnahme wohl in höchstem Maße sinnvoll, und die spezielle Konzeption und Anlage der Weikersheimer Kurse erfüllt den Zweck der Förderung junger Komponisten, auch wenn sie später ganz andere Wege gehen mögen und das Komponieren möglicherweise wieder aufgeben, nach meiner Meinung optimal.“ Diese gerade angesprochenen Wege der ehemaligen Teilnehmer sehen folgendermaßen aus: Fast zwei Drittel haben sich gegen den Beruf des Komponisten entschieden. Große Teile dieser Gruppe beschäftigen sich aber noch in ihrer Freizeit und zur Entspannung mit dem Komponieren, und bis auf zwei üben alle einen musikbezogenen Beruf aus – die Verbindung zur Musik reißt also nicht ab. Diejenigen, die sich hauptberuflich der Komposition widmen, studieren noch zur Hälfte, während für die anderen das Komponieren nur einen Teil des Gelderwerbs darstellt. Der meistgenannte Grund, sich nicht hauptberuflich mit Komponieren zu beschäftigen, ist wie erwartet die Angst, davon nicht leben zu können. Für diese Berufswahl sprechen hingegen zum Beispiel die große Freiheit und die bereits erfolgte Anerkennung. Fast alle Jugendlichen kommen mit dem Ziel nach Weikersheim, fachliche Anregungen und konstruktive Kritik von den Dozenten zu erhalten. Manche möchten speziell etwas über „Neue Musik“ lernen. Priorität hat für einige der jungen Künstler das Knüpfen von Kontakten im Kurs, sowohl zu den Dozenten und den Musikern, aber auch vor allem zu gleichaltrigen Komponisten: „Ich kann mich ernsthaft über Komposition unterhalten, zu Hause sitzt man ganz alleine da.“ Der Kurs übernimmt also für viele die Funktion einer „Kommunikations- und Austauschbörse“: Neben der rein fachlichen ist deshalb die soziale Komponente des Kurses nicht zu unterschätzen und sollte noch stärker in die Diskussion einbezogen werden. Einige der Jugendlichen erhoffen sich eine erholsame Kurswoche, möchten neue Energie, Motivation und Mut für ihr Komponieren schöpfen. Diese Wünsche werden zum Großteil erfüllt. Auch wenn den Jugendlichen nicht alle Anregungen, die sie in diesem Kurs erhalten haben, am Ende der Woche präsent sind, läßt sich beobachten, welche Bedeutung die „Treffen junger Komponisten“ für die Teilnehmer haben. An erster Stelle liegt der Aspekt der allgemeinen fachlichen Anregungen: Es wird erwähnt, wie wichtig es sei, zum Nachdenken zu kommen, sich Türen öffnen und den Horizont erweitern zu lassen. Daneben geben die Jugendlichen an, neue Kompositionstechniken erlernt zu haben. Zu der fachlichen Unterstützung tritt die Bestätigung des bisherigen Kompositionsstils, die Inspiration zu Veränderungen im Denken und Arbeiten. Manche empfinden kurz vor Ende der Woche einen ungeheuren Schaffensdrang, den sie am liebsten auf der Stelle umsetzen würden – und der zum Beispiel in kleinen Kompositionen für das zeitgleich in Weikersheim probende Bundesjugendorchester endet. Aufgrund dieser vielfältigen Anregungen kommen alle Teilnehmenden zu dem Schluß, daß ein Kompositionskurs als Preis eines Kompositionswettbewerbes äußerst sinnvoll und angemessener als ein Geldpreis ist. Es existierten genügend Wettbewerbe, bei denen Sachpreise vergeben würden, und so setze sich der Bundeswettbewerb positiv ab: „Von Geld kann man sich zwar Brot kaufen, aber wenn man schlecht komponiert, kann man sich später kein Brot kaufen.“ Auch wenn einige der jungen Komponisten den momentan eingeschlagenen Weg nicht weiterverfolgen, stellt der Wettbewerb eine wichtige Fördermaßnahme dar, die vielen Jugendlichen Orientierung bietet. Viele befinden sich in einer Entwicklungsphase, in der Musik für sie das einzige Medium des Selbstausdruckes und der Kommunikation mit ihrer Umwelt darstellt. Der Kompositionskurs hilft ihnen, ihre „Lieblingssprache“ zu verfeinern, und bietet Gelegenheit, sie mit Gleichgesinnten zu „sprechen“. Deshalb bittet ein ehemaliger Kursteilnehmer: „Ich möchte die Sponsoren und Organisatoren dringendst darum bitten, diese ,Zukunftsinvestition‘ in das innovative kulturelle Klima unseres Landes nicht geringzuschätzen. Es wirkt sich langfristig aus.“ Literatur Barbara Ulrike Graebsch: Bundeswettbewerb „Schüler komponieren“. Eine empirische Untersuchung zur Lebenswelt und zu den Bedingungen des Schaffensprozesses bei komponierenden Jugendlichen, Hildesheim 1997.

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